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Michaels’ Fall ist hochinteressant. Daß die Anklage gegen ihn damals nur auf Diebstahl lautete, verdankte er ausschließlich Fields cleveren Schachzügen vor Gericht. Aber Field besaß Material über Michaels, und er bewahrte die schriftlichen Beweise seiner wirklichen Schuld in seinem Lieblingsversteck auf – für den Fall, daß er sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal benutzen wollte. Eine wirklich sehr vorausschauende Natur, dieser Field … Als Michaels aus dem Gefängnis entlassen wurde, setzte Field ihn ohne Skrupel für seine schmutzigen Geschäfte ein, indem er ihn ständig mit diesen Beweisen seiner Schuld unter Druck setzte.

Michaels hatte nun schon seit langem danach Ausschau gehalten. Wie ihr euch vorstellen könnt, wollte er die Papiere unbedingt haben. Bei jeder Gelegenheit durchsuchte er die Wohnung danach. Und als das jedesmal wieder erfolglos blieb, wurde er immer verzweifelter. Ohne Zweifel hat sich Field in seiner teuflisch zynischen Art köstlich darüber amüsiert, daß Michaels Tag für Tag die Zimmer durchwühlte … Am Montag abend machte Michaels das, was er uns auch gesagt hatte – er ging nach Hause und legte sich schlafen. Aber als er Dienstag früh aus der Zeitung erfuhr, daß Field ermordet worden war, begriff er, daß das Spiel nun aus war. Er mußte noch ein letztes Mal nach den Papieren suchen; fand er sie nicht, so würde die Polizei es vielleicht tun, und er wäre in ziemlichen Schwierigkeiten. Deshalb ging er also das Risiko ein, der Polizei in die Arme zu laufen, als er am Dienstag morgen noch einmal in Fields Wohnung zurückkehrte. Die Geschichte mit dem Scheck war natürlich Unsinn.

Aber ich will jetzt auf Barry zu sprechen kommen. Die Originaldokumente, die wir in dem Hut mit der Aufschrift ›Diverses‹ gefunden haben, erzählen eine schmutzige Geschichte. Um es kurz zu machen: Stephen Barry hat einen Schuß schwarzes Blut in seinen Adern. Er kam aus einer armen Familie im Süden, und es gab einwandfreies Beweismaterial – Briefe, Geburtsregister und so etwas –, daß seine Abstammung einen schwarzen Schönheitsfleck besaß. Wie ihr wißt, war es Fields Geschäft, solche Dinge aufzustöbern. Irgendwie kam er an die Dokumente heran; wie lange das schon her ist, wissen wir nicht, sicherlich aber schon vor einiger Zeit. Als er sich Barrys Vermögenslage zu diesem Zeitpunkt anschaute, sah er, daß er nur ein Schauspieler war, der sich mühsam nach oben kämpfte, öfters abgebrannt als bei Kasse. Er beschloß, den Burschen zunächst einmal in Ruhe zu lassen. Wenn Barry irgendwann einmal zu Geld oder Ruhm kommen sollte, wäre immer noch Zeit genug, ihn zu erpressen … Aber selbst in seinen kühnsten Träumen konnte Field nicht Barrys Verlobung mit Frances Ives-Pope, der Tochter eines Multimillionärs, einer blaublütigen Dame der feinen Gesellschaft, vorausgesehen haben. Ich brauche wohl nicht zu erklären, was es für Barry bedeutet hätte, wenn die Ives-Popes von seiner Abstammung erfahren hätten. Außerdem – und das ist auch nicht ohne Bedeutung – litt Barry wegen seiner Spielleidenschaft an permanentem Geldmangel. Alles, was er verdiente, landete in den Taschen der Buchmacher auf der Rennbahn; außerdem hatte er Riesenschulden gemacht, die er niemals hätte begleichen können, wenn die Heirat mit Frances nicht zustande gekommen wäre. Tatsächlich brauchte er so dringend Geld, daß er selbst es war, der unterschwellig auf eine schnelle Heirat drängte. Ich habe mich gefragt, welche Gefühle er wohl Frances entgegenbrachte, um fair zu sein – ich glaube nicht, daß er sie nur wegen des Geldes heiraten wollte. Wahrscheinlich liebt er sie wirklich; aber wer würde das nicht?«

