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»Ich werde Euch gestatten, eidlich zu erklären, daß Ihr die Person seid, die Ihr zu sein behauptet. Ihr werdet angewiesen, in drei Wochen wieder vor diesem Gericht zu erscheinen. Euch müssen zwölf freie Männer als Eideshelfer begleiten, von denen jeder bereit ist zu schwören, daß Ihr Robert Jeremy Cole, Christ und frei geboren seid. Habt Ihr verstanden?« Rob nickte und wurde entlassen.

Minuten später stand er vor der Kathedrale und konnte kaum glauben, daß er ihren scharfen, bohrenden Fragen entronnen war. »Master Cole!« rief da jemand. Er drehte sich um und sah den Benediktiner, der hinter ihm herhastete.

»Wollt Ihr mich in ein Wirtshaus begleiten, Master? Ich würde gern mit Euch sprechen.« Was kommt jetzt, dachte Rob.

Aber er folgte dem Mann über die schlammige Straße in eine Taverne, wo sie sich in eine ruhige Ecke setzten.

Der Mönch stellte sich als Bruder Paulinus vor, und beide bestellten Ale. »Ich finde, daß die Verhandlung gut für Euch ausging.« Rob erwiderte nichts, und sein Schweigen veranlaßte den Mönch, die Stirn zu runzeln. »Hört mal, ein ehrlicher Mann kann doch leicht zwölf ehrliche Männer finden!«

»Ich wurde in der Pfarre St. Botolph geboren, habe sie aber als Junge verlassen, da ich als Gehilfe eines Baderchirurgen durch England zog. Es wird mir verdammt schwerfallen, zwölf Männer zu finden, rechtschaffen oder nicht, die sich an mich erinnern und bereit sind, nach London zu reisen, um es vor Gericht zu bestätigen.«

Bruder Paulinus nippte an seinem Ale. »Wenn Ihr nicht alle zwölf findet, ist die Rechtsfrage strittig. Dann wird man Euch Gelegenheit geben, Eure Unschuld durch ein Gottesurteil zu beweisen.« Das Ale schmeckte nach Verzweiflung. »Welche Gottesurteile gibt es?«

»Die Kirche bringt vier Gottesurteile zur Anwendung: kaltes Wasser, heißes Wasser, heißes Eisen und geweihtes Brot. Ich kann Euch verraten, daß Bischof Aelfsige das heiße Eisen bevorzugt. Man wird Euch geweihtes Wasser zu trinken geben und Euch geweihtes Wasser auf die Hand spritzen, die für das Gottesurteil verwendet werden soll. Ihr selbst wählt die Hand. Ihr werdet ein weißglühendes Eisen aus dem Feuer nehmen und es mit drei Schritten neun Fuß weit tragen. Dann werdet Ihr es fallen lassen und zum Altar laufen, wo die Hand eingehüllt und versiegelt wird. Nach drei Tagen wird die Hülle entfernt. Wenn Eure Hand unter der Umhüllung weiß und rein ist, werdet Ihr für unschuldig erklärt. Wenn die Hand nicht rein ist, werdet Ihr exkommuniziert und dem weltlichen Gericht überantwortet.«

Rob versuchte seine Gefühle zu verbergen, war aber vollkommen sicher, daß sein Gesicht blaß geworden war.

»Wenn Euer Gewissen nicht reiner ist als das der meisten Menschen, die von Frauen geboren wurden, müßt Ihr London verlassen«, sagte Bruder Paulinus trocken.

»Warum erzählt Ihr mir das alles? Und warum bietet Ihr mir Euren Rat an?«

Sie musterten einander. Rob war sicher, daß er diesen Mann zum erstenmal in seinem Leben gesehen hatte, als er an diesem Morgen St. Paul betrat.

»Ich weiß, daß Ihr Robert Jeremy Cole seid.« »Woher wißt Ihr es?«

»Bevor ich Bruder Paulinus in der heiligen Gemeinschaft des Benedik-tus wurde, hieß ich Cole. Ich bin mit ziemlicher Sicherheit dein Bruder.«

Rob war sofort bereit, ihm zu glauben. Er war seit zweiundzwanzig Jahren bereit gewesen, es zu glauben, und Jubel stieg in ihm auf, den er aber sofort unterdrückte, weil ihn etwas zur Vorsicht mahnte. Er hatte das Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Er wollte schon aufstehen, doch der andere blieb sitzen und beobachtete ihn aufmerksam berechnend, so daß auch er wieder auf seinen Stuhl zurücksank. »Du bist älter, als der kleine Roger heute sein würde«, stellte er fest. »Samuel ist tot. Wußtest du das?« »Ja.«

»Du bist also... Jonathan oder...« »Nein, ich war William.« »William!«

Der Mönch beobachtete ihn weiter.

