Er runzelte die Stirn. »Noch etwas. Ein Jongleur wirft nie den Balclass="underline" Die Bälle werden geschleudert. Deine Handfläche muss sich einen Augenblick straffen, so dass die Höhlung verschwindet und die Hand ganz flach wird. Aus der Mitte deines Handtellers wird der Ball dann gerade hinaufgeschnellt, während zugleich auch das Handgelenk leicht hochschnellt und der Unterarm eine winzige Aufwärtsbewegung vollführt. Von den Ellbogen bis zu den Schultern sollten sich deine Arme nicht bewegen.«
Er holte die Bälle und reichte sie Rob.
Als sie Hertford erreichten, stellte Rob das Podium auf, trug die Flaschen mit des Baders Elixier hinaus, nahm dann die beiden Holzbälle und übte allein das Hochschleudern. Es war ihm nicht schwierig vorgekommen, doch er stellte fest, dass er oft dem Ball, wenn er ihn hochschnellte, einen Drall versetzte, so dass er die Richtung änderte. Wenn er das Abschnellen verzögerte, indem er den Ball zu lang festhielt, fiel er ihm ins Gesicht oder auf seine Schulter, wenn er aber eine Hand erschlaffen ließ, flog der Ball von ihm weg. Aber er ließ nicht locker, und bald erfasste er den Trick mit dem Schnellen. Der Bader schaute zufrieden aus, als Rob an diesem Abend vor dem Essen seine neue Fertigkeit vorführte.
Am nächsten Tag hielt der Bader den Wagen vor dem Dorf Luton an und zeigte Rob, wie er zwei Bälle so schnellen konnte, dass sich ihre
Flugbahnen kreuzten. »Du kannst Zusammenstöße in der Luft vermeiden, wenn ein Ball etwas früher oder höher geschnellt wird als der andere«, belehrte er ihn.
Sobald die Darbietung in Luton begonnen hatte, stahl sich Rob mit den beiden Bällen davon und übte auf einer kleinen Lichtung im Wald. Der blaue Ball traf meist den roten mit einem leise klappernden Geräusch, das Rob zu verspotten schien. Die Bälle fielen zu Boden, rollten davon und mussten wieder eingesammelt werden, und Rob kam sich ungeschickt und irgendwie linkisch vor. Aber außer einer Waldmaus und gelegentlich einem Vogel sah niemand zu, und er setzte seine Versuche fort. Er brauchte zwei Tage des ständigen Ausprobierens, bevor er endlich einigermaßen mit sich zufrieden war und dem Bader seine Fortschritte vorführte.
Der zeigte ihm nun, wie er beide Bälle in einem Kreis bewegen konnte. »Es sieht schwieriger aus, als es ist. Die Bälle werden durch das Hochschnellen rasch hinaufgeschickt, kommen aber viel langsamer herunter. Das ist das Geheimnis des Jongleurs, das rettet ihn: Du hast viel Zeit.»
Eine Woche später brachte ihm der Bader bei, wie man beide Bälle aus derselben Hand jongliert.
Sie hielten vor einer Stadt namens Bletchly, weil der Bader von einem Bauern einen Schwan kaufte. Er war kaum mehr als ein Schwänchen, aber dennoch größer als jedes essbare Geflügel, das Rob jemals gesehen hatte.
Der Bauer verkaufte ihn bereits gerupft, doch der Bader bereitete den Vogel sorgfältig vor, wusch ihn gründlich in einem Bach und hielt ihn an den Beinen über ein kleines Feuer, um die Stoppeln abzusengen. Er füllte ihn mit Maronen, Zwiebeln, Fett und Kräutern, wie es sich für einen Vogel gehörte, der so viel gekostet hatte. »Das Fleisch eines Schwanes ist trockener als das einer Ente, deshalb muss es gespickt werden«, belehrte er Rob glücklich. Statt den Vogel zu spicken, wickelten sie ihn jedoch vollkommen in dünne Scheiben von gesalzenem Schweinespeck, die einander überlappten und fest anlagen. Der Bader verschnürte das Tier mit einer Flachsschnur und steckte es dann auf einen Spieß über dem Feuer.
Rob übte in der Nähe des Feuers, so dass die Gerüche zu einer süßen Qual wurden. Die Hitze der Flammen entzog dem Schweinespeck das Fett und durchtränkte mit ihm das magere Fleisch, während das Fett in der Füllung langsam schmolz und den Vogel von innen saftig machte. Während der Bader den Schwan auf dem grünen Zweig drehte, der als Spieß diente, trocknete die dünne Speckschicht allmählich und wurde braun; als der Vogel schließlich durchgebraten war und der Bader ihn vom Feuer nahm, platzte die gesalzene Speckkruste und fiel ab. Innen war der Schwan saftig und köstlich, ein wenig fest, aber fein gewürzt. Sie aßen das Fleisch mit der heißen Maronenfüllung und gekochtem frischen Kürbis. Rob bekam eine große, rosa Keule. Am nächsten Morgen standen sie früh auf, um flott und nach dem Ruhetag gut erholt weiterzufahren. Sie hielten zum Frühstück am Straßenrand und ließen sich kalte Schwanenbrust mit geröstetem Brot und Käse schmecken. Als sie aufgegessen hatten, rülpste der Bader und übergab Rob einen dritten hölzernen Ball, der grün bemalt war.
