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waffenlosen Inder versuchten nicht zu fliehen, aber auch die übrigen Angehörigen der Wache. Da sie Berufssoldaten waren, wurde ihnen bald klar, daß ein andermal einer von ihnen verwundet werden könnte, und sie waren froh, daß ein hakim sich der Gefahr aussetzte, um ihnen zu helfen.

Rob schickte jeden Morgen einen Jagdtrupp aus. Das Niederwild, mit dem die Soldaten zurückkehrten, wurde mit dem Reis gedünstet, den Karim ihnen gelassen hatte. Die Patienten wurden zusehends kräfti-8er'

Rob stellte eine merkwürdige Tatsache fest: Fast jede Wunde, die er mit kochendem Öl behandelt hatte, entzündete sich, schwoll an und war voll Eiter. Viele dieser Verwundeten waren gestorben, während die meisten, deren Wunden behandelt worden waren, nachdem das Öl ausgegangen war, keine Eiterbildung zeigten und am Leben blieben. Er begann Aufzeichnungen zu machen und ahnte, daß allein diese Beobachtung seine Reise nach Indien vielleicht rechtfertigte. Er besaß fast keinen Wein mehr, hatte aber bei der Herstellung des Universal-Spezificums seinerzeit gelernt, daß man überall dort, wo es Bauern gab, Fäßchen mit starken alkoholischen Getränken bekommen konnte; er wollte unterwegs solche kaufen.

Als sie schließlich nach drei Wochen die Scheune verließen, ging es vier Patienten so gut, da sie bereits wieder reiten konnten. Zwölf Soldaten trugen keine Lasten, so daß sie die Träger der Bahren ablösen und sich immer einige ausruhen konnten. Drei Elefanten hinkten noch und erhielten keine Lasten aufgeladen, und Rob ritt auf dem Rücken eines genesenen Elefanten. Er war froh, Biest los zu sein, und wollte nie wieder auf einem Kamel reiten. Im Gegensatz dazu bot der breite Rücken des Elefanten Bequemlichkeit und Sicherheit und einen königlichen Blick auf die Welt. Die angenehme Reise verschaffte ihm unbegrenzte Zeit zum Nachdenken, und die Erinnerung an Mirdin war bei jedem Zoll des Weges in ihm wach. Tausende Vögel, die plötzlich aufflogen, der Sonnenuntergang, der den Himmel in Flammen setzte, ein Elefant, der auf den Rand eines steilen Grabens trat, um ihn hinunterzutreten, sich dann wie ein Kind auf die entstandene Erdrampe setzte und hinunterrutschte -

all diese einfachen Wunder einer Reise bemerkte er zwar, sie bereiteten ihm aber wenig Freude.

Jesus, dachte er, oder Shaddai oder Allah, wer immer Du sein magst wie kannst Du solche Verschwendung zulassen? Könige führen gewöhnliche Männer in die Schlacht, und manche der Überlebenden sind erbärmliche Wesen, andere schlicht und einfach schlecht, dachte Rob bitter. Dennoch hatte Gott es zugelassen, daß einer niedergemetzelt wurde, der den Charakter eines Heiligen besaß und einen Verstand, um den Gelehrte ihn beneiden. Mirdin hätte sein ganzes Leben der Aufgabe gewidmet, Kranke zu heilen und der Menschheit zu dienen.

Sie näherten sich am späten Nachmittag Isfahan, und die Stadt bot denselben Anblick wie damals, als er sie zum erstenmal erblickt hatte: weiße Gebäude mit blauen Schatten und Dächern, die das Rosa der Sandhügel widerspiegelten. Sie ritten geradewegs zum maristan, wo die achtzehn Verwundeten anderen Ärzten zur Behandlung übergeben wurden.

Dann zogen sie weiter zu den Ställen des Hauses des Paradieses, wo Rob die Tiere, die Soldaten und die Sklaven übergab. Als er das hinter sich hatte, verlangte er seinen braunen Wallach. Farhad, der neue Stadthauptmann, stand in der Nähe, hörte es und befahl dem Stallburschen, keine Zeit damit zu verlieren, ein Pferd in dem Gewühl der Herde zu suchen. »Gib dem hakim ein anderes Pferd.«

»Khuff hat gesagt, ich würde mein Pferd zurückbekommen.« Es darf doch nicht alles umgestoßen werden, dachte er.

»Khuff ist tot.«

»Trotzdem.« Zu seiner eigenen Überraschung wurden seine Stimme und sein Blick scharf. »Ich verlange dasselbe Pferd!«

Farhad hörte die Herausforderung in der Stimme des hakim. Er hatte nichts zu gewinnen, wenn er mit diesem Dhimmi stritt, aber vielleicht eine Menge zu verlieren. Er zuckte mit den Achseln und wandte sich ab.

