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Piggott ließ den Arm der jungen Frau neben sich los. Sie war eine auffällig geschminkte Dame mit ebenmäßigen weißen Zähnen und einem aufgesetzten Lächeln. Sie bewegte sich geziert vorwärts und schaute den Inspektor herausfordernd an.

»Sind Sie die reguläre Platzanweiserin in diesem Gang, Miss –?« fragte der Inspektor munter.

»O’Connell, Madge O’Connell. Ja, die bin ich!«

Der Inspektor nahm sie freundlich beim Arm. »Ich fürchte, ich muß Sie bitten, einmal genauso tapfer zu sein, wie Sie sonst vorwitzig sein können, meine Liebe«, sagte er. »Kommen Sie für einen Moment hier herüber.« Das Gesicht des Mädchens wurde totenbleich, als sie an der Reihe LL anhielten. »Entschuldigen Sie, Doc. Dürfen wir Sie für einen Augenblick bei der Arbeit unterbrechen?«

Dr. Prouty sah mit einem zerstreuten Blick auf. »Ja, machen Sie nur, Inspektor. Ich bin fast fertig.« Er erhob sich und trat, auf seiner Zigarre herumbeißend, beiseite.

Queen beobachtete das Gesicht des Mädchens, während es sich über den Körper des toten Mannes beugte. Sie hielt den Atem an.

»Erinnern Sie sich daran, daß Sie diesen Mann heute abend zu seinem Platz geführt haben, Miss O’Connell?«

Das Mädchen zögerte. »Wahrscheinlich schon. Aber ich war sehr beschäftigt heute, wie immer, und ich müßte alles in allem zweihundert Leute eingewiesen haben. Ich könnte es daher nicht mit Bestimmtheit sagen.«

»Wissen Sie denn noch, ob diese Plätze, die jetzt leer sind«

– er zeigte auf die sieben freien Sitze – »während des gesamten ersten und zweiten Aktes unbesetzt waren?«

»Nun … ich glaube, ich erinnere mich, daß sie mir aufgefallen sind, als ich im Mittelgang auf und ab gegangen bin … Nein, Sir. Ich glaube, heute abend hat niemand auf diesen Plätzen gesessen.«

»Ging während des zweiten Aktes jemand diesen Gang hinauf oder hinunter, Miss O’Connell? Denken Sie jetzt genau nach; es ist wichtig, daß Sie wahrheitsgemäß antworten.«

Das Mädchen zögerte wiederum, während sie kühn in das unbewegliche Gesicht des Inspektors blickte. »Nein – ich habe niemanden den Gang herauf- oder hinuntergehen sehen.« Sie fügte schnell hinzu: »Ich kann nicht viel dazu sagen. Ich weiß nichts von dieser Angelegenheit. Ich muß mir mein Geld hart verdienen, und ich –«

»Ja, schon gut, meine Liebe, wir verstehen das. Nun – wo stehen Sie normalerweise, wenn Sie gerade keinen Leuten ihre Plätze anweisen?«

Das Mädchen zeigte zum Anfang des Ganges.

»Waren Sie den ganzen zweiten Akt über dort, Miss O’Connell?« fragte der Inspektor vorsichtig.

Das Mädchen befeuchtete seine Lippen, bevor es sprach. »Nun – ja, das war ich. Aber wirklich, ich habe den ganzen Abend über nichts Ungewöhnliches bemerkt.«

»Sehr gut.« Queens Stimme war sanft. »Das ist alles.« Sie machte sich mit kurzen, schnellen Schritten davon.

Hinter der Gruppe bewegte sich etwas. Queen wandte sich um und stand Dr. Prouty gegenüber, der aufgestanden war und gerade seine Tasche schloß. Er pfiff trübselig vor sich hin.

»Nun, Doc – wie ich sehe, sind Sie fertig. Wie lautet das Urteil?« fragte Queen.

»Das ist kurz und knapp, Inspektor. Der Mann starb vor ungefähr zwei Stunden. Die Todesursache hat mich eine Zeitlang verwirrt, aber jetzt bin ich mir sicher, daß es Gift war. Alle Anzeichen deuten auf eine Art Alkoholvergiftung hin – Sie haben vielleicht das fahle Blau der Haut bemerkt. Haben Sie seine Ausdünstungen gerochen? Der elendste Fusel, den ich jemals habe einatmen dürfen. Er muß stockbetrunken gewesen sein. Es kann allerdings keine normale Alkoholvergiftung gewesen sein – er wäre nicht so schnell zusammengebrochen. Das ist alles, was ich im Augenblick sagen kann.« Er machte eine Pause, um sich den Mantel zuzuknöpfen.

