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»Was ist mit dem anonymen Brief, den Morgan erhielt? War das ein Täuschungsmanöver oder was?« fragte Sampson.

»Das war wirklich eine nette kleine Intrige«, antwortete Queen grimmig. »Barry hat mir das gestern abend erklärt. Er hatte von Morgans Morddrohung gegen Field gehört. Er wußte selbstverständlich nicht, daß Field auch Morgan erpreßte. Aber er dachte sich, daß es vielleicht eine ausgezeichnete falsche Fährte sein würde, wenn er Morgan am Montag abend ins Theater kriegen könnte – und dann noch unter solch fragwürdigen Umständen. Kam Morgan nicht, so würde das keinen Schaden anrichten. Kam er aber … Er ging folgendermaßen vor. Er besorgte sich gewöhnliches Briefpapier, ging zu einem dieser Schreibmaschinenläden und tippte – dabei trug er Handschuhe – den Brief, unterschrieb ihn mit diesen einfach dahingekritzelten Initialen und warf ihn am Hauptpostamt ein. Er war sehr sorgfältig, was Fingerabdrücke anbelangt; das Schreiben ließ sich auf keinen Fall auf ihn zurückführen. Wie es das Glück nun einmal so will – Morgan schluckte den Köder und kam. Seine wirklich lächerliche Geschichte und die offensichtliche Unechtheit des Schreibens ließen Morgan, so wie Barry es auch beabsichtigt hatte, in einen starken Verdacht geraten. Die göttliche Vorsehung scheint aber andererseits für den Ausgleich gesorgt zu haben. Denn die Informationen, die wir von Morgan über Fields Tätigkeit als Erpresser erhielten, haben Barry doch ziemlich zum Nachteil gereicht. Aber das konnte er nicht vorhersehen.«

Sampson nickte. »Im Moment fällt mir nur noch eine weitere Sache ein. Wie hat Barry den Kauf der Eintrittskarten bewerkstelligt? Oder ging das gar nicht von ihm aus?«

»Doch, sicher. Barry konnte Field davon überzeugen, daß es aus Gründen der Fairneß ihm gegenüber wohl angebracht wäre, daß ihr Treffen und die geschäftliche Transaktion im Theater mit der größtmöglichen Heimlichkeit abgewickelt werden. Field war einverstanden und auch leicht zu überreden, die acht Eintrittskarten an der Theaterkasse zu kaufen. Ihm war ja selbst klar, daß sie die sechs zusätzlichen Karten benötigten, um eine ungestörte Abwicklung des Geschäfts zu gewährleisten. Sieben der Karten schickte er Barry; Barry vernichtete sie natürlich alle sofort außer LL30 Links.«

Müde lächelnd erhob sich der Inspektor. »Djuna!« sagte er leise. »Noch etwas Kaffee.«

Mit einer Handbewegung hielt Sampson ihn auf. »Danke, Q, aber ich muß jetzt gehen. Cronin und ich haben noch einen Haufen Arbeit vor uns mit dieser Verbrecherorganisation. Ich hätte aber keine Ruhe gehabt, bevor ich nicht von dir selbst die ganze Geschichte gehört hätte … Q, altes Haus«, fügte er noch etwas unbeholfen hinzu, »ganz offen möchte ich dir sagen, daß du meiner Meinung nach Außerordentliches geleistet hast.«

»Eine solche Geschichte habe ich noch nie gehört«, bemerkte Cronin ganz ehrlich. »Was für ein rätselhafter Fall, und was für eine glasklare Beweisführung vom Anfang bis zum Ende!«

»Meinen Sie wirklich?« fragte der Inspektor ruhig. »Das freut mich sehr. Aber die Ehre gebührt vor allem Ellery. Ich bin ganz schön stolz auf meinen Jungen …«

1 Inspektor Queens Feststellung hier entspricht nicht ganz der Wahrheit. Benjamin Morgan war weit davon entfernt, völlig ›unschuldig‹ zu sein. Aber der Gerechtigkeitssinn des Inspektors zwang ihn dazu, den Anwalt in Schutz zu nehmen und bezüglich seines Stillschweigens Wort zu halten. – E. Q.

Nachdem Sampson und Cronin gegangen waren und Djuna sich in die winzige Küche zurückgezogen hatte, um das Frühstücksgeschirr abzuwaschen, setzte sich der Inspektor wieder an den Schreibtisch und nahm den Füllfederhalter in die Hand. Rasch überlas er noch einmal das, was er seinem Sohn geschrieben hatte. Mit einem Seufzer setzte er dann wieder zu schreiben an.