Rob ritt neben dem Stallburschen in der Herde hin und her. Als er endlich seinen Wallach erblickte, schämte er sich seines unbeherrschten Verhaltens. Sie trennten das Pferd von den anderen und legten ihm einen Sattel auf, während Farhad deutlich seine Verachtung darüber zeigte, daß der Dhimmi wegen dieses minderwertigen Tiers so aufgebracht gewesen war.

AUf dem braunen Pferd trabte Rob durch die Dämmerung nach der jehuddijeh.

jvlary hörte Geräusche draußen bei den Tieren. Sie griff nach dem Schwert ihres Vaters und der Lampe und öffnete die Tür zwischen Haus und Stall.

Er war heimgekehrt.

Er hatte dem braunen Wallach den Sattel schon abgenommen, und er war dabei, das Tier m den Stall zu führen.

Er drehte sich um, und sie sah in dem schwachen Licht, daß er erheblich Gewicht verloren hatte.

Er sah fast so aus wie der magere, halbwilde Junge, den sie in Karl Frittas Karawane kennengelernt hatte.

Mit drei Schritten war er bei ihr und umarmte sie wortlos. Dann berührte seine Hand ihren flachen Bauch.

»Ist es gutgegangen?«

Sie lachte zitternd, denn sie war müde und aufgerieben. Er hätte ihre verzweifelten Schreie noch vor fünf Tagen hören können. »Dein Sohn hat zwei Tage gebraucht, um auf die Welt zu kommen.«

»Ein Sohn.«

Er legte ihr seine große Hand an die Wange. Bei seiner Berührung erbebte sie vor übergroßer Erleichterung, so daß sie beinahe Öl aus der Lampe vergossen hätte, und die Flamme flackerte.

Sechster Teil.

Der Hakim 

Die Bestallung

Am Morgen nach seiner Rückkehr besah Rob sich seinen Sohn im Tageslicht, und er erkannte, daß das Kind schön war, tiefblaue Augen und große Hände und Füße besaß.

Er und Mary stritten wegen der Beschneidung. »Er wird leichter anerkannt werden«, argumentierte Rob.

»Ich will nicht, daß er in Persien anerkannt wird«, entgegnete sie müde. »Ich will, daß er zu Hause anerkannt wird, wo Männer nicht gestutzt und verbeult, sondern in ihrem natürlichen Zustand belassen werden.« Er lachte, und sie begann zu weinen. Er tröstete sie und verschwand dann, um sich mit Ibn Sina zu beraten.

Der Arzt aller Ärzte begrüßte ihn herzlich, dankte Allah für Robs Überleben und sprach ergriffen über Mirdins Tod. Ibn Sina lauschte aufmerksam Robs Bericht über die bei den Schlachten durchgeführten Behandlungen und Amputationen, besonders interessierte ihn der Vergleich zwischen der Wirksamkeit von heißem Öl gegenüber Weinbädern zur Reinigung offener Wunden. Ibn Sina war mehr an wissenschaftlicher Erkenntnis als an seiner Unfehlbarkeit gelegen. Obgleich Robs Beobachtungen seinen Lehren widersprachen, die er mündlich und schriftlich verbreitet hatte, bestand er darauf, daß Rob seine Entdeckung niederschrieb. »Außerdem soll die Behandlung der Wunden mit Wein Thema Eurer Antrittsvorlesung als hakim sein«, schlug er vor, und Rob stimmte seinem Mentor zu.

Dann sah ihn der Alte an. »Ich möchte, daß Ihr mit mir arbeitet, Jesse ben Benjamin: als Assistent.«

Das hatte sich Rob nie erträumt. Er wollte dem Arzt aller Ärzte erzählen, daß er nach Isfahan gekommen war, nur um den Saum von Ibn Sinas Kleidung zu berühren. Statt dessen nickte er. »Das würde ich gern werden, Hakim-bashi.«

Mary machte keine Einwände, als er es ihr mitteilte. Nachdem er merkte, wie sie sich für ihn freute, schloß er sie in die Arme. »Ich

verspreche dir, daß ich dich nach Hause bringen werde, Mary. Aber nicht in der nächsten Zeit. Bitte habe Vertrauen zu mir.« Sie versprach es. Doch sie sah auch ein, daß sie sich bei einem längeren Aufenthalt ändern mußte. Sie beschloß zu versuchen, sich dem Land anzupassen. Widerwillig gab sie bezüglich der Beschneidung des Kindes nach.