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Die nächste Kapelle erreichte man erst nach einem dreistündigen Ritt, und Rob hatte daher angenommen, daß er Priestern leicht aus dem Weg gehen konnte. Doch während seines zweiten Frühjahres in Kilmarnock tauchte eines Tages ein kleiner dicker Mann auf, der müde lächelte.

»Pater Domhnall! Es ist Pater Domhnall!« rief Mary und eilte ihm entgegen.

Die Leute drängten sich um ihn und begrüßten ihn herzlich. Er widmete jedem ein wenig Zeit, stellte lächelnd eine Frage, tätschelte einen Arm, ließ ein ermutigendes Wort fallen - wie ein guter Grundherr, der zwischen seinen Bauern herumgeht, dachte Rob. Pater Domhnall trat zu ihm und musterte ihn. »Ihr seid also Mary Cullens Mann.«

»Ja.«

Rob hatte weitere Fragen erwartet, bemerkte aber, daß es die Art dieses Priesters war, aufmerksam zuzuhören und;zu warten, eine nützliche Eigenschaft, die ihn zu einem gefährlichen Gegner machen würde, falls Rob ihm das Spiel des Schahs beibrachte. »Mary und ich sind nicht kirchlich getraut. Wißt Ihr das?« »Ich hatte so etwas läuten hören.«

»Wir waren all diese Jahre wirklich verheiratet. Aber es war eine mit einem Handschlag besiegelte Ehe.«

Domhnall knurrte.

Rob erzählte dem Geistlichen ihre Geschichte. Er ließ nichts aus und verharmloste auch die Schwierigkeiten in London nicht. »Ich möchte, daß Ihr uns traut, muß Euch aber darauf aufmerksam machen, daß ich vielleicht exkommuniziert bin.«

»Mann, Mann, was haben Eure Befürchtungen mit Jesus Christus zu schaffen? Ich wurde in Prestwick geboren.

Seit meiner Priesterweihe habe ich diese Pfarrgemeinde in den Bergen nicht verlassen. Und ich werde noch immer hier Pastor sein, wenn ich sterbe.%ußer Euch habe ich in meiaem ganzen Leben niemals jemanden aus London oder aus Worcester getroffen. Ich habe nie eine Botschaft von einem Erzbischof oder von Seiner Heiligkeit erhalten, sondern nur von Jesus. Könnt Ihr wirklich glauben, daß es der Wille des Herrn ist, daß ich aus Euch vieren keine christliche Familie mache?« Rob schüttelte lächelnd den Kopf.

Die Söhne erinnerten sich ihr Leben lang an die Hochzeit ihrer Eltern und schilderten sie noch ihren eigenen Enkeln. Die Hochzeitsmesse in der Cullen-Halle war bescheiden und still. Mary trug ein Kleid aus leichtem, grauem Stoff, eine Silberbrosche und einen mit Silber besetzten Rehledergürtel. Sie war eine ruhige Braut, aber ihre Augen glänzten, als Pater Domhnall erklärte, daß sie und ihre Kinder nun für immer unter dem unverbrüchlichen Schutz der Kirche mit Robert Jeremy Cole verbunden seien.

Danach schickte Mary Einladungen an alle ihre Verwandten, damit sie ihren Ehemann kennenlernten. An dem festgesetzten Tag kamen die MacPhees von Westen durch die niedrigen Hügel, und die Tedders überquerten den großen Fluß und kamen durch die Schlucht nach Kilmarnock. Sie brachten Hochzeitsgeschenke, Obstkuchen, Wildpasteten, Fässer mit starken Getränken und die großen Fleisch-und-Hafer-Puddinge mit, die sie so liebten.

Bei der Feier wurden ein

Ochse, ein Stier, acht Schafe, ein Dutzend Lämmer sowie eine Menge Geflügel auf sich langsam drehenden Spießen über dem offenen Feuer gebraten. Harfen, Dudelsäcke, Violen und Trompeten spielten auf, und Mary stimmte ein, wenn die Frauen sangen. Den ganzen Nachmittag über lernte Rob während der sportlichen Wettkämpfe neue Cullens, Tedders und MacPhees kennen. Manche bewunderte er sofort, andere nicht. Er versuchte gar nicht erst, die Vettern genauer unter die Lupe zu nehmen; sie waren zu zahlreich. Viele Männer betranken sich, und manche versuchten, den Bräutigam zu nötigen, es ihnen gleichzutun. Aber er brachte nur Trinksprüche auf seine Braut, seine Söhne und ihren Clan aus, und die übrigen speiste er mit einem Scherzwort und einem Lächeln ab.

