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Nachdem man den Nachmittagstee, bei dem man eigentlich versammelt war, verzehrt und sich schon zum größten Teile erhoben hatte und in Gruppen zusammen getreten war, wurde der Vorschlag gemacht, sich in den Garten zu begeben und dort einen Spaziergang zu machen. Der Vorschlag fand Beifall. Mathilde erhob sich und mit ihr die älteren Frauen. Die jüngeren waren ohnehin schon gestanden. Ein schöner alter Herr, wahrscheinlich der Gatte der ältlichen Frau, welche neben Mathilden gesessen war, bot der Hausfrau den Arm, um sie über die Treppe hinab zu geleiten, dasselbe tat mein Gastfreund mit der ältlichen Frau. Einige Paare entstanden noch auf diese Weise, das Andere ging gemischt. Ich blieb stehen und ließ die Leute an mir vorüber gehen, um mich nicht vorzudrängen. Natalie ging mit einem schönen Mädchen an mir vorüber und sprach mit demselben, als sie an mir vorbei ging. Ich war, mit Roland und Gustav, der letzte, welcher über die Treppe hinab ging. Im Garten war es so, wie es bei einer größeren Anzahl von Gästen in ähnlichen Fällen immer zu sein pflegt. Man bewegte sich langsam vorwärts, man blieb bald hier, bald da stehen, betrachtete dieses oder jenes, besprach sich, ging wieder weiter, löste sich in Teile und vereinigte sich wieder. Ich achtete auf alles, was gesprochen wurde, gar nicht. Natalie sah ich mit demselben Mädchen gehen, mit dem sie an mir in dem Gesellschaftszimmer vorüber gegangen war, dann gesellten sich noch ein paar hinzu. Ich sah sie mit ihrem lichtbraunen Seidenkleide zwischen andere hervorschimmern, dann sah ich sie wieder nicht, dann sah ich sie abermals wieder. Gebüsche deckten sie dann ganz. Die jungen Männer, welche ich in der Gesellschaft getroffen hatte, gingen bald mit dem älteren Teile, bald mit dem jüngeren. Roland und Gustav gesellten sich zu mir, und wenn Gustav fragte, wie es dort aussehe, wo ich jetzt gearbeitet habe, ob hohe Berge sind, weite Täler, und ob es so freundlich ist wie am Lautersee, und ob ich noch weiter vordringen wolle, und in welche Berge ich dann komme: so sprach Roland wieder von den Anwesenden und nannte mir manchen und erzählte mir von ihren Verhältnissen. Durch seine Reisen in dem Lande, durch seinen Aufenthalt in Kirchen, Kapellen, verfallenen Schlössern und allen bedeutenderen Orten erfuhr er mehr, als irgend ein Anderer erfahren konnte, und durch sein lebhaftes Wesen und sein gutes Gedächtnis wurde er zur Erforschung angeleitet und war im Stande, das Erforschte zu bewahren. Die ältliche Frau, welche wir bei unserem Eintritte in das Gesellschaftszimmer neben Mathilden sitzen gesehen hatten, war die Besitzerin einem großen Anwesens, etwa eine halbe Tagereise von dem Sternenhofe entfernt. Ihr Name war Tillburg, wie auch ihr Schloß hieß. Sie hatte sich mit allen Annehmlichkeiten und mit allem, was prächtig war, umringt. Ihre Gewächshäuser waren die schönsten im Lande, ihr Garten enthielt alles, was in der Zeit als vorzüglich auftauchte und wurde von zwei Gärtnern und einem Obergärtner nebst vielen Gehilfen besorgt, ihre Zimmer wiesen Geräte und Stoffe von allen Hauptstädten der Welt auf, und ihre Wägen waren das Bequemste und Zierlichste, was man in dieser Art hatte. Gemälde, Bücher, Zeitschriften, kleine Spielereien waren in ihren Wohnzimmern zerstreut. Sie machte Besuche in der Umgegend und empfing auch solche gerne. Im Winter ist sie selten in ihrem Schlosse und immer nur auf kurze Zeit, sie macht gerne Reisen und hält sich besonders oft in südlichen Gegenden auf, von denen sie Merkwürdigkeiten zurückbringt. Sie war die einzige Tochter und Erbin ihrer Eltern, ein Bruder, den sie hatte, war in der zartesten Jugend gestorben. Der Mann mit dem freundlichen Angesichte, welcher Mathilden aus dem Saale geführt hatte, war ihr Gatte. Er war ebenfalls das einzige Kind reicher Eltern, die Verbindung hatte sich ergeben, und so waren zwei große Vermögen in eins zusammen gekommen. Er teilte nicht gerade die Liebhabereien seiner Gattin, war ihnen aber auch nicht entgegen. Er hatte keine Leidenschaften, war einfach, machte seiner Gattin, die er sehr liebte, gerne eine Freude und fand in den Reisen derselben, auf denen er sie begleitete, halb sein eigenes Vergnügen, halb eines, weil er das ihrige teilte. Er verwaltete aber von jeher die Besitzungen sehr einsichtig. Die Tillburg stammt von ihm. Einer von den jungen Männern, die im Gesellschaftszimmer waren, der schlanke Mann mit den lebhaften dunkeln Augen ist der Sohn, und zwar das einzige Kind dieser Eheleute, er ist gut erzogen worden, und man kann nicht wissen, ob von Tillburg her nicht zartere Beziehungen zu dem Sternenhofe gewünscht werden.

