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Sie sehnten sich nach dem Frühling und verließen gleich im März Exmouth, um durch die Ebene von Salisbury zu fahren. Der Bader hatte vor, an der Grenze zwischen Wales und Shrewsbury entlangzufahren, dort auf den Trent zu treffen und dem Fluss nach Nordosten zu folgen. Sie machten in allen nun schon vertrauten Dörfern und kleinen Städten halt. Die Stute tänzelte keineswegs so temperamentvoll wie einst Tatus, sie war aber ein schönes Pferd, und sie flochten unzählige Bänder in ihre Mähne. Das Geschäft ging im großen und ganzen sehr gut. In Hope-under-Dinmore fanden sie einen geschickten Handwerker, der Lederwaren herstellte, und Rob erstand zwei Scheiden aus geschmeidigem Leder für die Waffen, die ihm zugesagt worden waren. Kaum waren sie in Blyth, gingen sie sofort zu der Schmiede, wo Durman Moulton sie freudig begrüßte. Der Meister ging zu einem Regal im düsteren Hintergrund seines Ladens und kam mit zwei Bündeln zurück, die in weiche Tierhäute gewickelt waren.

Rob öffnete sie gespannt und hielt den Atem an. Das breite Schwert war womöglich noch besser als dasjenige, das sie im Vorjahr so bewundert hatten. Der Dolch war ebenso schön gearbeitet. Während Rob über das Schwert jubelte, wog der Bader das Messer in der Hand und fühlte, wie ausgezeichnet ausgewogen es war. »Das ist eine saubere Arbeit«, sagte er zu Moulton, der das Lob so hinnahm, wie es gemeint war.

Rob steckte die Klingen in die neuerworbenen Scheiden an seinem Gürtel, um das ungewohnte Gewicht zu spüren. Er legte die Hände auf die Griffe, und der Bader musterte ihn kritisch. Er war eine stattliche Erscheinung. Mit achtzehn hatte er endlich seine volle Größe erreicht und überragte den Bader um eine Doppelspanne. Er hatte breite Schultern, schmale Hüften, dichtes, lockiges, braunes Haar, weit auseinanderstehende blaue Augen, deren Stimmung rascher wechselte als das Meer, ein breites Gesicht und ein kantiges Kinn, das er glattschabte. Er zog das Schwert, das ihn als Freigeborenen auswies, halb aus der Scheide und schob es wieder zurück. Während ihn der Bader betrachtete, erschauerte er vor Stolz und empfand doch eine Besorgnis, die er nicht genau ergründen konnte. Vielleicht konnte man sie als Angst bezeichnen.

Ein neuer Kontrakt

Als Rob zum erstenmal ein Wirtshaus in Waffen betrat - es war in Beverly -, merkte er sogleich den Unterschied.

Nicht, dass die Männer ihm mehr Achtung entgegengebracht hätten, aber sie verhielten sich ihm gegenüber vorsichtiger und wachsamer. Der Bader ermahnte ihn immer wieder, dass auch er vorsichtiger sein müsse, denn hitziger Zorn zähle zu den acht Kapitalverbrechen der heiligen Mutter Kirche. Rob wurde es müde zu hören, was geschehen würde, wenn die Männer des Vogtes ihn vor ein Kirchengericht schleppten, aber der Bader beschrieb wiederholt Gerichtsverhandlungen mit einem Gottesurteil, bei denen die Angeklagten ihre Unschuld beweisen mussten, indem sie heiße Steine oder weißglühendes Metall anfassen oder kochendes Wasser trinken mußten.

»Eine Verurteilung wegen Mordes bedeutet den Tod durch Hängen oder Köpfen«, sagte der Bader streng.

»Wenn jemand einen Totschlag begeht, werden Riemen unter den Sehnen an seinen Fersen durchgezogen und an die Schwänze wilder Stiere gebunden. Dann werden die Tiere von Hunden zu Tode gehetzt.«

Mein Gott, dachte Rob, der Bader ist wie eine alte Dame, die ständig in Ohnmacht fällt. Glaubt er vielleicht, ich bin darauf aus, die Bevölkerung auszurotten?

In der Stadt Fulford entdeckte er, dass er die römische Münze verloren hatte, die er bei sich getragen hatte, seit der Arbeitstrupp seines Vaters sie aus der Themse gebaggert hatte. Er trank in schwärzester Laune, bis eine Kleinigkeit genügte, um mit einem pockennarbigen Schotten in Streit zu geraten, der an seinen Ellbogen stieß.

