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Die Beschäftigungen im Kreise unserer Familie bestanden jetzt in sehr häufigen Gesprächen zwischen dem Vater und mir über die Kunst und über Bücher. Er erzählte mir, wie er dazu gekommen wäre, Bilder lieb zu gewinnen und sich Bilder zu sammeln. Er kam hiebei auf seine Jugend, und da er in einer freudigeren und erregteren Stimmung war, als sonst, so erzählte er mir ausführlich, wie er dieselbe verlebt habe. Er stellte mir dar, wie er sich die Mittel, um etwas lernen zu können, selber habe verschaffen müssen, und wie ihm sein älterer Bruder, der ein sehr begabter Mensch gewesen wäre, hierin zwar ein wenig, aber in der Tat sehr wenig habe beistehen können, weil er sich selbst alles habe herbei schaffen müssen und nur um wenige Jahre älter gewesen sei. Nach Anweisung vernünftiger Menschen habe er zu lesen begonnen, und manchen freien Tag in seiner Lehrzeit habe er in seiner Kammer bei den Büchern zugebracht. Er habe, da er frei wurde und teils in unserer Stadt, teils in den ersten Handelsplätzen Europas Dienste tat, die Bekanntschaft von Künstlern gemacht, habe sie in ihren Arbeitsstuben besucht, habe über die Art zu malen sich Kenntnisse gesammelt und sei mit diesen Kenntnissen in die berühmtesten Bildersammlungen der größten Städte gegangen. Hiebei sei es ihm widerfahren, daß er zweimal im Lernen habe von vorne anfangen müssen. So sei es ihm in Rom, wohin er sich von Triest aus begeben hatte, um dort ein halbes Jahr für sich selber zu leben, klar geworden, daß er gar nichts wisse. Er habe wieder unverdrossen angefangen, und von Rom schreibe sich seine Liebe für alte Bilder her. Sein Bruder habe den Weg durch die Staatsschulen gemacht, und da er ihn sehr liebte, habe er von ihm auch die Liebe zu den alten Sprachen angenommen. In seinen Diensten habe er mehr freie Zeit gehabt als da er noch lernte, und diese Zeit habe er zu seinen Lieblingsneigungen angewendet. Mit einem alten Abte, der die Verwaltung seines Klosters abgegeben hatte und seine würdevolle Muße, wie er sich ausdrückte, im Winter in unserer Stadt genoß, habe er alte Dichter und Geschichtschreiber gelesen. Der Abt sei ein großer Freund der alten Schriften gewesen, habe bei ihm Neigung zu diesen Dingen entdeckt und sei ihm mit seinen Kenntnissen beigestanden. Er habe sehr oft im Zimmer des Abtes laut aus den sogenannten Classikern lesen müssen. Die Bekanntschaft desselben habe er bei seinem Dienstherrn in unserer Stadt gemacht, in dessen Hause dem Abte, der einst Lehrer dieses Dienstherrn gewesen sei, jährlich ein oder zwei Male ein Fest gegeben wurde. Der Dienstherr, der letzte, bei dem sich mein Vater befunden, sei ein Ehrenmann gewesen, der seinen Leuten nicht nur Gelegenheit verschafft habe, etwas lernen zu können, indem er sie zu den vorkommenden Reisen benützte, auf denen sie Geschäftsfreunde, Handelsverbindungen, Verkehrswege und dergleichen kennen lernten, sondern der ihnen auch Zeit gönnte, selber, wenn sie nicht die Mittel zu großen Geschäftsanlagen besaßen, mit kleinen Anfängen zu größeren Unternehmungen und zu endlicher Selbstständigkeit schreiten zu können. So habe auch der Vater mit kleinen Ersparnissen begonnen, habe sich