Sie bewegten sich wie Ameisen über das Tiefland. Die Cotswold-Hügel waren leicht gewellt und schön in ihrer sommerlichen Sanftheit. Die Dörfer duckten sich in die flachen Täler, und es gab mehr Steinhäuser, als Rob in London gesehen hatte. Drei Tage nach dem St.-Swithin-Tag, dem 15. Juli, wurde Rob zehn Jahre alt. Er erwähnte es dem Bader gegenüber nicht.
Er wuchs, und die Ärmel seines Hemdes, die Ma absichtlich zu lang zugeschnitten hatte, endeten jetzt ein Stück oberhalb seiner kräftigen Handgelenke. Der Bader ließ ihn schwer arbeiten. Rob erledigte die meisten täglichen Arbeiten, belud und entlud den Wagen in jeder Stadt und jedem Dorf, sammelte Brennholz und holte Wasser.
Sein Körper bildete aus dem guten, nahrhaften Essen, das den Bader so dickbäuchig erhielt, Knochen und Muskeln. Er hatte sich schnell an das wunderbare Essen gewöhnt.
Und auch der Bader und Rob gewöhnten sich aneinander. Wenn der dicke Mann ab und zu eine Frau ans Lagerfeuer brachte, war es für Rob längst nichts Neues mehr. Manchmal horchte er auf die Geräusche beim Bumsen und versuchte, etwas zu sehen, aber für gewöhnlich drehte er sich um und schlief. Wenn die Umstände günstig waren, verbrachte der Bader auch einmal die Nacht im Haus einer Frau, doch traf er immer pünktlich beim Wagen ein, wenn es Morgen wurde und es Zeit war, den Ort zu verlassen. Allmählich begriff Rob, dass der Bader versuchte, jede Frau um den
Finger zu wickeln, die er sah, und es genauso mit den Leuten hielt, die seiner Vorstellung beiwohnten. Der Bader redete ihnen ein, dass das universelle Spezificum eine Arznei aus dem Osten war, die man gewann, indem man aus den zerriebenen und getrockneten Blüten einer Pflanze, die Vitalia hieß und nur in den Wüsten des fernen Assyrien vorkam, einen Aufguss bereitete.
Wenn das Heilmittel knapp wurde, half Rob dem Bader beim Mischen eines neuen Vorrats, und er sah, dass das Spezificum überwiegend aus gewürztem Met bestand.
Sie mussten sich nur ein halbes Dutzend Mal erkundigen, bis sie einen Bauern fanden, der ihnen gern ein Fässchen Metheglin verkaufte. Jedes andere alkoholische Getränk hätte denselben Dienst geleistet, aber der Bader sagte, dass ihm Metheglin, ein Gemisch aus gegorenem Honig und Wasser, am liebsten sei. »Es ist eine Erfindung der Waliser, Kleiner, eines der wenigen Dinge, die wir ihnen verdanken. Der Name kommt von meddyg, ihrem Wort für Arzt, und llyn, was starker Alkohol bedeutet. Metheglin ist ihre Allerweltsmedizin, und sie ist gut, denn sie betäubt die Zunge und wärmt die Seele.« Vitalia, das Kraut des Lebens aus dem fernen Assyrien, entpuppte sich als eine Prise Salpeter, die Rob tüchtig in jede Gallone Metheglin verrührte. Sie verlieh dem alkoholischen Getränk medizinische Schärfe, die durch die Süße des gegorenen Honigs, der den Grundbestandteil darstellte, gemildert wurde.
Die Flaschen waren klein. »Kauf ein Fässchen billig, verkaufe ein Fläschchen teuer«, lehrte der Bader. »Unsere Kundschaft sind die einfachen Leute und die Armen. Über uns stehen die Chirurgen, die fettere Honorare einstreichen und unsereinem manchmal ein dreckiges Geschäft zuschanzen, mit dem sie sich nicht die Hände schmutzig machen wollen, so wie man einem Köter ein faules Stück Fleisch zuwirft. Über diesem erbärmlichen Gesindel stehen die verdammten Ärzte, die sich Medicus schimpfen und die vornehmen Herrschaften betreuen, weil sie die höchsten Honorare berechnen. Hast du dich jemals gefragt, warum dieser Bader keine Barte stutzt oder Haare schneidet? Weil ich es mir leisten kann, mir meine Tätigkeit selbst auszusuchen. Wenn ein Bader eine besondere Arznei mischt und sie fleißig verkauft, kann er genauso viel Geld verdienen wie ein Medicus.