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»Sicher eine ziemlich ungewohnte Situation«, murmelte Ellery. »Aber es sind schon schwierigere Dinge zu Ende gebracht worden … Heißa! Ich kann es kaum erwarten, in diesem paradiesischen Wasser baden zu gehen.«

»Und dir höchstwahrscheinlich eine Lungenentzündung zu holen«, sagte der Inspektor besorgt. »Du versprichst mir auf der Stelle, daß du da draußen keine Zurück-zur-NaturKraftakte treibst. Ich will nicht noch ein Begräbnis am Hals haben – ich …«

Ellery war auf einmal sehr schweigsam geworden. Er schaute hinüber zu seinem Vater. Der Inspektor erschien merkwürdig alt in dem flackernden Kaminfeuer. Ein Ausdruck von Schmerz ließ seine zerfurchten Gesichtszüge sehr menschlich erscheinen. Die Hand, mit der er sein dichtes graues Haar nach hinten schob, wirkte beängstigend zerbrechlich.

Ellery erhob sich, zögerte, errötete leicht und beugte sich dann sanft nach vorne und tätschelte seinem Vater die Schultern.

»Kopf hoch, Vater«, sagte er mit leiser Stimme. »Hätte ich das nicht mit Chauvin abgesprochen … Es wird sich alles aufklären – das kannst du mir glauben. Wenn ich dir auch nur in irgendeiner Weise helfen könnte, wenn ich hierbliebe … Aber da gibt es nichts. Das ist jetzt ganz alleine dein Job, Vater

– und es gibt keinen Menschen auf der Welt, der ihn besser erledigen könnte als du.« Der alte Mann sah mit einem ungewohnten Ausdruck von Zuneigung zu ihm auf. Ellery wandte sich schnell ab. »Gut«, sagte er leichthin, »ich muß jetzt packen gehen, wenn ich morgen früh um 7.45 Uhr den Zug vom Grand Central erwischen will.«

Er verschwand ins Schlafzimmer. Djuna, der im Schneidersitz in seiner Ecke gesessen hatte, stand leise auf und kam durch das Zimmer auf den Inspektor zu. Er ließ sich auf dem Boden nieder und lehnte seinen Kopf gegen die Knie des Inspektors. Die Stille wurde nur durchbrochen durch das Knistern der Holzscheite im Kamin und Ellerys gedämpfte Schritte im Nebenzimmer.

Der Inspektor war sehr müde. Sein Gesicht, erschöpft, schmal, weiß, gezeichnet, ähnelte in dem gedämpften roten Licht einer Kameenschnitzerei. Mit der Hand streichelte er über Djunas krauses Haar.

»Djuna, mein Bursche«, murmelte er, »werde bloß nicht Polizist, wenn du erwachsen bist.«

Djuna drehte den Kopf nach oben und schaute den alten Mann ernst an. »Ich möchte genau so werden wie Sie«, verkündete er.

Der alte Mann sprang auf, als das Telefon klingelte. Er schnappte sich das Gerät vom Tisch – sein Gesicht war aschfahl – und sagte mit erstickter Stimme: »Hier Queen. Nun?«

Nach einer Weile legte er den Hörer auf und schleppte sich mühsam durch den Raum zum Schlafzimmer. Er lehnte sich schwer gegen den Türrahmen. Ellery richtete sich von seinem Koffer auf – und stürzte nach vorne.

»Vater!« schrie er. »Was ist los?«

Der Inspektor versuchte ein schwaches Lächeln. »Nur ein wenig erschöpft, mein Sohn, glaube ich«, brachte er schleppend hervor. »Ich habe gerade von unserem Einbrecher gehört …«

»Und …?«

»Er hat absolut nichts gefunden.«

Ellery packte seinen Vater am Arm und führte ihn zu einem Stuhl neben dem Bett. Der alte Mann ließ sich darauf fallen; seine Augen sahen unbeschreiblich müde aus. »Ellery, mein Sohn«, sagte er, »jetzt haben wir noch nicht einmal das Fünkchen eines Beweises. Es ist zum Verrücktwerden? Nicht die Spur eines wirklich greifbaren Beweises, der den Mörder vor Gericht überführen würde. Was haben wir schon? Eine Reihe toll klingender Schlußfolgerungen – und das ist auch schon alles. Nach einer guten Verteidigung wäre das Ganze löchrig wie Schweizer Käse … Nun gut! Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen worden«, fügte er auf einmal grimmig hinzu, als er sich von dem Stuhl erhob. Mit wiederkehrender Energie klopfte er seinem Sohn kraftvoll auf die breiten Schultern.