ausgedehnt und sei endlich, da die Anfänge unter den Flügeln seines Herrn geschehen seien, mit dessen Unterstützung ein selbstständiger Kaufmann geworden. Was er zu Vergnügungen hätte verwenden können, habe er bei Seite gelegt und habe sich entweder ein Buch oder ein Kunstwerk gekauft oder habe eine Reise zu seiner Belehrung gemacht. Da sich seine Verbindungen mehrten und stets ergiebiger zu werden versprachen, habe er meine Mutter kennen gelernt und ihre Hand gewonnen. Sie habe eine nicht unbeträchtliche Mitgift in das Haus gebracht, und so sei gemeinschaftlich der Grund gelegt worden, daß wir Kinder nun nicht nur frei und unabhängig bei unsern Eltern in ihrem eigenen Hause leben können, sondern auch für die Zukunft einen Notpfennig zu erwarten hätten, und daß er selber sich mit Manchem habe umringen können, was ihm die sanfte Neigung seines Herzens geboten habe und was ihm als Erheiterung und nach der Liebe seiner Gattin und der Wohlgeratenheit seiner Kinder auch als Lohn seines Alters dienen werde. Der betagte Abt habe ihn als seinen letzten Schüler noch getraut und sei bald darauf gestorben. Mit der jungen Frau habe er dreimal seine alten Eltern, welche ferne in einem waldigen Lande von einer wenig ergiebigen Feldwirtschaft lebten, besucht, sie seien dann kurz darauf eins nach dem andern gestorben. Sein Dienstherr habe uns noch aus der Taufe gehoben, sei dann von den Geschäften zurück getreten, habe bei seinem einzigen Kinde, einer Tochter, die an einen angesehenen Güterbesitzer verheiratet war, gelebt und sei bei ihr auch endlich gestorben. So haben sich alle Verhältnisse geändert. Das heimatliche Waldhaus mit der geringen Feldwirtschaft haben er und sein Bruder einer Schwester geschenkt, diese sei ohne Kinder gestorben, und da weder er noch der Bruder das Haus bewirtschaften konnten, so haben sie eingewilligt, daß es an einen entfernten Verwandten falle. Der Bruder sei während unserer Unmündigkeit gestorben, eben so die Großeltern von mütterlicher Seite und endlich ein Großoheim von eben dieser Seite, der uns Kinder zu Erben eingesetzt, und da die Mutter keine Geschwister gehabt habe, so seien wir nun allein und so sei keine Verwandtschaft weder von väterlicher noch von mütterlicher Seite übrig. Er habe die Liebe, welche ihm durch den Tod seiner Angehörigen, denen er, besonders dem Bruder, eine treue Erinnerung weihe, anheimgefallen sei, an die Mutter und uns übertragen, sein Haus sei nun sein Alles, und wir zwei, die Schwester und ich, sollten verbunden bleiben und sollten in Neigung nicht von einander lassen, besonders wenn auch wir allein sein und er und die Mutter im Kirchhofe schlummern würden.

Diese Ermahnung zur Liebe war nicht nötig; denn daß wir, die Schwester und ich, uns mehr lieben könnten, als wir taten, schien uns nicht möglich, nur die Eltern liebten wir beide noch mehr, und wenn eine Anspielung darauf gemacht wurde, daß sie uns einst verlassen sollten, so betrübte uns das außerordentlich, und wohin wir die Liebe, die uns dann zurückfallen sollte, wenden würden, wußten wir sehr wohl, wir würden sie an gar nichts wenden, sie würde von selber über die Grabhügel hinaus gegen die verstorbenen Eltern bis an unser Lebensende fortdauern.

