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4

Als er wieder aufstehen konnte, verließ er den Satelliten. Die Luke öffnete sich, um ihn zu seiner Landekapsel zu lassen. Sie stieg zu seinem Schiff auf. Kurze Zeit später befand er sich im Warpflug. Er schlief die meiste Zeit. Unweit des Antares-Systems kehrte er in den Normalraum zurück, übernahm selbst die Steuerung des Raumers und änderte den Kurs. Er sah keinen Grund, zur Erde zurückzukehren. Die Überwachungsstation nahm seine Anfrage auf, verarbeitete sie, stellte fest, ob die Flugbahn frei war und gestattete ihm den sofortigen Weiterflug nach Lemnos. Muller schaltete wenig später auf Warpflug um. Als er kurz vor Lemnos den Warpraum verließ, entdeckte er, daß sich bereits ein Schiff im Orbit befand und auf ihn wartete. Er kümmerte sich nicht darum und ging den Routinearbeiten für die bevorstehende Landung nach. Aber das andere Schiff bestand auf einem Kontakt. Muller schaltete schließlich sein Funkgerät ein.

„Hier spricht Ned Rawlins“, sagte eine seltsam ruhige Stimme. „Warum hast du deinen Kurs geändert?“

„Was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Ich habe meinen Auftrag erledigt.“

„Du hast noch keinen Bericht abgegeben.“

„Also gut, dann hole ich das jetzt nach. Ich habe den Fremden aufgesucht. Wir haben uns nett und angeregt unterhalten. Er hat mir Gebäck und Tee angeboten, und danach durfte ich wieder nach Hause fliegen. Jetzt bin ich fast zuhause. Ich weiß nicht, welche Auswirkungen mein Besuch auf die Zukunft der menschlichen Geschichte haben wird. Ende des Berichts.“

„Und was willst du jetzt tun?“

„Nach Hause gehen, das habe ich doch schon gesagt. Das hier ist mein Zuhause.“

„Lemnos?“

„Lemnos.“

„Dick, laß mich zu dir an Bord kommen. Schenk mir zehn Minuten… persönlich. Bitte, sag nicht nein.“

„Ich sage nicht nein“, antwortete Muller.

Bald darauf löste sich eine Flugkapsel vom anderen Schiff und paßte sich der Geschwindigkeit und der Flugbahn von Mullers Raumer an. Geduldig ließ Muller das Andockmanöver zu. Rawlins betrat sein Schiff und legte den Helm ab. Er wirkte älter, erschöpft und sah blaß aus. In seinen Augen stand ein anderer Ausdruck. Die beiden sahen sich einen langen, schweigenden Moment an. Dann trat Rawlins vor und ergriff Mullers Handgelenk zum Gruß.

„Ich hätte nicht geglaubt, dich jemals wiederzusehen, Dick“, sagte er. „Und ich wollte dir sagen…“

Er hielt abrupt inne.

„Ja, was wolltest du erzählen?“ fragte Muller.

„Ich spüre es nicht“, sagte Rawlins. „Ich spüre es nicht mehr!“

„Was?“

„Dich. Deine Ausstrahlung. Sieh doch, ich stehe direkt vor dir und fühle oder spüre nichts. All der Unrat, das Leid, die Verzweiflung… nichts kommt mehr von dir!“

„Der Extragalaktiker hat alles aufgesogen“, sagte Muller leise. „Deine Reaktion überrascht mich nicht. Die Seele hat meinen Körper verlassen. Und nicht alles würde mir zurückgegeben.“

„Wovon redest du eigentlich?“

„Ich habe gefühlt, wie der Fremde alles aus mir herausgesaugt hat. Ich wußte, daß er mich veränderte. Aber nicht aus Vorsatz. Es war eine eher zufällige Veränderung. Ein Nebenprodukt sozusagen.“

„Dann wußtest du es also“, sagte Rawlins langsam. „Noch bevor ich überhaupt an Bord gekommen bin.“

„Ja, aber jetzt habe ich den Beweis.“

„Und trotzdem willst du zurück ins Labyrinth. Warum?“

„Es ist mein Zuhause.“

„Die Erde ist dein Zuhause, Dick. Es gibt keinen Grund, warum du nicht dorthin zurückkehren solltest, Dick. Du bist geheilt.“

„Ja“, sagte Muller. „Ein Happy-End für meine traurige Geschichte. Ich bin fähig, mich wieder unter Menschen zu mischen. Der Lohn für meinen selbstlosen Einsatz, in dem ich ein zweites Mal mein Leben durch einen Besuch bei Außerirdischen riskiert habe. Wie hübsch! Aber ist die Menschheit auch bereit, wieder mit mir zu verkehren?“

„Mach keine Dummheiten, Dick. Geh nicht hinunter. Charles hat mich zu dir geschickt. Er ist furchtbar stolz auf dich. Das sind wir alle. Es wäre ein großer Fehler, wenn du dich jetzt wieder dort unten abkapseln würdest.“

„Kehr zu deinem Schiff zurück, Ned“, sagte Muller.

