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Außer dem Zeichnungsunterrichte setzte ich mit der Schwester auch die Übungen in der spanischen Sprache und im Zitherspiele fort. Sie war ohnehin von Kindheit an geneigt gewesen, alles, was ich tat, ein wenig nachzuahmen, und ich hatte immer die Lust gehabt, ihr Führer zu werden. Dies blieb jetzt zum Teile auch so fort.

Der Unterricht, welchen mir mein Freund, der Sohn des Juwelenhändlers, in der Edelsteinkunde gegeben hatte, wurde wieder aufgenommen und fortgesetzt. Da wir auch außerdem in manchen Stunden einen freundlichen Umgang mit einander pflegten, so nahm ich mir eines Tages, obwohl es mir stets schwer wird, jemandem über seinen ihm eigentümlichen Beruf etwas zu sagen, doch den Mut, ihn meine Gedanken über die Fassung der Edelsteine wissen zu lassen, wie ich nehmlich glaube, daß es nicht richtig sei, wenn die Edelsteine von der Fassung erdrückt würden; daß ich es aber auch für nicht richtig halte, wenn sie keine andere Fassung hätten, als die sie brauchten, um an dem Kleidungsstücke mit dem Halt, den sie benötigen, befestigt worden zu können; und daß daher der Mittelweg sich darbiete, daß die Schönheit des Steines durch die Schönheit der Gestaltgebung vergrößert werde, wodurch es sich möglich mache, daß der an sich so kostbare Stoff das Kostbarste würde, nehmlich ein Kunstwerk. Ich wies hiebei auf die Gestaltungen hin, welche die Kunst des Mittelalters hege und aus denen geschöpft und weiter fortgeschritten werden könne.

»Du hast im Grunde vollkommen Recht«, erwiderte mein Freund, »wir fühlen das alle mehr oder minder klar, außer denen, welchen alles gleichgültig und unwesentlich ist, was nicht unmittelbar zum Erwerbe führt; darum sind auch allerlei Versuche gemacht worden und werden noch gemacht, die Fassung zu vergeistigen. Sie gelingen insoferne mehr oder weniger, je nachdem es größere oder kleinere Künstler sind, welche die Entwürfe machen. Hierin liegt aber eine mehrfache Schwierigkeit. Zuerst sind die, welche in Juwelen und Perlen arbeiten, sehr selten Künstler, sie können es nicht leicht werden, weil die Vorbereitung dazu zu viel Zeit und Kräfte in Anspruch nehmen würde; werden sie es aber, so bleiben sie gleich Künstler, verfertigen Kunstwerke und arbeiten nicht in Edelsteinen, was ihrem Geiste und ihrem Einkommen abträglich wäre. Müssen nun Künstler um Entwürfe angegangen werden, so bietet sich zweitens der Übelstand, daß der Künstler die Juwelen zu wenig kennt und die Fassung daher zu wenig auf ihre Natur berechnen kann, wozu sich noch gesellt, daß die großen Künstler schwer zugänglich sind, Entwürfe für Edelsteinfassungen auszuarbeiten, es müßte denn dies eine besondere Liebhaberei sein; und wenn sie es tun, so kömmt die Fassung sehr teuer. Deshalb muß man zu geringeren Künstlern seine Zuflucht nehmen, welche dann auch wieder geringere Entwürfe liefern. Wir haben die Sache in unserer Handelsstube ganz im Klaren. Wir versuchen auch von Zeit zu Zeit ein wirkliches Kunstwerk in Perlen und edlen Steinen darzustellen und warten, ob ein Kenner komme und es übernehme; denn der Leute, welche Edelsteine brauchen, sind viel mehr als welche Kunstdinge suchen. Solche Werke in großer Zahl ausführen zu lassen, hindert uns der Mangel an zahlreichen trefflichen Entwürfen und der Mangel an Käufern, da der Juwelenverkauf doch endlich unser Erwerb ist. Da unsere gewöhnlichen Kunden aber doch so viel Geschmack haben, daß sie eine unedle Fassung beleidigen würde, so wählen wir den natürlichsten Weg, die Fassung im Stoffe edel und in der Gestalt auf das Einfachste zu machen, so daß die Schönheit der Steine oder der Perlen allein es ist, was herrscht, und der Anker, an dem es haftet, sich verbirgt. Was deinen Gedanken von mittelalterlichen Gestaltungen anbelangt, so ist er nicht neu; man hat schon solche versucht, und der Freiherr von Risach hat bei uns nach beigebrachten Zeichnungen Dinge ähnlicher Art verfertigen lassen.«

Mir leuchtete die Sache sehr ein, und ich konnte sie nicht weiter bereden. Ich betrachtete von nun an mit noch größerer Sorgfalt und Genauigkeit die Arbeiten, welche mein Freund in den verschiedenen Werkstätten der Stadt machen ließ. Sie waren meistens sehr schön, ja ich glaube, schöner, als man sie irgendwo zu sehen gewohnt ist. Desungeachtet mußte ich behaupten, daß wenn nur überhaupt ein edlerer und höherer Sinn für Kunst vorhanden wäre, diejenigen Leute, welche große Summen für Schmuck ausgeben, dieselben Summen oder vielleicht noch größere dahin verwenden würden, daß sie gleich wirkliche Kunstwerke in Juwelen bestellten. Dagegen erwiderte mein Freund, daß, wie hoch der Kunstsinn auch stehe und wie weit er sich verbreite, doch die Zahl derer immer größer bleiben würde, welche bloß Schmuck als Schmucksachen kaufe, als derer, welche Kunstwerke in Kleinodien entwerfen und ausführen lassen, was er allerdings als die höchste Spitze seines Berufes ansehen würde. Dazu komme noch, daß mancher, der Kunstsinn habe, von der Schönheit der Steine sich gefangen nehmen lasse und zuletzt nichts begehre als diese einzige Schönheit. In dem letzten Grunde hatte mein Freund ganz besonders Recht; denn je mehr ich selber die Steine betrachtete, je mehr ich mit ihnen umging, eine desto größere Macht übten sie auf mich, daß ich begriff, daß es Menschen gibt, welche bloß eine Edelsteinsammlung ohne Fassung anlegen und sich daran ergötzen. Es liegt etwas Zauberhaftes in dem feinen sammtartigen Glanze der Farbe der Edelsteine. Ich zog die farbigen vor, und so sehr die Diamanten funkelten, so ergriff mich doch mehr das einfache, reiche, tiefe Glühen der farbigen.

Meinen Beruf, den ich im Sommer bei Seite gesetzt hatte, nahm ich wieder auf. Ich machte mir gleichsam Vorwürfe, daß ich ihn so verlassen und mich einem planlosen Leben hatte hingeben können. Ich tat das, wozu der Winter gewöhnlich ausersehen war, und setzte die Arbeiten der vorigen Zeiten fort. Das Regelmäßige der Beschäftigung übte bald seine sanfte Wirkung auf mich; denn was ich trotz der freudigen Stimmung, in welcher ich aus meinen Erringungen in der Kunst und in der Wissenschaft war, doch Schmerzliches in mir hatte, das wich zurück und mußte erblassen vor der festen, ernsten, strengen Beschäftigung, die der Tag forderte und die ihn in seine Zeiten zerlegte.

Ich besuchte auch, wie im vergangenen Winter, meine Kreise, dann Musik- und Kunstanstalten.