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Da wir um die Ecke eines Gebüsches bogen und gegen die Eichen, welche an der Eppichwand stehen, zugingen, sahen wir wieder eine Menschengruppe vor uns. Roland, der einmal im Zuge war, sagte: »Der Mann in dem feinen schwarzen Anzuge, vor dem seine Gattin in dem nelkenbraunen Seidenkleide geht, ist der Freiherr von Wachten, dessen Sohn hier ebenfalls zugegen ist, ein Mann von mittelgroßer Gestalt, der im Gesellschaftszimmer so lange am Eckfenster gestanden war, ein junger Mann von vielen angenehmen Eigenschaften, der aber zu oft in den Sternenhof kömmt, als daß es sich durch bloßen Zufall erklären ließe. Der Freiherr verwaltet seine Besitzungen gut, er hat keine besondere Vorliebe, hält alles und jedes in der ihm zugehörigen Ordnung und wird immer reicher. Da er nur den einzigen Sohn und keine Tochter hat, so wird die künftige Gattin seines Sohnes eine sehr ansehnliche und sehr reiche Frau. Die Familie lebt im Winter häufig in der Stadt. Die Güter liegen etwas zerstreut. Thondorf mit den schönen Wiesen und dem großen Waldgarten müßt ihr ja kennen.«

»Ich kenne es«, antwortete ich.

»Auf dem Randek hat er ein zerfallendes Schloß«, fuhr Roland fort, »in welchem wunderschöne Türen sind, die aus dem sechzehnten Jahrhunderte stammen dürften. Der Verwalter rät ihm, die Türen nicht herzugeben, und so zerfallen sie nach und nach. Sie sind in unsern Zeichnungsbüchern enthalten und würden Gemächer, im Stile jener Zeit gebaut und eingerichtet, sehr zieren. Sogar zu Tischen oder anderen Dingen, falls man sie als Türen nicht verwenden könnte, würden sie sehr brauchbar sein. Ich habe auch in der sehr zerfallenen Kapelle von Randek außerordentlich schöne Tragsteine gezeichnet. Meistens wohnt der Freiherr im Sommer in Wahlstein, schon ziemlich tief in den Bergen, wo die Elm hervorströmt.«

»Ich kenne den Sitz«, antwortete ich, »und kenne auch die Familie im Allgemeinen.«

»Der Mann mit den schneeweißen Haaren«, sprach Roland weiter, »heißt Sandung, er veredelt die Schafzucht, und der eine von den zwei neben ihm gehenden Männern ist der Besitzer des sogenannten Berghofes, ein allgemein geachteter Mann, und der andere ist der Oberamtmann von Landegg. Es fehlen noch die vom Inghof, dann sind mehrere Vertreter der hier herum wohnenden Leute vorhanden. Ich teile sie, wenn ich in meiner Liebhaberei im Lande herum reise, nach ihren Liebhabereien in Gruppen ein, und man könnte eine Landmappe so nach diesen Liebhabereien mit Farben zeichnen, wie ihr die Gebirge mit Farben zeichnet, um das Vorkommen der verschiedenen Gesteine anzuzeigen.«

Da wir wieder eine Wendung machten, ganz nahe an der rechten Seite der Eppichwand, ging Mathilde mit der Frau von Tillburg auf einem Nebenwege gegen uns hervor. Sie blieb vor uns stehen und sagte zu mir: »Ihr habt meiner Brunnennymphe nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt als ihr solltet; ihr zieht die Gestalt auf der Treppe unsers Freundes zu sehr vor. Sie verdient es wohl; allein ihr müßt doch die hiesige auch ein wenig genauer ansehen und sie mir ein wenig schön heißen.«

»Ich habe sie schön geheißen«, erwiderte ich, »und wenn meine ganz unbedeutende Meinung etwas gilt, so soll ihr die Anerkennung gewiß nicht entgehen.«

»Wir besuchen nun ohnehin alle die Grotte«, entgegnete sie.

Nach diesen Worten ging sie mit ihrer Begleiterin auf dem Hauptwege gegen die Eppichwand vor, wir folgten. Die Anderen kamen in verschiedenen Richtungen herzu, und man ging zu der Marmorgestalt in der Brunnenhalle.

Einige gingen hinein, Andere blieben mehr am Eingange stehen, und man redete über die Gestalt. Diese ruhte indessen in ihrer Lage, und die Quelle rann sanft und stetig fort. Es waren nur allgemeine Dinge, welche über das Bildwerk gesprochen wurden. Mir kam es fremd vor, die geputzten Menschen in den verschiedenfarbigen Kleidern vor dem reinen, weißen, weichen Marmor stehen zu sehen. Roland und ich sprachen nichts.

