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Da ich die Einrichtung des Gittertores kannte, drückte ich an der Vorrichtung, der Flügel öffnete sich und ich trat in den Garten.

Mein Gastfreund war bei den Bienen. Ich erfuhr das von dem Gärtner, welcher der erste war, den ich zu sehen bekam. Er ordnete etwas an einem Geranienbeete in der Nähe des Einganges. Ich schlug den Weg zu den Bienen ein. Mein Gastfreund stand vor der Hütte und erwartete das Erscheinen einer jungen Familie, die schwärmen wollte. Er sagte mir dieses, als ich hinzutrat, ihn zu begrüßen. Der Empfang war beinahe bewegt, wie zwischen einem Vater und einem Sohne, so sehr war meine Liebe zu ihm schon gewachsen, und eben so mochte auch er schon eine Zuneigung zu mir gewonnen haben.

Da er doch wohl von seinem Vorhaben nicht weggehen konnte, sagte ich, ich wolle die andern auch begrüßen, und er billigte es. Er hatte mir erzählt, daß Mathilde und Natalie in dem Asperhofe seien.

Ich ging gegen das Haus. Gustav hatte es schon erfahren, daß ich da sei, er flog die Treppe herunter und auf mich zu. Gruß, Gegengruß, Fragen, Antworten, Vorwürfe, daß ich so spät gekommen sei und daß ich in dem Frühlinge doch nicht einige Tage benützt habe, um in den Asperhof zu gehen. Er sagte, daß er mir sehr viel zu erzählen habe, daß er mir alles erzählen wolle und daß ich recht lange, lange da bleiben müsse.

Er führte mich nun zu seiner Mutter. Diese saß an einem Tische im Gebüsche und las. Sie stand auf, da sie mich nahen sah, und ging mir entgegen. Sie reichte mir die Hand, die ich, wie es in unserer Stadt Sitte war, küssen wollte. Sie ließ es nicht zu. Ich hatte wohl schon früher bemerkt, daß sie nicht zugab, daß ihr die Hand geküßt werde; aber ich hatte in dem Augenblicke nicht daran gedacht. Sie sagte, daß ich ihr sehr willkommen sei, daß sie mich schon früher erwartet habe und daß ich nun eine nicht zu kurze Zeit meinen hiesigen Freunden schenken müsse. Wir gingen unter diesen Worten wieder zu dem Tische zurück, auf den sie ihr Buch gelegt hatte, und sie hieß mich an ihm Platz nehmen. Ich setzte mich auf einen der dastehenden Stühle. Gustav blieb neben uns stehen. Ihr Angesicht war so heiter und freundlich, daß ich meinte, es nie so gesehen zu haben. Oder es war wohl immer so, nur in meiner Erinnerung war es ein wenig zurück getreten. Wirklich, so oft ich Mathilden nach längerer Trennung sah, erschien sie mir, obwohl sie eine alternde Frau war, immer lieblicher und immer anmutiger. Zwischen den Fältchen des Alters und auf den Zügen, welche auf eine Reihe von Jahren wiesen, wohnte eine Schönheit, welche rührte und Zutrauen erweckte. Und mehr als diese Schönheit war es, wie ich wohl jetzt erkannte, da ich so viele Angesichter so genau betrachtet hatte, um sie nachzubilden, die Seele, welche gütig und abgeschlossen sich darstellte und auf die Menschen, die ihr naheten, wirkte. Um die reine Stirne zog sich das Weiß der Haubenkrause, und ähnliche weiße Streifen waren um die feinen Hände. Auf dem Tische stand ein Blumentopf mit einer dunkeln, fast veilchenblauen Rose. Sie lehnte sich in dem Rohrstuhle, auf dem sie saß, zurück, faltete die Hände auf ihrem Schooße und sagte: »Wir werden in dem Sternenhofe ein kleines Fest feiern. Ihr wißt, daß wir begonnen haben, die Tünche, womit die großen Steinflächen, die die Mauern unsers Hauses bekleiden, in früheren Jahren überstrichen worden sind, wegzunehmen, weil unser Freund meinte, daß dieselbe das Haus entstelle und daß es sich weit schöner zeigen würde, wenn sie weggenommen und der bloße Stein sichtbar wäre. Heuer ist nun die ganze vordere Fläche des Hauses fertig geworden, die Gerüste werden eben abgebrochen, und da werden, wenn die Spuren auch auf dem Boden vor dem Hause vertilgt sind, wenn der Sand geebnet ist, wenn der Rasen gereinigt und gewaschen ist, daß er keine Kalkflecke, sondern das reine Grün zeigt, wir alle hinausfahren, um die Sache zu betrachten und ein Urteil abzugeben, ob das Haus den Gewinn gemacht habe, der sich uns versprochen hat. Es werden auch andere Menschen kommen, es werden wahrscheinlich sich einige Nachbarn einfinden, und da ihr zu unsern Freunden aus dem Asperhofe gehört, und da wir alle euer Urteil in Anschlag bringen möchten, so seid ihr gebeten, auch dabei zu sein und die Gesellschaft zu vermehren.«