Gustav machte bei diesen Worten eine leichte Seitenbewegung gegen Roland, sah ihn an, sagte aber nichts.

Ich erinnerte mich der Tillburg, die ich sehr gut kannte, aber nie betreten hatte. Ich war öfter in ihrer Nähe vorüber gekommen und hatte die vier runden Türme an ihren vier Ecken, denen man in der neueren Zeit eine lichte Farbe gegeben hatte, eine Tünche, wie man sie gerade jetzt von dem Sternenhofe wieder weg haben will, nicht angenehm empfunden, wie sie sich so scharf von dem Grün der nahen Bäume und dem Blau der fernen Berge und des Himmels abhoben, welchen letzteren sie beinahe finster machten.

»Der kleinere Mann mit den weißen Haaren, der in der Nähe des mittleren Fensters gesessen und öfter aufgestanden war«, fuhr Roland fort, »ist der Besitzer von Haßberg. Sein Vater hatte die Besitzung erst gekauft und sie ursprünglich für einen jüngeren Sohn bestimmt, da der ältere das Stammgut Weißbach erben sollte; allein der jüngere Sohn und der Vater starben, und so hatte der ältere Weißbach und Haßberg. Er übergab nach einiger Zeit seinem Sohne das Stammgut und zog sich nach Haßberg zurück. Er ist einer jener Männer, die immer erfinden und bauen müssen. In Weißbach hat er schon mehrere Bauten aufgeführt. In Haßberg richtete er eine Musterwirtschaft ein, er verbesserte die Felder und Wiesen und friedigte sie mit schönen Hecken ein, er errichtete einen auserlesenen Viehstand und führte in geschützten Lagen den Hopfenbau ein, der sich unter seine Nachbarn verbreitete und eine Quelle des Wohlstandes eröffnete. Er dämmte dem Ritflusse Wiesen ab, er mauerte die Ufer des Mühlbaches heraus, er baute eine Flachsröstanstalt, baute neue Ställe, Scheuern. Trockenhäuser, Brücken, Stege, Gartenhäuser, und ändert im Innern des Schlosses beständig um. Er ist im Laufe des ganzen Tages mit Nachschauen und Anordnen beschäftigt, zeichnet und entwirft in der Nacht, und wenn irgendwo im Lande über Führung einer Straße oder Anlegung eines Bewirtschaftungsplanes oder Errichtung eines Gebäudes Rat gepflogen wird, so wird er gerufen, und er macht bereitwillig die Reisen auf seine eigenen Kosten. Selbst bei der Regierung des Landes ist sein Wort nicht ohne Bedeutung. Die Frau mit dem aschgrauen Kleide ist seine Gattin, und die zwei Mädchen, welche vor Kurzem mit Natalie gegen die Eichen zugingen, sind seine Töchter. Frau und Töchter reden ihm zu, er solle sich mehr Ruhe gönnen, da er schon alt wird, er sagt immer: ›Das ist das Letzte, was ich baue‹; allein ich glaube, den letzten Plan zu einem Baue wird er auf seinem Totenbette machen. Unser Freund hält in diesen Dingen große Stücke auf ihn.«