Wir wollen vergessen, was ich gerade geschrieben habe. Mehr als eine Stunde ist seitdem vergangen. Sampson und Tim Cronin waren hier, und ich mußte ihnen unsere Arbeit an diesem Fall ausführlich schildern. So ein Gespann hab’ ich noch nie vor mir sitzen gesehen. Beide wie die Kinder. Haben die Geschichte verschlungen, als wäre das Ganze ein Märchen … Während ich erzählte, wurde mir mit Schrecken klar, wie wenig ich eigentlich zur Lösung des Falls beigetragen habe und wie groß Dein Anteil daran war. Ich sehne mich jetzt schon nach dem Tag, an dem Du Dir ein nettes Mädchen angeln und Dich verheiraten wirst und sich die ganze Queen-Sippe dann nach Italien davonmachen kann, um sich dort zu einem Leben voller Ruhe niederzulassen … Nun, El, ich muß mich jetzt ankleiden und rüber ins Präsidium gehen. Eine Menge Routinearbeit hat sich seit letztem Montag angesammelt, und es ist mehr als genug zu tun …

Wann kommst Du zurück? Glaube bitte nicht, daß ich Dich drängen möchte, aber es ist so schrecklich einsam hier, mein Sohn. Ich … Nein, ich glaube, ich bin zu egoistisch und zu müde. Ein seniler, komischer Kauz, der verhätschelt werden will. Aber Du kommst doch bald nach Hause, nicht wahr? Djuna läßt Dir Grüße bestellen. Der Halunke macht mich noch wahnsinnig mit dem Radau, den er in der Küche veranstaltet.

Dein Dich liebender Vater

Nachwort

1929 müssen sich die glücksverheißenden Konjunktionen am literarischen Himmel gehäuft haben, erblickten doch in diesem Jahr gleich drei Detektive das Licht der Bücherwelt, denen auf unterschiedlichste Weise legendärer Erfolg beschieden war: Kommissar Maigret, Privatdetektiv Sam Spade und Ellery Queen.

Ein äußerer Anstoß führte 1928 zur Zeugung des für einige Jahrzehnte erfolgreichsten Detektivs der USA: Die Vettern Jahrzehnte erfolgreichsten Detektivs der USA: Die Vettern 1971), die in ihrer Jugend ihre Namen zu Frederic Dannay und Manfred B. Lee amerikanisiert hatten, beteiligten sich am Kriminalroman-Wettbewerb eines Magazins. Gemäß den Bedingungen mußten alle Manuskripte unter Pseudonym eingereicht werden. So kam es zum vornehm klingenden Namen »Ellery Queen« für die gemeinsame Firma; und mit dem Sinn für den Wert eines Markenzeichens, den beide in ihren Berufen in der Werbebranche entwickelt hatten, nannten sie auch ihren Detektiv so. Beides vereinigte sich zu einer der glücklichsten Fiktionen in der Geschichte des Detektivromans, die nur noch von der um den göttlichen Holmes und seinem Propheten Watson übertroffen wird: Der Detektiv selbst ist von Beruf Schriftsteller und verarbeitet seine eigenen Erfahrungen im nachhinein zu Romanen, wobei er die in den realen Fällen auftauchenden Namen und Umstände durch Pseudonyme und leichte Veränderungen unkenntlich macht.

Bevor das tatsächlich für den Preis von 7.500 Dollar auserwählte Werk gekrönt und in Fortsetzungen veröffentlicht werden konnte, machte der Verlag Bankrott, und der neue Inhaber verlieh den Preis einem Roman, der für die in Mehrheit weibliche Leserschaft seiner Zeitschrift geeigneter schien. »Der mysteriöse Zylinder« (»The Roman Hat Mystery«) erschien statt dessen 1929 als Buch, und sein Held und ›Autor‹ Ellery Queen trat seinen Siegeszug an.

Im Unterschied zu seinem ruppigen Kollegen Sam Spade von der Westküste ist der New Yorker Ellery Queen eindeutig nach Europa hin orientiert; nicht nur seine Tweedanzüge bezieht er aus der Bond Street. Während Dashiell Hammett, aus der Tradition der populären ›Pulp Magazines‹ kommend, die typisch amerikanische Sonderentwicklung des Kriminalromans begründet, ist Ellery Queen unverkennbar beste britische Schule. Sein Landsmann S. S. van Dine ist ihm darin vorangegangen, und sein Landsmann John Dickson Carr wird ihm darin folgen; tatsächlich sind es drei Amerikaner, die zusammen mit den beiden britischen Damen Agatha Christie und Dorothy L. Sayers die populärsten Autoren der sogenannten englischen Schule sind und Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre das ›Golden Age‹ des klassischen Detektivromans begründeten, dessen die Liebhaber der Gattung mit immerwährender Nostalgie gedenken.