Der alte Mann lächelte, in Gedanken verloren, und fuhr dann fort. »Field machte sich vor einiger Zeit mit den Dokumenten an Barry heran. Barry zahlte, soviel er konnte, aber das war jämmerlich wenig und stellte natürlich diesen unersättlichen Erpresser nicht zufrieden. Verzweifelt hielt er sich Field mit Vertröstungen vom Leib. Aber Field war selbst in Schwierigkeiten geraten und trieb nun nach und nach seine ›Außenstände‹ ein. Barry, der mit dem Rücken zur Wand stand, wurde klar, daß alles verloren war, wenn Field nicht zum Schweigen gebracht wurde. So plante er den Mord. Denn soviel war ihm klar: Selbst wenn es ihm gelingen sollte, die 50.000 Dollar, die Field verlangte, aufzutreiben – eine schiere Unmöglichkeit – und selbst wenn er in den Besitz der Originaldokumente gelangen sollte, so konnte Field immer noch alle seine Hoffnungen zunichte machen, indem er einfach die Geschichte in Umlauf brachte. Es blieb ihm nichts anderes mehr übrig – er mußte Field umbringen. Und das tat er auch.«

»Schwarzes Blut, ja?« murmelte Cronin. »Armer Teufel.«

»Seiner Erscheinung merkt man das ja wohl kaum an«, bemerkte Sampson. »Er sieht nicht weniger weiß aus als wir.«

»Barry ist weit davon entfernt, ein Vollblutneger zu sein«, wandte der Inspektor ein. »Er hat nur ein Tröpfchen davon in seinen Adern, aber das wäre schon mehr als genug für die IvesPopes gewesen … Nun aber weiter. Als wir die Dokumente entdeckt und gelesen hatten, wußten wir alles. Von wem, wie und warum das Verbrechen begangen wurde. So wandten wir uns unserem Beweismaterial zu, um ihn überführen zu können. Man kann niemanden unter Mordanklage vor Gericht bringen, ohne Beweise zu haben … Nun, was glaubt ihr wohl, was wir da hatten? Nichts!

Laßt mich kurz auf die Anhaltspunkte eingehen, die vielleicht als Beweis hätten von Nutzen sein können. Die Abendtasche der jungen Dame etwa – sie gab nichts her; wertlos, wie ihr wißt … Die Herkunft des Gifts – ein völliger Fehlschlag. Zufällig verschaffte Barry es sich genau so, wie Dr. Jones – Jones, der Toxikologe – es angedeutet hatte. Barry kaufte sich ganz gewöhnliches Benzin und gewann daraus das Tetrableiäthyl. Er hinterließ keine Spuren … Ein anderer möglicher Anhaltspunkt, Monte Fields Zylinder, war verschwunden … Die zusätzlichen Eintrittskarten für die sechs leeren Plätze – wir hatten sie nie zu sehen bekommen, und es schien auch kaum eine Chance zu bestehen, daß wir sie jemals sehen würden … Das einzige weitere konkrete Beweismaterial

– die Dokumente – wies auf ein Motiv hin, bewies aber gar nichts. Ebensogut hätte dann auch Morgan das Verbrechen begehen können oder irgendein Mitglied aus Fields verbrecherischer Organisation.

Unsere einzige Hoffnung, Barry zu überführen, beruhte auf unserem Vorhaben, in seine Wohnung einbrechen zu lassen; wir hofften, daß sich dort entweder der Hut, die Eintrittskarten oder ein anderer Fingerzeig wie etwa das Gift oder der Apparat zu seiner Herstellung finden lassen würden. Velie besorgte mir einen professionellen Einbrecher, und in Barrys Wohnung wurde Freitag abend, während er auf der Bühne stand, eingebrochen. Nicht die Spur eines Beweises kam ans Tageslicht. Der Hut, die Eintrittskarten, das Gift – alles war vernichtet worden. Es war zu erwarten, daß Barry das getan haben würde; wir konnten uns nur noch dessen versichern.

Voller Verzweifelung ließ ich noch einmal mehrere der Theaterbesucher von Montag abend zusammenkommen, in der Hoffnung, daß ich auf jemanden stoßen würde, der sich daran erinnerte, Field an jenem Abend gesehen zu haben. Wir ihr sicher wißt, ist es manchmal so, daß Leute sich erst später wieder an etwas erinnern, was sie wegen der Aufregung bei einer früheren Befragung völlig vergessen hatten. Aber wie es nun einmal so kommt, war auch das ein Fehlschlag. Das einzige von Wert, was dabei herauskam, war die Aussage des Jungen vom Getränkestand, daß er gesehen hatte, wie Field eine Abendtasche im Seitengang aufhob. Was Barry anbelangt, so brachte es uns aber nirgendwo hin. Und ihr wißt ja noch, daß sich aus der Befragung des Theaterensembles am Donnerstag abend auch kein konkreter Anhaltspunkt ergeben hatte.