Statt sich zu entschuldigen, murmelte der Schotte böse etwas auf Gälisch. »Sprich englisch, du verdammter Zwerg!« knurrte Rob wütend, denn der Schotte war zwar kräftig, aber um zwei Köpfe kleiner als Rob. Des Baders Warnungen hatten vielleicht doch gewirkt, denn er war so vernünftig, seine Waffen abzuschnallen. Der Schotte folgte seinem Beispiel, dann wurden sie handgemein. Doch Rob erlebte eine böse Überraschung: Der Mann ersetzte die fehlende Größe durch Geschicklichkeit. Sein erster Hieb knickte Rob eine Rippe, dann brach ihm ein steinharter Faustschlag die Nase mit einem unangenehmen Geräusch und noch unangenehmeren Schmerz.

Rob knurrte. »Schafficker!« Schmerz und Wut verliehen ihm Riesenkräfte. Er konnte sich gerade noch auf den Beinen halten, bis der Schotte so erschöpft war, dass sich beide unbesiegt voneinander lösten. Rob hinkte zum Lager zurück. Er fühlte sich, als hätte ihn eine Schar von Riesen schonungslos verprügelt, und er sah auch danach aus. Der Bader ging nicht übertrieben zart mit ihm um, als er die gebrochene Nase einrichtete und der Knorpel knirschte. Er tupfte Spezificum auf die Kratzer und Quetschungen, doch seine Worte brannten stärker als der Alkohol.

»Du stehst an einem Scheideweg«, erklärte er. »Du hast unseren Beruf erlernt. Du verfügst über einen wachen Verstand und erfolgversprechende Anlagen bis auf deine Charakterschwäche. Wenn du nämlich auf deiner derzeitigen Bahn bleibst, wirst du bald ein hoffnungsloser Trinker sein.«

»Das sagt einer, der sich selber zu Tode trinkt«, sagte Rob verächtlich und knurrte, als er seine geschwollenen, blutenden Lippen berührte. »Ich bezweifle, dass du lang genug leben wirst, um am Alkohol zu sterben«, meinte der Bader.

Obwohl Rob eifrig suchte, blieb die römische Münze verschwunden. Das einzige Erinnerungsstück, das Bindeglied zu seiner Kindheit, war nun die Pfeilspitze, die ihm sein Vater geschenkt hatte. Er ließ sie durchbohren und trug sie an einem kurzen Lederriemen um den Hals. Jetzt gingen ihm die Männer lieber aus dem Weg, denn außer seiner Größe und den fachgerecht aussehenden Waffen besaß er eine bunte Nase, die schief in seinem Gesicht stand, das sich selbst in verschiedenen Stadien der Verfärbung befand. Vielleicht hatte der Bader in seinem Zorn nicht sein Bestes getan, als er die Nase eingerichtet hatte, und sie würde nie wieder gerade sein.

Die Rippe schmerzte wochenlang bei jedem Atemzug. Robs Stimmung war gedämpft, als sie aus Northumbrien nach Westmoreland und wieder nach Northumbrien zurückzogen. Er besuchte keine Wirtshäuser oder Kneipen, in denen man leicht in Raufhändel verwik-kelt werden konnte, sondern hielt sich beim Wagen und dem abendlichen Lagerfeuer auf. Wenn sie weit von einer Stadt lagerten, probierte er das Spezificum und fand Geschmack am Metheglin. Aber eines Abends, als er kräftig von ihrem Vorrat getrunken hatte, wollte er gerade eine Flasche öffnen, deren Hals eingeritzt war. Sie gehörte also zu jener Spezialabfüllung, in die der Bader gepißt hatte und mit der er sich an jenen rächte, die sich seine Feindschaft zugezogen hatten. Rob warf die Flasche schaudernd weg. Von da an kaufte er sich alkoholische Getränke, wenn sie in einer Stadt haltmachten, und bewahrte sie sorgsam in einer Ecke des Wagens auf.

In Newcastle spielte er wieder den »Alten« und versteckte sein Gesicht hinter einem falschen Bart, der seine blauen Flecken verbarg. Sie hatten zahlreiche Zuschauer und verkauften eine Menge Spezificum. Nach der Vorstellung ging Rob hinter den Wagen, um seine Verkleidung abzulegen, seinen Wandschirm aufzustellen und mit seinen Untersuchungen zu beginnen. Der Bader war schon anwesend und verhandelte gerade mit einem hochgewachsenen, knochigen Mann. »Ich bin euch seit Durham gefolgt, wo ich euch beobachtet habe«, sagte der Mann. »Wohin ihr auch kommt, zieht ihr eine Menschenmenge an. Was ich brauche, ist eine Menschenmenge, und ich schlage vor, dass w'r zusammen reisen und alle Einnahmen teilen.« »Das kann man nicht als Einnahmen bezeichnen«, widersprach der Bader.