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Er benützte die Riemen nur, um in die Strömung zu gelangen, dann saß er sehr ruhig in der Mitte des gebrechlichen Bootes, betrachtete das braune Wasser und ließ sich von dem Fluss wie ein herabgefallenes Blatt mitnehmen. Nach einiger Zeit, als er wusste, dass er sich außer Reichweite der Abtei befand, begann er zu lachen. Er jubelte und schrie kindisches Zeug.

Er blieb den ganzen Tag auf dem Fluss, bis das Wasser, das zum Meer strömte, für seinen Geschmack zu tief und gefährlich wurde. Dann erst lenkte er das Boot ans Ufer, und nun fing eine Zeit an, in der er den Preis der Freiheit kennerlernte.

Er wanderte durch die Dörfer an der Küste, schlief irgendwo und lebte von dem, was er erbetteln oder stehlen konnte. Gar nichts zu essen zu haben war viel schlimmer, als nur wenig zu essen zu haben. Eine Bäuerin gab ihm einen Sack voll Nahrungsmittel, einen alten Kittel und eine ausgefranste Hose für die Benediktinerkutte, aus der sie Wollhemden für ihre Söhne schneidern wollte. Im Hafen Grimsby nahm ihn schließlich ein Fischer als Gehilfen auf, der ihn mehr als zwei Jahre lang für ein paar Bissen Essen und ein armseliges Obdach hart arbeiten ließ. Als der Fischer starb, verkaufte seine Frau das Boot an Leute, die keine Helfer brauchten. Henry litt einige Monate Hunger, bis er auf eine Truppe von Gauklern stieß und mit ihnen reiste: Er schleppte das Gepäck und half ihnen bei ihren Vorführungen, als Gegenleistung erhielt er ein paar Essensreste und ihren Schutz. Selbst seiner Meinung nach waren ihre Künste bescheiden, sie verstanden jedoch, die Trommel zu schlagen und Zuschauer anzulocken, und wenn eine Mütze herumgereicht wurde, warfen überraschend viele Leute aus dem Publikum eine Münze hinein. Er sah ihnen hungrig zu. Er war zu alt, um Akrobat zu werden, denn bei diesem Beruf mussten die Gelenke geschmeidig gemacht werden, solange einer noch ein Kind war. Aber die Jongleure unterrichteten ihn in ihrer Kunst. Er ahmte den Magier nach und lernte einfache Taschenspielertricks. Der Magier brachte ihm auch bei, dass er nie den Eindruck erwecken durfte, die Schwarze Kunst auszuüben, denn in ganz England hängten die Kirche und die Krone die Hexer. Er hörte dem Geschichtenerzähler aufmerksam zu, dessen junge Schwester die erste war, die ihn in ihren Körper eindringen ließ. Er fühlte sich den Gauklern verwandt, aber die Truppe löste sich nach einem Jahr in Derbyshire auf. Jeder ging seines Weges, und keiner nahm ihn mit.

Einige Wochen später wendete sich in der Stadt Matlock sein Schicksal, weil ihn ein Landbader namens James Farrow für sechs Jahre vertraglich verpflichtete. Später erfuhr er, dass keiner der ortsansässigen Jungen Farrow als Lehrling dienen wollte, weil es hieß, dass er es mit der Hexerei zu tun habe. Als Henry zum erstenmal von den Gerüchten hörte, arbeitete er bereits zwei Jahre für Farrow, und er wusste längst, dass der Mann kein Hexer war. Obwohl der Landbader ein kühler Kopf und verdammt streng war, stellte er für Henry Croft einen echten Glücksfall dar.

Die Gemeinde Matlock lag in einem ländlichen, dünn besiedelten Gebiet, es gab keine Patienten aus dem Adel oder wohlhabende Kaufleute, die einen Arzt ernährt hätten, aber auch nicht zu viele arme Leute, die einen weniger teuren Chirurgen angezogen hätten. In dem weiten Gebiet der Bauernhöfe um Matlock gab es nur den Landbader James Farrow, der nicht nur mit Klistieren purgierte, Haare schnitt und rasierte, sondern auch chirurgische Eingriffe vornahm und Heilmittel verschrieb. Henry führte über fünf Jahre lang seine Anweisungen aus. Farrow war ein strenger Dienstherr; er schlug Henry, wenn er Fehler machte, aber er lehrte ihn alles, was er wusste, und zwar peinlich genau.

Während des vierten Jahres, das Henry in Matlock zubrachte - man schrieb das Jahr 1002 —, erlaubte sich König Aethelred etwas, das weitreichende und schreckliche Folgen nach sich ziehen sollte. Angesichts seiner Schwierigkeiten erlaubte der König einigen Dänen, sich in Südengland niederzulassen, und stellte ihnen Land zur Verfügung unter der Bedingung, dass sie an seiner Seite gegen seine Feinde kämpften. Er hatte sich auf diese Weise auch der Dienste eines dänischen Adeligen namens Fällig versichert, der der Ehemann von Gunnhilda war, der Schwester des Königs Swegen von Dänemark. In diesem Jahr fielen die Wikinger in England ein und mordeten und brandschatzten wie üblich. Als sie Southampton erreichten, beschloss der König, ihnen wieder Tribut zu bezahlen, und er gab den Eindringlingen vierundzwanzigtausend Pfund, damit sie das Land verließen.

