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»Wird Alä ausgeliefert?«

Der Mann funkelte ihn an und spuckte aus. »Wir sind Perser. Und er ist unser Schah.«

Rob nickte. Aber er glaubte nicht daran.

Er verließ die Mauer und ritt zu seinem Haus in der Jehuddijeh zurück. Sein englisches Schwert war in ölige Lappen gewickelt und aufbewahrt worden. Er schnallte es um und bat Mary, das Schwert ihres Vaters herauszuholen und die Tür hinter ihm zu verbarrikadieren. Dann bestieg er wieder sein Pferd und ritt zum Haus des Paradieses.

Als er das äußere Tor erreichte, trat die Palastwache heraus, um ihn aufzuhalten.

»Ich bin Jesse, hakim im maristan, und zum Schah bestellt.«

Der Wachtposten nickte, trat zur Seite und ließ den Reiter durch. Rob ritt durch die für den König künstlich angelegten Wälder, an dem grünen Feld für das Ball-und-Stock-Spiel, an den beiden Rennplätzen und den Pavillons vorbei. Dann schlug er die Prachtauffahrt zum Hause des Paradieses ein. Die Hufe seines Pferdes klapperten über die Zugbrücke, und er band das Pferd vor dem Eingang an. Im Hause des Paradieses hallten seine Schritte in den leeren Korridoren. Endlich kam er zum Audienzzimmer, in dem ihn der Schah immer empfangen hatte und in dem Alä jetzt allein mit gekreuzten Beinen in einer Ecke auf dem Boden saß. Vor ihm stand ein halbvoller Weinkrug, daneben ein Brett mit den Figuren des Spiels des Schahs. Er sah so verwildert und ungepflegt aus wie die Gärten draußen. Sein Bart war nicht gestutzt worden. Unter seinen Augen befanden sich violette Ringe, und er hatte abgenommen, so daß seine Adlernase noch schmaler wirkte. Er starrte zu Rob hinauf, der mit der Hand auf dem Schwertgriff vor ihm stand.

»Nun, Dhimmi? Bist du gekommen, um dich zu rächen?« Rob wurde erst nach einer kurzen Pause klar, daß Alä, der schon die Figuren auf dem Spielbrett ordnete, das Spiel des Schahs meinte. Rob hob die Schultern, ließ den Griff los und legte das Schwert so zurecht, daß er sich dem König gegenüber bequem auf den Boden setzen konnte.

»Frische Armeen«, sagte Alä ohne Humor und eröffnete mit einem Elfenbeinbauern.

Rob erwiderte mit einem schwarzen Ebenholzbauern. »Wo ist Far-had? Ist er in der Schlacht gefallen?« Er hatte nicht erwartet, den Schah allein anzutreffen. Er war darauf gefaßt gewesen, den Stadthauptmann zuerst töten zu müssen.

»Farhad ist nicht gefallen. Er ist geflohen.« Alä schlug einen Bauern mit seinem weißen Reiter, und sofort benutzte Rob einen seiner schwarzen Reiter, um einen weißen Bauern zu schlagen. »Khuff hätte Euch nicht im Stich gelassen.«

»Nein, Khuff wäre nicht davongelaufen«, pflichtete ihm Alä geistesabwesend bei. Er studierte die Lage auf dem Brett. Schließlich ergriff er den r«&/7-Kämpfer am Ende der Linie, der die elfenbeinernen Mörderhände an die Lippen hielt, um das Blut seiner Feinde zu trinken, und zog mit ihm.

Rob stellte ihm eine Falle und erwischte Alä, indem er einen schwarzen Reiter gegen den weißen rukh tauschte.

Alä starrte auf das Brett. Danach überlegte der Schah seine Züge besser, und er brauchte Zeit zum Nachdenken.

Seine Augen glänzten, als er den zweiten schwarzen Reiter schlug, wurden aber wieder matt, als er einen Elefanten verlor. »Was ist aus Eurem großen Elefanten geworden?« »Ah, das war ein guter Elefant. Ich habe auch ihn am Tor von al-Karaj verloren.«

»Und aus dem mahont Harsha?«

»Gefallen, bevor der Elefant starb. Eine Lanze traf ihn in die Brust.« Er trank den Wein, ohne Rob welchen anzubieten, direkt aus dem Krug und verschüttete einen Teil davon auf sein bereits verschmutztes Gewand. Er wischte sich Mund und Bart mit dem Handrücken ab. »Genug geredet«, knurrte er und wendete sich dem Spiel zu, denn die Ebenholzfiguren waren leicht im Vorteil.

