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Als er wieder zu der Kellnerin zurückkam, entfernte sie sich, und er folgte ihr. »Ich bin Euer ergebener Diener«, säuselte er eifrig. »Mistress...« Er beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr. »Oh, Sir, so dürft Ihr nicht sprechen!« Sie ging weiter, und die Menge krümmte sich vor Lachen, als er ihr nachtrippelte.

Als der »Alte« wenige Minuten später mit der Kellnerin am Arm davonhinkte, johlten alle beifällig und entrichteten dann, noch immer lachend, dem Bader eilig ihre Pennies.

Bald mussten sie keine Frau mehr dafür bezahlen, mit dem »Alten« zu tändeln, denn Rob lernte schnell, Frauen in der Menge in sein Spiel zu verwickeln.

Er spürte es, wenn eine ehrbare Frau beleidigt war und man sie in Ruhe lassen musste oder wenn sich eine kühnere Frau durch ein derberes Kompliment oder ein rasches Kneifen herausgefordert fühlte. In Lichfield trug er eines Abends das Kostüm des »Alten« im Wirtshaus, und bald brüllten die Trinker und wischten sich die Tränen aus den Augen, als er in seinen Liebesabenteuern schwelgte. »Früher war ich ganz schön geil. Ich weiß noch genau, wie ich eine dralle Schönheit gebumst habe... Haare wie ein schwarzes Vlies, Titten, die man saugen mußte. Ein duftender Schamwald wie dunkle Schwanendaunen. Während hinter der Wand ihr grimmiger Vater, der halb so alt war wie ich, sanft und ahnungslos schlief.« »Und wie alt warst du damals, Alter?«

Langsam richtete er seinen gichtigen Rücken auf. »Drei Tage jünger als heute«, antwortete er mit seiner rauhen, jungen Stimme, und den ganzen Abend stritten die Dummköpfe darum, wer seine Zeche bezahlen durfte.

In dieser Nacht half zum erstenmal der Bader seinem Gehilfen zu ihrem Lager zurück, statt von ihm auf dem Weg dorthin gestützt zu werden.

Der Bader tröstete sich, indem er aß. Er briet Kapaune und Enten, stopfte sich buchstäblich mit Geflügel voll. In Worcester kam er dazu, als ein Paar Ochsen geschlachtet wurde, und er kaufte ihre Zungen.

Das war ein Genuß!

Er kochte die großen Zungen kurz, bevor er sie putzte und die Haut abzog, dann briet er sie mit Zwiebeln, wildem Knoblauch und Rüben, begoß sie mit Thymianhonig und ausgelassenem Speck, bis die Kruste süß und knusprig und das Fleisch innen so zart und weich war, dass man es kaum kauen mußte.

Rob kostete die feinen, üppigen Speisen kaum, weil er es so eilig hatte, ejne neue Schenke zu finden, in der er den alten Esel spielen konnte. Und in jedem Lokal versorgten ihn die Zecher ständig mit Getränken, per Bader wusste, dass Rob gern Ale oder dunkles Bier trank, doch jetzt bemerkte er beunruhigt, dass sein Geselle auch Met, Pigment oder ftlorat akzeptierte - was immer er bekam.

Per Bader wartete auf einen Hinweis Robs, dass das viele Trinken seinem Geldbeutel nicht bekomme. Doch ganz gleich, wie sehr Rob die Nacht zuvor auch getrunken und erbrochen hatte, er verrichtete seine Arbeit wie früher -

bis auf eines.

»Du nimmst nicht mehr ihre Hände, wenn sie hinter deinen Wandschirm kommen«, stellte der Bader fest. »Ihr ja auch nicht.« »Ich besitze die Gabe nicht.«

»Die Gabe? Ihr habt immer behauptet, dass es so etwas nicht gibt.« »Jetzt glaube ich, dass es sie doch gibt. Ich meine aber, dass sie durch Trinken vermindert wird und dass sie bei regelmäßigem Alkoholgenuß ganz verschwindet.«

»Wir haben sie uns nur eingebildet, habt Ihr doch gesagt!« »Hör gut zu! Ob nun die Gabe verschwunden ist oder nicht, du wirst die Hände jedes Patienten ergreifen, wenn er hinter deinen Wandschirm tritt, denn es gefällt ihnen offensichtlich. Hast du verstanden?« Rob nickte mürrisch.