»Geh zu Bett, Sohn«, sagte er. »Du mußt morgen früh aufstehen. Ich werde noch etwas aufbleiben und nachdenken.«

Zwischenspiel

in welchem der geneigte Leser höflichst um Aufmerksamkeit gebeten wird

Im Genre des Kriminalromans ist es gegenwärtig zur Mode geworden, den Leser alles aus der Perspektive des Helden erleben zu lassen. Ich habe Mr. Ellery Queen dazu bewegen können, an diesem Punkt von ›Der mysteriöse Zylinder‹ einen Einschub zu erlauben, um den Leser auf die Probe zu stellen … »Wer ermordete Monte Field? Wie wurde der Mord ausgeführt?« … Mr. Queen stimmt mit mir darin überein, daß der wachsame Leser von Kriminalromanen, der nun Kenntnis von allen sachdienlichen Fakten hat, zu diesem Zeitpunkt des Geschehens bereits zu eindeutigen Schlußfolgerungen bezüglich der oben aufgeworfenen Fragen gekommen sein sollte. Zur Auflösung – oder zumindest soweit, unfehlbar den Schuldigen zu benennen – kann man über eine Reihe logischer Schlüsse und psychologischer Beobachtungen gelangen … Und indem ich zum letzten Mal in dieser Geschichte in Erscheinung trete, möchte ich dem Leser in Abwandlung des Spruches »Caveat Emptor« die dringende Ermahnung mit auf den Weg geben: »Möge sich der Leser in acht nehmen!«

J.J. McC

Vierter Teil

»Der perfekte Verbrecher ist ein Übermensch. Bei der Ausführung muß er übertrieben genau sein. Unbemerkt, fast unsichtbar, ein Einzelgänger. Er darf weder Freunde noch Angehörige besitzen. Er muß sich vor Fehlern in acht nehmen, blitzschnell denken und handeln können … Aber das ist noch nicht alles. Solche Männer gab es bereits … Außerdem muß er ein vom Schicksal Begünstigter sein – denn Umstände, über die er nicht die entfernteste Kontrolle hat, dürfen nie zu seinem Untergang führen. Dies ist meiner Ansicht nach schon sehr schwierig zu erlangen … Doch das letzte ist am allerschwierigsten. Er darf niemals sein Verbrechen wiederholen, noch die gleiche Waffe benutzen oder dasselbe Motiv haben … In all den vierzig Jahren meiner Dienstzeit bin ich nicht einmal auf den perfekten Verbrecher gestoßen oder habe in einem perfekten Verbrechen ermittelt.«

Aus Das amerikanische Verbrechertum und Methoden zu seiner Aufdeckung von Richard Queen

Neunzehntes Kapitel

in welchem Inspektor Queen weitere ernste Unterredungen führt

Vor allem Staatsanwalt Sampson fiel es auf, daß Inspektor Richard Queen an diesem Samstag abend nicht ganz er selbst zu sein schien. Der alte Mann war nervös, bissig und äußerst unangenehm im Umgang. Er schritt mürrisch über den Teppich im Büro des Managers Louis Panzer, biß sich auf die Lippen und brummte vor sich hin. Er schien die Anwesenheit von Panzer, Sampson und einer dritten Person, die noch nie im Allerheiligsten des Theaters gewesen war und die – mit Augen so groß wie Untertassen – zusammengehockt in einem von Panzers großen Stühlen saß, völlig vergessen zu haben. Diese dritte Person war Djuna, der Junge mit den leuchtenden Augen, dem das einmalige Privileg zukam, seinen grauhaarigen Herrn bei dessen letztem Ausflug ins Römische Theater zu begleiten.

In der Tat war Queen ausgesprochen deprimiert. Er war schon viele Male zuvor in seinem Beruf mit anscheinend unlösbaren Problemen konfrontiert gewesen; ebenso viele Male hatte er anscheinende Fehlschläge zu einem triumphalen Abschluß geführt. Sampson, der den alten Mann viele Jahre kannte und ihn noch nie so völlig aus der Fassung erlebt hatte, konnte sich daher das merkwürdige Verhalten des Inspektors kaum erklären.