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»Der Junge ist noch im Wachsen, nicht wahr? Darf ich vorschlagen, dass wir ein altes Kleidungsstück für ihn umarbeiten?« So wurde also abermals ein Kleidungsstück des Baders, diesmal aus gutem, grauem Stoff, frisch zugeschnitten und genäht. Zur allgemeinen Belustigung war der Anzug, als Rob ihn das erste Mal anzog, viel zu weit, aber an den Armen und Beinen zu kurz. Der Schneider nahm etwas von dem in der Weite übrigen Stoff, verlängerte die Hose und die Ärmel und verdeckte die Nähte mit hübschen Bändern aus blauem Stoff- Rob war beinahe den ganzen Sommer barfuß gelaufen, doch da es bald schneien würde, war er dankbar, als der Bader ihm Stiefel aus Rindsleder kaufte.

In ihnen ging er über den Marktplatz zur St.-Mark's-Kirche und betätigte den Klopfer an dem großen Holztor, das endlich von einem triefäugigen ältlichen Hilfspfarrer geöffnet wurde. »Bitte, Vater, ich suche einen Priester namens Ranald Lovell.«

Der Hilfspfarrer blinzelte. »Ich kannte einen Priester dieses Namens. Er las die Messe unter Lyfing zu der Zeit, als Lyfing Bischof von Wells war. Kommende Ostern sind es zehn Jahre, dass er gestorben ist.«

Rob schüttelte den Kopf. »Es kann nicht derselbe Priester sein. Ich habe Ranald Lovell vor wenigen Jahren mit eigenen Augen gesehen.«

»Vielleicht hieß der Mann, den ich kannte, Hugh Lovell und nicht Ranald.«

»Ranald Lovell wurde von London zu einem Pfarrer hier im Norden versetzt. Bei ihm lebt mein Bruder, William Stewart Cole, der drei Jahre jünger ist als ich.«

»Dein Bruder hat vielleicht längst schon einen anderen Namen in Christo, mein Sohn. Manchmal bringen Priester ihre Jungen in eine Abtei, damit sie Meßgehilfen werden. Du musst überall nach ihm fragen, denn die heilige Mutter Kirche ist ein großes, grenzenloses Meer, und ich bin nur ein einsamer, winziger Fisch darin.«

Der alte Priester nickte freundlich, und Rob half ihm, die Torflügel zu schließen.

Eine Decke aus Kristallen trübte die Oberfläche des kleinen Teiches hinter der Stadttaverne. Der Bader zeigte auf ein Paar Schlittschuhe, die an einem Dachsparren ihres kleinen Hauses hingen. »Schade, dass sie nicht größer sind. Sie werden dir nicht passen, denn du hast ungewöhnlich große Füße.«

Die Eisdecke wurde täglich dicker, bis es eines Morgens kräftig hallte, als der Bader zur Mitte hinging und mit den Füßen aufstampfte. Rob nahm die zu kleinen Schlittschuhe zum Teich mit und band sie sich an die Füße.

Aber ihre Kufen waren schartig und stumpf, und weil sie zudem so klein waren, kam er beim ersten Ansatz zu einem Bogen aus dem Gleichgewicht. Er fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, stürzte und glitt noch eine gute Strecke auf dem glatten Eis dahin. Jemand lachte über ihn.

Das Mädchen war vielleicht fünfzehn Jahre alt. Es lachte schallend. »Kannst du es denn besser?« fragte er hitzig und musste sich zugleich eingestehen, dass es ein hübsches Mädchen war. Es war zwar mager und hatte einen großen Kopf, aber dafür schwarzes Haar, das ihn an Editha erinnerte.