Als die Schiffe mit den Nordländern abgesegelt waren, schämte sich Aethelred und verfiel in kalte Wut. Er befahl, dass alle Dänen, die sich in England befanden, am St.-Brice-Tag, dem 13. November, erschlagen werden sollten. Der heimtückische Massenmord wurde ausgeführt, wie es der König befohlen hatte, und er entfesselte ein Übel, das im englischen Volk schon lange geschwärt hatte. Die Welt war immer brutal gewesen, aber nach der Ermordung der Dänen wurde das Leben noch grausamer. In ganz England waren Gewaltverbrechen an der Tagesordnung. Hexen wurden gejagt und gehängt oder verbrannt, und das Land taumelte im Blutrausch. Henry Crofts Lehrzeit war beinahe zu Ende, als ein älterer Mann namens Bailey Aelerton starb, während ihn Farrow behandelte. An dem Todesfall war nichts Bemerkenswertes, aber es hieß bald, dass der Mann gestorben sei, weil Farrow ihn mit Nadeln gestochen und ihn verhext habe.

Am Sonntag zuvor hatte der Priester in der kleinen Kirche in Matlock eröffnet, dass böse Geister um Mitternacht auf den Gräbern im Friedhof gezecht und fleischlich mit Satan kopuliert hätten. »Es ist ein abscheulicher Frevel an unserem Erlöser, dass die Toten durch Teufelswerk auferstehen.« Der Teufel sei in ihrer Mitte, warnte der Priester die Gemeinde, unterstützt von einer Armee von Hexern, die als menschliche Wesen verkleidet seien, Schwarze Magie trieben und insgeheim mordeten.

Er wappnete die von scheuer Furcht ergriffenen, erschrockenen Andächtigen mit einem Gegenzauber, der gegen jeden angewendet werden sollte, der der Hexerei verdächtig war: »Erzhexer, der meine Seele überfällt, dein Zauber soll gegen dich gekehrt, dein Fluch dir tausendfach zurückgegeben werden. Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit, gib mir meine Gesundheit und Kraft wieder zurück. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.« Und er erinnerte sie an das kirchliche Gebot: »Du sollst nicht zulassen, dass ein Hexer am Leben bleibt. Sie müssen ausfindig gemacht und ausgerottet werden, wenn nicht jeder von euch in den schrecklichen Flammen des Fegefeuers brennen will«, ermahnte er sie. Bailey Aelerton starb am Dienstag, sein Herz blieb stehen, während er das Feld hackte. Seine Tochter behauptete, sie hätte Nadelstiche auf seiner Haut gesehen. Außer ihr hatte sie niemand gesehen, aber Donnerstag morgens kam ein Pöbelhaufen in Farrows Scheunenhof, gerade als der Landbader sein Pferd bestiegen hatte, um Patienten zu besuchen. Er sah noch zu Henry hinunter und erteilte ihm Anweisungen für den Tag, als sie ihn aus dem Sattel rissen.

Sie wurden von Simon Beck angeführt, dessen Land an Farrows Besitz grenzte. »Zieht ihn aus!« schrie Beck.

Farrow zitterte, als sie ihm die Kleidung vom Leib rissen. »Du bist ein Esel, Beck!« schrie er. »Ein Esel!« Er sah ohne Kleider älter aus, seine runden Schultern waren schmal, die Muskeln schwach und verbraucht, die Haut auf seinem Bauch schlotterte und war faltig, der Penis über dem großen, dunkelroten Hodensack zusammengeschrumpft.

»Da ist es!« schrie Beck. »Das Satansmal!«

Auf der rechten Seite von Farrows Leiste waren deutlich zwei kleine dunkle Flecken sichtbar wie ein Schlangenbiss. Beck stach mit der Spitze seines Messers in einen. »Leberflecke!« brüllte Farrow.

Blut quoll hervor, was bei einem Hexer eigentlich nicht geschehen sollte.

»Sie sind schlau, so höllisch schlau«, rief Beck. »Sie können nach Belieben bluten.«

»Ich bin ein Bader und kein Hexer«, schleuderte ihnen Farrow verächtlich entgegen, doch als sie ihn an ein Holzkreuz fesselten und ihn zu seinem Viehteich trugen, schrie er um Gnade. Das Kreuz wurde in den seichten Teich geworfen, dass es aufklatschte, und unter Wasser gedrückt. Die Menge wurde still und betrachtete die aufsteigenden Luftblasen. Dann zogen sie Farrow heraus und gaben ihm Gelegenheit zu einem Geständnis. Er atmete noch und spie schwach Wasser aus.