»Mein Urteil ist wohl sehr geringe«, antwortete ich, »und wenn es nicht ganz verwerflich ist, und wenn ich mir einige Kenntnisse und eine bestimmte Empfindung des Schönen erworben habe, so danke ich Alles dem Besitzer dieses Hauses, der mich so gütig aufgenommen und Manches in mir hervor gezogen hat, das wohl sonst nie zu irgend einer Bedeutung gekommen wäre. Ich werde also kaum zur Feststellung der Sache auf dem Sternenhofe etwas beitragen können, und meine Ansicht wird gewiß die meines Gastfreundes und Eustachs sein; aber da ihr mich so freundlich einladet und da es mir eine Freude macht, in eurem Hause sein zu können, so nehme ich die Einladung gerne an, vorausgesetzt, daß die Zeit nicht zu spät bestimmt ist, da ich doch wohl noch in diesem Sommer in den Ort meiner jetzigen Tätigkeit zurückkehren und Einiges vor mich bringen möchte.«

»Die Zeit ist sehr nahe«, erwiderte sie, »es ist ohnehin schon seit länger her gebräuchlich, daß nach der Rosenblüte, zu welcher ich immer in diesem Hause eingeladen bin, unsere hiesigen Freunde auf eine Weile in den Sternenhof hinüber fahren. Das wird auch heuer so sein. Während hier die feinen Blätter dieser Blumen sich vollkommen entwickeln und endlich welken und abfallen, wird unser Hausverwalter in dem Sternenhofe Alles in Ordnung bringen, daß keine Verwirrung mehr zu sehr sichtbar ist, er wird uns hierüber einen Brief schreiben und wir werden den Tag der Zusammenkunft bestimmen. Von dem Urteile, wenn irgend eines mit einem überwiegenden Gewichte zu Stande kömmt, wird es abhängen, ob auch die Kosten zu der Reinigung der andern Teile des Hauses verwendet werden oder ob der jetzige Zustand, daß eine Seite von der Tünche befreit ist, die übrigen aber damit behaftet sind, der gewiß weniger schön ist, als wenn Alles übertüncht geblieben wäre, fortbestehen oder ob gar das Befreite wieder übertüncht werden solle. Daß ihr übrigens eure Ansichten geringe achtet, daran tut ihr Unrecht. Wenn in der Nähe unsers Freundes Einiges an euch früher zur Blüte kam, so ist dies wohl sehr natürlich; es ist ja Alles an uns Menschen so, daß es wieder von andern Menschen groß gezogen wird, und es ist das glückliche Vorrecht bedeutender Menschen, daß sie in andern auch das Bedeutende, das wohl sonst später zum Vorscheine gekommen wäre, früher entwickeln. Wie sicher in euch die Anlage zu dem Höheren und Größeren vorhanden war, zeigt schon die Wahl, mit der ihr aus eigenem Antriebe auf eine wissenschaftliche Beschäftigung gekommen seid, die sonst unsere jungen Leute in den Jahren, in denen ihr euch entschieden habt, nicht zu ergreifen pflegen, und daß euer Herz dem Schönen zugewendet war, geht daraus hervor, daß ihr schon bald begannet, die Gegenstände eurer Wissenschaft abzubilden, worauf der, dem der bildende Sinn mangelt, nicht so leicht verfällt, er macht sich eher schriftliche Verzeichnisse, und endlich habt ihr ja in Kurzem die Abbildung anderer Dinge, menschlicher Köpfe, Landschaften, versucht und habt euch auf die Dichter gewendet. Daß es aber auch nicht ein unglücklicher Tag war, an welchem ihr über diesen Hügel herauf ginget, zeigt sich in einer Tatsache: ihr liebt den Besitzer dieses Hauses, und einen Menschen lieben können ist für den, der das Gefühl hat, ein großer Gewinn.«

Gustav hatte während dieser Rede die Mutter stets freundlich angesehen.