»Ich kann es gar nicht und hätte auch nie den Mut dazu.« »Die Schlittschuhe passen eher für deine Füße als für meine«, stellte er fest, band sie ab und ging zu ihr zum Ufer. »Es ist gar nicht schwer. Ich werde es dir zeigen.«

Er ließ ihre Einwände nicht gelten und band ihr die Schlittschuhe an die Füße. Da sie auf dem ungewohnt glatten Eis nicht stehen konnte, klammerte sie sich an ihn. »Hab keine Angst, ich halte dich«, beruhigte er sie. Er hielt sie fest und schob sie von hinten über das Eis, wobei er ihre warmen Hüften deutlich wahrnahm.

Jetzt lachte sie und quietschte, während er sie auf dem Teich im Kreis herumschob. Sie sagte, sie heiße Garwine Talbott und ihr Vater Aelfric Talbott besitze einen Bauernhof außerhalb der Stadt. »Und wie heißt du?«

»Rob Cole.«

Sie plauderten, und bald gefiel es ihr auf dem Eis. Ihre Augen glänzten vor Vergnügen. Ihre Oberlippe war schmal, aber ihre Unterlippe war so voll, dass sie fast geschwollen wirkte. Als sie lächelte, sah er, dass einer ihrer unteren Zähne krumm gewachsen war. »Du untersuchst also die Leute?« »Ja, natürlich.« »Auch Frauen?«

»Wir haben eine Puppe. Frauen zeigen auf die Stellen, an denen sie Schmerzen spüren.«

»Wie schade, dazu eine Puppe zu verwenden!« Er war über ihren Seitenblick verblüfft. »Ist die Puppe schön?«

»Sie heißt Thelma.«

»Thelma!« Sie lachte schallend und rau. »O weh!« sagte sie mit einem Blick zur untergehenden Sonne. »Ich muss zum Abendmelken zurück.«

Er kniete vor ihr nieder und nahm ihr die Schlittschuhe ab- »Sie gehören mir nicht. Ich habe sie im Haus gefunden«, erklärte er. »Aber du kannst sie eine Weile behalten und benützen.«

Sie schüttelte schnell den Kopf. »Wenn ich sie heimbringe, würde er mich fast umbringen, nur um herauszukriegen, was ich angestellt

habe, um sie zu bekommen.«

Er fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Um seine Verlegenheit zu überspielen, hob er drei Kiefernzapfen auf und begann, für sie zu jonglieren.

Sie klatschte lachend in die Hände, und dann sprudelte sie atemlos hervor, wie er das Gehöft ihres Vaters finden könne. Als sie ging, drehte sie sich zögernd noch einen Augenblick nach ihm um.

»Donnerstagvormittag«, schlug sie vor. »Er will keine Besucher, aber Donnerstag morgens bringt er den Käse auf den Markt.«

Er hatte von Garwine Talbott geträumt. Im Traum hatten sie auf einem Heuboden gelegen, vielleicht in der Scheune ihres Vaters. Es war jene Art von Traum, in der ihm schon mehrmals Editha erschienen war, und er bemühte sich, sein Bettzeug sauberzubekommen, ohne des Baders Aufmerksamkeit zu erregen.

Es fiel Schnee. Er schwebte wie Gänsedaunen, und der Bader band Felle vor die Fensteröffnungen. Die Luft im Haus wurde dumpf, und sogar bei Tag war es unmöglich, etwas zu sehen, außer dicht beim Feuer.

Es schneite vier Tage lang mit nur kurzen Unterbrechungen. Rob suchte eine Beschäftigung, setzte sich zum Herd und zeichnete die verschiedenen Kräuter, die sie gesammelt hatten. Er verwendete dazu Holzkohlestücke, die er aus dem Feuer holte, und Rindenplatten, die er von dem Brennholz abschälte. So skizzierte er Krausminze, schlaffe Blüten von trocknenden Blumen und die geäderten Blätter des wilden Bohnenklees. Am Nachmittag schmolz er Schnee über dem Feuer, tränkte und fütterte die Hühner und achtete sorgfältig darauf, die Tür zum Hühnerstall zu schließen, denn der Gestank wurde trotz des Ausmistens unerträglich.