In Great Berkhamstead gaben sie eine gut besuchte Vorstellung und verkauften eine Menge Spezificum. In dieser Nacht gingen der Bader und Rob zusammen ins Wirtshaus, um sich zu versöhnen. Anfangs ging alles gut, aber sie tranken starken Morat, der leicht nach bitteren Maulbeeren schmeckte. Der Bader sah, wie Robs Augen zu glänzen begannen, und er fragte sich, ob sein Gesicht beim Trinken ebenfalls so rot anlief. Bald war Rob so weit, dass er einen großen, stämmigen Holzfäller beschimpfte. Einen Augenblick später gerieten sie einander in die Haare. Sie waren gleich stark, und ihre Rauferei verlief erbittert wie eine Art Stumpfsinn. Vom Morat benebelt, standen sie dicht voreinander, schlugen immer wieder mit aller Kraft mit Fäusten, Knien sowie Füßen aufeinander ein, wobei die Schläge und Tritte wie Hämmer auf Eichen klangen.

Als sie schließlich erschöpft waren, konnten sie von einer kleinen Schar von Friedensstiftern getrennt werden, und der Bader führte Rob weg.

»Betrunkener Narr!« »Ihr habt es nötig«, sagte Rob.

Vor Zorn bebend, blitzte der Bader seinen Gehilfen an. »Vielleicht bin ich auch ein betrunkener Narr«, gab er zu,

»aber ich habe immer Verdruß vermieden. Ich habe niemals Gift verkauft. Ich habe nichts mit Magie zu tun, die jemanden verzaubert oder böse Geister beschwört. Ich kaufe nur große Mengen Alkohol und biete den Leuten Unterhaltung, die es mir ermöglicht, kleine Flaschen mit einem anständigen Gewinn zu verkaufen.

Voraussetzung für diesen Lebensunterhalt aber ist, dass wir keine Aufmerksamkeit erregen. Deshalb muss deine Dummheit ein Ende haben. Deine Hände dürfen sich nicht zu Fäusten ballen!«

Sie starrten einander an, aber Rob nickte.

Von diesem Tag an befolgte Rob des Baders Befehl gegen seinen Willen, während sie ihren Wagen nach Süden lenkten und mit den Zugvögeln um die Wette dem Herbst entgegenfuhren. Der Bader wählte einen Umweg um den Jahrmarkt in Salisbury, denn ihm war klar, dass dieser Ort bei Rob alte Wunden aufreißen würde. Doch Rob widerfuhr etwas ganz anderes. Als sie in Winchester statt in Salisbury Rast machten, kehrte er in der Nacht schwankend zum Lagerfeuer zurück. Sein Gesicht war grün und blau geschlagen, und es war klar, dass er wieder in eine Rauferei geraten war.

»Wir sind heute morgen, während du die Zügel gehalten hast, an einer Abtei vorbeigekommen, doch du hast nicht angehalten, um nach Vater Ranald Lovell und deinem Bruder zu fragen.« »Die Fragerei hat keinen Sinn.

Wo immer ich nach ihnen frage, kennt sie niemand.«

Rob sprach auch nicht mehr davon, dass er Anne Mary, William, Jonathan oder Roger finden wolle, den Bruder, den er zuletzt als Säugling gesehen hatte. Der Bader wusste freilich nicht, ob die Tatsache, dass Rob sich mit dem Verlust seiner Geschwister abgefunden hatte, gut war oder nicht.

Dieser Winter war der unangenehmste, den sie je in dem kleinen Haus in Exmouth verbracht hatten. Anfangs besuchten der Bader und Rob das Wirtshaus gemeinsam. Für gewöhnlich tranken sie und unterhielten sich mit den Einheimischen, dann fanden sie meist Frauen und

brachten sie nach Hause. Aber der Bader konnte es mit dem unermüdlichen Appetit des Jüngeren nicht aufnehmen, und zu seiner Überraschung wollte er es auch nicht. Nun war es der Bader, der in vielen Nächten die Schatten auf dem anderen Lager beobachtete und es nicht erwarten konnte, dass sie endlich zu einem Ende kamen, Ruhe gaben und schliefen.

Am dritten Tag der Weihnachtswoche kam Rob wütend nach Hause. »Der verdammte Wirt! Er hat mir das Wirtshaus von Exmouth verboten!«

»Sicher nicht grundlos, nehme ich an.« »Wegen Raufhändeln«, murmelte Rob verärgert. Rob verbrachte nun mehr Zeit zu Hause, war aber schlechter gelaunt denn je, und der Bader ebenfalls. Sie führten kein langes, unterhaltendes Gespräch mehr. Der Bader trank meistens, seine übliche Reaktion auf die kalte Jahreszeit.

Einmal am Tag verließ er das Bett, um eine ausgiebige Mahlzeit zu kochen. Er verwendete das fette Fleisch als Schutz gegen die Kälte und böse Ahnungen. Für gewöhnlich hatte er neben seinem Bett eine offene Flasche und einen Teller mit gebratenem, im eigenen Fett eingegossenem Lammfleisch. Rob machte weiterhin das Haus sauber, aber nur, wenn er Lust dazu hatte; im Februar stank es schon wie in einem Fuchsbau.