Queen nahm Fields taschentuchumwickelte Flasche aus seiner Tasche und übergab sie Dr. Prouty. »Das ist die Flasche des Toten, Doc. Untersuchen Sie bitte den Inhalt für mich. Lassen Sie sie aber, bevor Sie sich damit beschäftigen, von Jimmy unten im Labor auf Fingerabdrücke prüfen. Und – aber warten Sie einen Moment!« Der Inspektor schaute herum und griff nach der halbleeren Ginger-Ale-Flasche, die in einer Ecke auf dem Teppich stand. »Sie könnten mir auch dieses Ginger Ale untersuchen, Doc«, fügte er hinzu.

Nachdem der Arzt die beiden Flaschen in seiner Tasche verstaut hatte, setzte er vorsichtig den Hut auf seinem Kopf zurecht.

»Gut, ich bin dann weg, Inspektor«, sagte er gedehnt. »Ich werde einen ausführlichen Bericht für Sie anfertigen, wenn ich die Autopsie durchgeführt habe. Damit sollten Sie dann etwas anfangen können. Übrigens müßte der Leichenwagen draußen stehen – ich habe auf dem Hinweg danach telefoniert. Bis dann.« Er gähnte und schlurfte davon.

Nachdem Dr. Prouty verschwunden war, eilten zwei weißgewandete Träger herbei, die eine Bahre mit sich führten. Auf ein Zeichen von Queen hin hoben sie den schlaffen Körper hoch, legten ihn auf die Bahre, deckten ihn mit einem Tuch zu und hasteten davon. Die Detectives und Polizisten an der Tür sahen mit Erleichterung zu, wie die grausige Last davongetragen wurde – der Hauptteil der Arbeit an diesem Abend war für sie fast vorbei. Das Publikum – raschelnd, tuschelnd, herumrutschend, hustend, murmelnd – drehte sich mit wiedererwachtem Interesse herum, als die Leiche so unfeierlich weggeschafft wurde.

Queen hatte sich gerade mit einem müden Seufzer zu Ellery gewandt, als von der äußersten rechten Seite des Theaters ein unheilvoller Tumult zu hören war. Überall erhoben sich Leute von ihren Sitzen und starrten, während Polizisten um Ruhe baten. Queen sprach kurz mit einem uniformierten Polizisten neben sich. Ellery huschte mit leuchtenden Augen auf die andere Seite. Der Aufruhr kam ruckweise näher. Es tauchten zwei Polizisten auf, die eine um sich schlagende Gestalt mit sich zogen. Sie zerrten ihren Fang bis zum oberen Ende des linken Ganges und stellten ihn gewaltsam auf die Füße.

Der Mann war klein und sah aus wie eine Ratte. Er trug einen düster wirkenden Anzug von der Stange. Auf seinem Kopf saß eine schwarze Kappe, wie sie manchmal von Landpfarrern getragen wird. Sein Mund war auf eine häßliche Art und Weise verzogen; gehässige Flüche kamen daraus hervor. Als er jedoch den Blick, mit dem der Inspektor ihn fixierte, gewahr wurde, gab er augenblicklich jeden Widerstand auf.

»Wir haben diesen Mann geschnappt, als er versuchte, sich durch einen Nebeneingang auf der anderen Seite fortzuschleichen, Inspektor«, keuchte einer der Uniformierten, während er den Gefangenen unbarmherzig schüttelte.

Der Inspektor kicherte, holte seine braune Schnupftabakdose aus der Tasche, nahm seine gewöhnliche erquickende Prise und strahlte den schweigenden, zusammengeduckten Mann zwischen den beiden Polizisten an.

»Schön, schön, Pfarrer«, sagte er herzlich. »Wirklich nett von dir, zu einem so günstigen Zeitpunkt aufzutauchen!«

Viertes Kapitel

in dem viele berufen, doch nur zwei auserwählt sind

Manche Menschen können aus einer besonderen Schwäche heraus den Anblick eines winselnden Mannes nur schwer ertragen. Ellery war der einzige in der schweigsamen und bedrohlich wirkenden Runde, die um die unterwürfige Gestalt mit dem Namen ›Pfarrer‹ versammelt war, der auf das Schauspiel, das der Gefangene darbot, mit Übelkeit und Widerwillen reagierte.