»Nach Pas Tod wurdest du von einem Priester namens Lovell aufgenommen.«

»Pater Ranald Lovell. Er brachte mich ins Kloster von St. Benedikt in Jarrow. Er hat nur noch vier Jahre gelebt, und dann wurde beschlossen, daß ich Laienbruder werden sollte.«

Bruder Paulinus erzählte kurz seine Geschichte. »Der Abt in Jarrow war Edmund, der der liebevolle Hüter meiner Jugend war. Er forderte mich heraus und formte mich mit dem Ergebnis, daß ich früh Novize, Mönch und Propst wurde. Ich war mehr als sein starker rechter Arm.

Er war abbas etpresbyter, widmete sich vollkommen und ununterbrochen dem Rezitieren des opus dei sowie dem Lernen, Lehren und Schreiben. Ich füngierte als der strenge Verwalter, als Edmunds Vogt. Als Propst war ich nicht beliebt.« Er lächelte säuerlich. »Als er vor zwei Jahren starb, wurde ich nicht zu seinem Nachfolger gewählt, aber der Erzbischof hatte Jarrow beobachtet und forderte mich auf, die Ordensgemeinschaft zu verlassen, die mir die Familie ersetzt hatte. Ich soll nun die Weihen erhalten und als Hilfsbischof von Worcester dienen.«

Ein merkwürdiges, liebloses Gespräch anläßlich eines solchen Wiedersehens, dachte Rob. Diese langweilige Schilderung seiner Berufslaufbahn mit dem unterschwelligen Eingeständnis von Erwartung und Ehrgeiz! »Dich erwartet große Verantwortung«, sagte er müde. Bruder Paulinus hob die Schultern. »Alles liegt bei Ihm.«

»Wenigstens muß ich jetzt nur noch elf Eideshelfer finden. Vielleicht wird der Bischof das Zeugnis meines Bruders als Ersatz für mehrere andere gelten lassen.«

Bruder Paulinus lächelte nicht. »Als ich deinen Namen in der Anklageschrift las, zog ich Erkundigungen ein. Mit etwas Aufmunterung könnte der Kaufmann Bostock interessante Einzelheiten bezeugen. Was ist, wenn man dich fragt, ob du dich als Jude ausgegeben hast, um der Kirche zum Trotz eine heidnische Akademie zu besuchen?«

Die Kellnerin der Taverne trat zu ihnen, und Rob schickte sie weg. »Dann würde ich antworten, daß Gott in Seiner Weisheit mir erlaubt hat, ein Heiler zu werden, weil Er Männer und Frauen nicht nur zum Leiden und Sterben geschaffen hat.«

»Gott besitzt eine gesalbte Armee, die auslegt, was Er mit dem Körper des Menschen und seiner Seele im Sinne hat. Weder Baderchirurgen noch von Heiden ausgebildete Ärzte sind gesalbt, und wir haben Kirchengesetze erlassen, um Frevlern wie dir Einhalt zu gebieten.« »Ihr macht es uns schwer. Zeitweise hemmt ihr den Fortschritt. Ich glaube aber nicht, Willum, daß ihr uns Einhalt gebieten könnt.« »Du wirst London verlassen.«

»Entspringt deine Besorgnis der brüderlichen Liebe oder der Angst, daß ein exkommunizierter Bruder, der als Heide hingerichtet wurde, den zukünftigen Hilfsbischof von Worcester in eine peinliche Lage bringen könnte?«

Einen endlosen Augenblick lang sprach keiner von beiden.

»Ich habe meine Geschwister mein Leben lang gesucht und immer davon geträumt, sie zu finden«, sagte Rob bitter.

»Wir sind keine Kinder mehr. Und Träume sind nicht Wirklichkeit«, stellte Bruder Paulinus fest.

Rob nickte. Er schob seinen Stuhl zurück. »Weißt du etwas von den anderen?«

»Nur von dem Mädchen.«

»Wo lebt sie?«

»Sie ist vor sechs Jahren gestorben.«

»Oh.« Rob stand schwerfällig auf. »Wo kann ich ihr Grab finden?«

»Es gibt kein Grab. Es war ein großer Brand.«

Rob nickte, dann verließ er das Wirtshaus, ohne einen Blick auf den grauen Mönch zurückzuwerfen.

Jetzt hatte er weniger Angst vor der Verhaftung als vor Mördern, die von einem mächtigen Mann gedungen würden, um jemand Lästigen aus dem Weg zu räumen. Er eilte zu Thornes Stall, bezahlte seine Rechnung und nahm sein Pferd mit. Im Haus in der Thames Street hielt er sich nur so lange auf, wie er brauchte, um die Habseligkeiten einzupacken, die ein wesentlicher Teil seines Lebens geworden waren. Er hatte genug davon, Orte in verzweifelter Eile zu verlassen und weite Strecken zu reisen, aber er hatte gelernt, schnell und umsichtig zu handeln.