Alä griff nun wütend an und versuchte alle Kniffe, die ihm einmal so gut gelungen waren, aber Rob hatte in den letzten Jahren gegen stärkere Gegner gekämpft. Mirdin hatte ihm gezeigt, wann er kühn und wann er vorsichtig sein mußte, und von Ibn Sina hatte er gelernt, vorauszuschauen und weit vorauszudenken. Es sah jetzt ganz so aus, als führe er Alä genau auf den Weg der Niederlage, und die Vernichtung der Elfenbeinfiguren wurde zur Gewißheit. Die Zeit verging, und Aläs Gesicht glänzte vor Schweiß, obwohl der Raum dank der Mauern und Fußböden aus Stein kühl war.

Rob hatte den Eindruck, als würden Mirdin und Ibn Sina für ihn mitspielen.

Dann standen von den Elfenbeinfiguren nur noch der König, der General und ein Kamel auf dem Brett, und bald schlug Rob, während sich sein Blick in die Augen des Schahs bohrte, mit seinem General das Kamel.

Alä stellte seinen General vor die Königsfigur und blockierte die Angriffslinie. Aber Rob hatte noch fünf Figuren zur Verfügung: den König, den General, einen rukh, ein Kamel und einen Bauern. Er zog den nicht bedrohten Bauern zur gegenüberliegenden Seite des Feldes, wo ihm die Regeln gestatteten, ihn gegen den zweiten rukh einzutauschen.

In drei Zügen hatte er den neu gewonnenen rukh geopfert, um den Elfenbeingeneral zu schlagen. Und in zwei weiteren Zügen bedrohte sein Ebenholzgeneral den Elfenbeinkönig. »Ziehe, o Schah«, flüsterte er.

Er wiederholte die Worte dreimal, während er seine Figuren so aufstellte, daß es für Aläs König keinen Ausweg mehr gab. »Shahtreng«, verkündete er schließlich.

»Ja, der Todeskampf des Königs.« Alä fegte die restlichen Figuren vom Brett.

Nun sahen sie einander prüfend an, und Robs Hand lag wieder auf dem Griff seines Schwertes.

»Masüd hat erklärt, wenn die Einwohner von Isfahan Euch nicht ausliefern, werden die Afghanen alle ermorden und die Stadt plündern.«

»Die Afghanen werden morden und diese Stadt plündern, ob man mich ausliefert oder nicht. Es gibt nur eine Chance für Isfahan.« Der Schah erhob sich mühsam, und Rob stand auch auf, damit ein Untertan nicht saß, während der Herrscher stand. »Ich werde Masüd zum Zweikampf herausfordern: König gegen König.« In Rob brannte der Wunsch, den Schah zu töten, nicht zu bewundern oder zu lieben, und er runzelte die Stirn.

Alä spannte den schweren Bogen, den nur wenige Männer so handhaben konnten, und zeigte auf das Schwert aus gemustertem blauen Stahl, das an der gegenüberliegenden Wand hing. »Hol meine Waffe, Dhimmi!«

Rob brachte sie und sah zu, wie er sie umschnallte. »Ihr wollt jetzt gegen Masüd kämpfen?« »Der Augenblick scheint mir günstig.« »Wollt Ihr, daß ich Euch begleite?« »Nein!«

Der Schah von Persien reagierte empört und verächtlich darauf, daß ihn ein Jude begleiten wollte. Statt in Zorn zu geraten, empfand Rob Erleichterung darüber, denn er hatte sich unüberlegt angeboten und dies bereits bedauert, da es weder sinnvoll noch eine Ruhmestat war, neben dem Schah zu sterben.

Doch das Falkengesicht wurde weich, und Alä Shahansha blieb stehen, bevor er ging. »Es war ein ritterliches Angebot«, sagte er. »Denk

nach, was du dir als Belohnung wünschst. Wenn ich zurückkomme, werde ich dir einen calaat verleihen.«

Rob stieg eine schmale Steintreppe zu den höchsten Zinnen des Hauses des Paradieses empor. Von diesem luftigen Standort aus sah er dje Häuser des vornehmen Viertels von Isfahan, die Perser, die auf der Stadtmauer standen, die Ebene vor ihnen und das Lager des Ghazna.-Heeres, das sich bis zu den Hügeln erstreckte. Er wartete lange, während der Wind ihm Haar und Brust zauste, ohne daß Alä erschien.

Dann begann er sich Vorwürfe zu machen, weil er den Schah nicht getötet hatte. Er war sicher, daß Alä ihn übertölpelt hatte und daß ihm die Flucht geglückt war. Doch jetzt sah er ihn.

Das Westtor lag außerhalb seiner Sichtweite, doch in dieser Richtung, auf der flachen Ebene jenseits der Mauer, tauchte der Schah auf. Er ritt sein vertrautes Pferd, den wilden, schönen weißen Araberhengst, der den Kopf hochwarf und ungebärdig tänzelte.