Die andern Vorkommnisse, die zwar auch in unserer Familie, aber nicht in ihr allein, sondern zugleich in Gesellschaft von geladenen Menschen vorfielen, waren mir nicht so angenehm als in früheren Zeiten, ja sie waren mir eher widerwärtig und dünkten mir Zeitverlust. Sie bestanden beinahe gleichmäßig wie in früheren Jahren aus abendlichen Kreisen, in denen gesprochen wurde, oder aus Gesellschaften, in denen etwas Musik oder gar Tanz vorkam. An dem letzteren nahm ich gar keinen Teil, und die Schwester, welche, wie ich schon seit länger wahrnahm, schier alle meine Neigungen teilte, tat es sehr wenig und flüchtete an solchen Abenden sehr gerne zu mir. Ich hatte die Leute, darunter aber vorzüglich die jungen, welche bei solchen Gelegenheiten zu uns kamen, schon genau kennen gelernt, und wenn ich in früherer Zeit eine Scheu, ja sogar eine gewisse Gattung von Ehrfurcht vor ihnen gehabt hatte, so war dies jetzt nicht mehr der Fall; ich hatte durch Nachdenken und durch Erfahrungen im Umgange mit andern Menschen einsehen gelernt, daß das, wovor ich besonders eine Scheu hatte, nehmlich ihre Sicherheit und Vornehmheit, nur ein Ding ist welches man lernt, wenn man sehr viel in solchen Gesellschaften ist, wie sie bei uns waren, und wenn man in diesen Gesellschaften viel spricht und in den Vordergrund tritt. Und daß dieses Ding nicht schwer zu erlernen ist, sah ich daraus, daß es solche inne hatten, deren Geisteskräfte hoch zu achten ich nicht veranlaßt war. Meine Erfahrungen an Menschen hatte ich aber nicht bloß in hohen Ständen gemacht, sondern auch in niedern, und in diesen zwar nicht in der Stadt, sondern bei Gebirgsbewohnern und Landbebauern. In hohen Ständen sah ich junge Leute, namentlich bei der Fürstin war das der Fall, welche jenes Benehmen, das mir sonst so hoch über mir schien, nicht hatten, sondern sich einfach und wenig vortretend gaben, höflich und nicht linkisch waren, und an das Wort, das ich öfter in meiner Jugend gehört, aber falsch verstanden hatte, »ein junger Mann von guter Erziehung« erinnerten. In den untern Ständen habe ich manchen Mann kennen gelernt, der, wenn er vor solchen stand, die er für höher erachtete als sich selbst, nicht die Mühe übernahm, auch höher in seinem Benehmen sein zu wollen, sondern der ruhig so sprach, wie er die Sache verstand, und ruhig die Rede anhörte, die ihm ein Anderer erwiderte. Dieser Mann schien mir auch von höherer Erziehung als die, welche viele Arten des Benehmens wissen und ersichtlich machen. Ein gültiges Beispiel gab mein Gastfreund, der noch einfacher war als jene Männer, von denen ich sagte, daß ich sie bei der Fürstin gesehen habe, und dessen Rede und Tun so klare Achtung erzeugten. Selbst sein Anzug, der Anfangs auffiel, stimmte zu Allem. Auch Eustach, Gustav aber ganz gewiß, standen im entschiedenen Vorzuge vor meinen Gesellschaftsleuten. Weil ich nun diese Menschen sehr gut kannte und weil sie mir keine hohe Rücksichtnahme mehr einflößten, war es mir unersprießlich, mit ihnen zu sein, und es erschien mir, daß ich die Zeit besser würde benützen können. Aber auch die Erfahrungen in dieser Hinsicht mochte mein Vater für nützlich gehalten haben. Ich machte sie nur an jungen Männern. Über Mädchen konnte ich ein Urteil gar nicht sagen, weil ich sehr wenig mit ihnen sprach und weil mich natürlich keine in meiner Zurückgezogenheit aufsuchen konnte. Wie älteren Leuten, Männern wie Frauen, kam mir oft jemand entgegen, dem ich Achtung zollen mußte; aber auch zu alten Leuten wie zu Mädchen konnte ich mich nicht drängen. Unter denen, welchen ich mehr zugetan war, stand der Sohn des Juwelenhändlers oben an, ich war ihm wirklich in der eigentlichen Bedeutung ein Freund. Wir brachten außer unseren Kleinodienlehrstunden manche Zeit mit einander zu, wir besprachen verschiedene Dinge und lasen auch mitunter kleine Abschnitte von Schriften mit einander, die wir gemeinschaftlich achteten. Seine Eltern waren sehr liebenswürdig und fein. Der junge Preborn war mir auch nicht unangenehm. Er sprach noch öfter von der schönen Tarona und bedauerte sehr, daß sie auf weite Reisen gegangen und daher gar nicht in die Stadt gekommen sei, weswegen er mir sie nie habe zeigen können. An den eigentlichen Vergnügungen, die junge Männer unter sich anstellten, nahm ich nur ungemein selten Teil. Daß ich aber auch überhaupt viel weniger mit Männern meines Alters umging und nicht, wie es bei vielen jungen Leuten in unserer Stadt der Gebrauch ist, Tage mit ihnen zubrachte und dies öfter wiederholte, rührte daher, daß ich viele Beschäftigungen hatte und daß mir daher zu wenig Zeit übrig blieb, sie auf Anderes zu verwenden. Am liebsten war es mir, wenn ich mit meinen Angehörigen allein war.