Der Kreis schließt sich

Wieso die Frau wieder ein neues Leben in sich trug, blieb ein ungelöstes Rätsel. Nachdem sie zwei Söhne geboren hatte und dann fünf Jahre unfruchtbar gewesen war, wurde Mary nach ihrer kirchlichen Vermählung schwanger. Sie war vorsichtig und ersuchte jetzt öfter einen der Männer, ihr bei der Arbeit zu helfen. Die beiden Söhne waren ihr stets auf den Fersen und besorgten leichte Verrichtungen. Man konnte dabei unschwer erkennen, welches Kind Schafzüchter werden würde. Mitunter schien zwar Rob James diese Arbeit zu gefallen, immer aber war Tarn darauf aus, die Lämmer zu füttern, und er bettelte bei jeder Gelegenheit, sie scheren zu dürfen. Er hatte noch eine Begabung, die man zuerst nur andeutungsweise erkennen konnte, wenn er mit einem Stock Linien in die Erde kratzte. Doch dann gab ihm sein Vater Zeichenkohle und eine Fichtenholztafel und zeigte ihm, wie man Gegenstände und Menschen abbildet. Rob mußte dem Sohn nicht sagen, daß er auch die Fehler wiedergeben müsse. An der Wand über Tams Bett hing der Teppich des Samaniden-Königs, und alle wußten, daß er ihm gehörte, daß er das Geschenk eines Freundes der Familie in Persien war. Nur einmal mußten Mary und Rob sich den Schatten der Vergangenheit stellen, die sie unterdrückt und verdrängt hatten. Als Rob zusah, wie Tarn einem herumirrenden

Mutterschaf nachlief, wußte er, daß es den Jungen bedrücken würde zu erfahren, daß er eine Reihe von orientalischen Brüdern habe, die er nie kennenlernen würde. »Wir werden es ihm niemals erzählen.« »Er ist dein Sohn«, sagte sie. Sie wandte sich um und schloß ihn in die Arme, und zwischen ihnen befand sich ihr anschwellender Bauch, in dem Jura Agnes, ihre einzige Tochter, darauf wartete, auf die Welt zu kommen.

Rob mußte die neue Sprache lernen, denn sie wurde überall um ihn gesprochen. Pater Domhnall lieh ihm eine von irischen Mönchen auf gälisch geschriebene Bibel, und wie er das Persische aus dem Koran gelernt hatte, lernte er nun Gälisch aus der Heiligen Schrift. In seinem Arbeitszimmer hängte er den »durchsichtigen Mann«

und die »schwangere Frau« auf, und er begann, seine Söhne an Hand der anatomischen Zeichnungen zu unterrichten und ihre Fragen zu beantworten. Oftmals, wenn er zu einem Kranken oder einem Tier gerufen wurde, begleiteten ihn einer oder beide. An einem solchen Tag ritt Rob James hinter seinem Vater auf AI Borak zu einem Bauernhaus, in dem es nach Ostrics sterbender Frau Ardis stank.

Der Junge sah zu, wie Rob einen Aufguß einschenkte und ihn Ardis verabreichte. Dann goß der Vater Wasser auf ein Stück Stoff und reichte es seinem Sohn. »Du kannst ihr das Gesicht waschen.« Rob James tat es vorsichtig und betupfte auch die aufgesprungenen Lippen. Als er fertig war, tastete Ardis herum und ergriff die Hände des Jungen. Rob sah, wie sich dessen freundliches Lächeln verwandelte. Er erlebte die Verwirrung der ersten Erkenntnis, die Blässe, die Verkrampfung, mit der der Junge die Hände zurückstieß. »Schon gut«, sagte er, legte den Arm um die schmalen Schultern und drückte Rob James an sich. »Es ist schon in Ordnung.« Erst sieben Jahre war sein Sohn alt, zwei Jahre jünger, als er damals gewesen war. Er stellte staunend fest, daß sich sein Leben in einem großen Kreis vollendet hatte.