„Wenn du ins Labyrinth gehst, dann komme ich mit.“

„Ich bringe dich um, wenn du es nur versuchen solltest. Ich möchte allein sein und in Ruhe gelassen werden, Ned. Verstehst du das denn nicht? Ich habe meinen Auftrag ausgeführt. Meinen letzten Auftrag. Jetzt kündige ich, ich ziehe mich zurück, rein und befreit von meinen Alpträumen.“ Muller zwang sich zu einem matten Lächeln. „Komm mir nicht hinterher, Ned. Ich habe dir vertraut, obwohl du mich betrügen wolltest. Alles andere spielt dabei keine Rolle mehr. Verlasse nun mein Schiff. Wir haben uns alles gesagt, was es zwischen uns zu sagen gibt, denke ich, bis auf den Abschiedsgruß.“

„Dick…“

„Mach’s gut, Ned. Berichte Boardman meine Worte. Und den andern auch.“

„Tu es nicht!“

„Dort unten gibt es etwas, das ich nicht missen möchte“, sagte Muller. „Und jetzt werde ich es mir nehmen. Halte dich von mir fern. Ich habe die Wahrheit über die Menschen erfahren müssen. Wirst du jetzt bitte gehen?“

Schweigend setzte Rawlins sich den Helm wieder auf und trat an die Schleuse. Als er hinausging, sagte Muller: „Richte allen von mir einen Gruß aus, Ned. Ich bin froh, daß du der letzte warst, den ich gesehen habe. Irgendwie macht das alles etwas einfacher für mich.“

Rawlins entschwand durch die Schleuse.

Wenig später programmierte Muller sein Schiff auf eine hyperbolische Umlaufbahn und schaltete eine zwanzigminütige Verzögerung vor. Dann trat er in die Landekapsel und bereitete den Abstieg nach Lemnos vor. Die Landung vollzog sich rasch und problemlos. Er kam exakt dort auf, wo er gewollt hatte: zwei Kilometer vor dem Haupteingang zum Labyrinth. Die Sonne stand hoch am Himmel und strahlte hell. Muller wanderte mit kräftig ausholenden Schritten auf sein Zuhause zu.

Er hatte das getan, was sie von ihm gewollt hatten.

Jetzt konnte er nach Hause gehen.

5

„Muller hatte schon immer eine Vorliebe für dramatische Abgänge“, sagte Boardman. „Aber er wird doch auch wieder hinauskommen.“

„Das glaube ich nicht“, entgegnete Rawlins. „Es war sein Ernst.“

„Sie haben also direkt vor ihm gestanden und nichts gespürt?“

„Absolut nichts. Er hat dieses Leiden nicht mehr.“

„Weiß er das?“

„Ja.“

„Dann wird er auch wieder herauskommen“, erklärte Boardman. „Wir halten ihn unter Beobachtung. Und wenn er darum bittet, Lemnos verlassen zu können, dann holen wir ihn ab. Über kurz oder lang wird er sich wieder nach menschlicher Gesellschaft sehnen. Er hat so viel durchmachen müssen, daß er erst einmal Ruhe braucht, um davon Abstand zu gewinnen. Ich glaube, er sieht das Labyrinth als besten Zufluchtsort an, um wieder zu sich selbst zu finden. Er ist noch nicht dazu bereit, wieder ein normales Leben zu führen. Schenken wir ihm zwei oder drei Jahre, dann kommt er von ganz alleine. Die beiden außerirdischen Kulturen haben gegenseitig ihr Werk an ihm aufgehoben, und deshalb kann er wieder in die menschliche Gesellschaft eintreten.“

„Ich habe da meine Zweifel“, meinte Rawlins mit leiser Stimme. „Ich glaube nicht, daß er hundertprozentig wiederhergestellt ist. Charles, ich befürchte vielmehr, daß er kein Mensch ist… nicht mehr.“