Man entfernte sich wieder von dem Marmor, ging langsam an der Eppichwand hin und stieg die Stufen zu der Aussicht empor. Auf dieser verteilte man eine Zeit und ging dann gegen die Linden zurück. Nach Betrachtung der Linden und des schönen Platzes unter ihnen begab sich der Zug wieder auf den Rückweg in das Schloß. Eustach hatte ich beinahe die ganze Zeit nicht gesehen.

Zugleich mit uns kamen im Schlosse Wägen an, in denen die von Ingheim und noch einige Gäste saßen. Nachdem man sich bewillkommt hatte und nachdem die Angekommenen sich von den überflüssigen Reisekleidern befreit hatten, teilte sich, wie es bei ähnlichen Gelegenheiten stets vorkömmt, die Gesellschaft in Gruppen, von denen einige vor dem Hause standen und plauderten, andere auf den Sandwegen im Rasen herumgingen, wieder andere gegen den Meierhof wandelten. Als die Abendröte hinter den Bäumen erschien, die in schönen Zeilen im Westen des Schlosses die Felder säumten, und als ihr Glühen immer blässer wurde und dem Gelb des Spätabends Platz machte, sammelten sich die Leute wieder. Die einen kehrten von ihrem Spaziergange, die anderen von ihrem Gespräche, die dritten von ihrer Betrachtung verschiedener Gegenstände zurück, und man begab sich in das Speisezimmer. In demselben begann nun ein Abend, wie sie auf dem Lande, wo man von dem Umgange mit Seinesgleichen viel ausgeschlossener ist, zu den vergnügtesten gehören. Ich habe diese Betrachtung, da ich im Sommer immer ferne von der Stadt war, öfter machen können. Da man Menschen, mit denen man gleiche Gesinnungen und gleiche Meinungen hat, auf dem Lande viel seltener sieht als in der Stadt, da man mit dem Raume nicht so kargen muß wie in der Stadt, wo jede Familie nur das mit vielen Kosten erschwingt, was sie für sich und nächste Angehörige braucht, da die Lebensmittel auf dem Lande gewöhnlich aus der ersten und unmittelbaren Quelle bei der Hand sind, auch strenge Anforderungen hierin nicht gemacht werden: so ist man auf dem Lande viel gastfreundlicher als in der Stadt, und Gelegenheiten, wo man sich in einem Zimmer und um einen Tisch versammelt, werden da viel fröhlicher, ungezwungener und auch herzliches begangen, weil man sich freut, sich wieder zu sehen, weil man um alles fragen will, was sich an den verschiedenen Stellen, woher die Ankömmlinge gekommen sind, zugetragen hat, weil man die eigenen Erlebnisse mitteilen und weil man seine Ansichten austauschen will.

Der Tisch war schon gedeckt, der Hausverwalter wies allen ihre Plätze an, die zur Vermeidung von dennoch möglichen Verwirrungen noch überdies durch von seiner Hand geschriebene Zettel bezeichnet waren, und man setzte sich. Der Mann hatte gesorgt, daß solche, die sich gut kannten, nahe zusammenkamen. Deßohngeachtet schritt man mit der Freimütigkeit des Landes und alter Bekannter dazu, die Zettel noch zu verwechseln und sich gegen die Anordnungen des Mannes zusammen zu setzen. Von der Decke des Zimmers hing eine sanft brennende Lampe hernieder, und außer ihr wurde die Tafel noch durch verteilte strahlende Kerzen erhellt. Mathilde nahm den Mittelsitz ein und richtete ihre Freundlichkeit und ihr ruhiges Wesen gegen alle, die in ihrem Bereiche waren, und selbst gegen die entferntesten Plätze suchte sie ihre Aufmerksamkeit zu erstrecken. Die bekannteren und älteren Gäste saßen ihr zunächst, die jüngeren entfernter. Julie, die Tochter Ingheims mit den heiteren braunen Augen, saß mir fast gegenüber, ihre Schwester, die blauäugige Apollonia, etwas weiter unten. Sie hatten sehr geschmackvolle Kleider an, das Geschmeide, das sie trugen, hätte, wie ich meinte, etwas weniger sein sollen. Neben beiden saßen die jungen Männer Tillburg und Wachten. Natalie saß zwischen Eustach und Roland. Ob es so angeordnet, ob es ihre eigene Wahl war, wußte ich nicht. Man trug ein einfaches Mahl auf, und fröhliche Gespräche belebten es. Man sprach von den Begebnissen der Gegend, man neckte sich mit kleinen Erlebnissen, man teilte sich Erfahrungen mit, die man in seinem Kreise gemacht hatte, man sprach von Büchern, die in der Gegend neu waren, und beurteilte sie, man erzählte, was man im Bereiche seiner Liebhaberei Neues erworben, was man für Reisen gemacht und was man für fernere vorhabe. Auch auf die Geschichte des Landes kam es, auf seine Verwaltung, auf Verbesserungen, die zu machen wären, und auf Schätze, die noch ungehoben liegen. Selbst Wissenschaft und Kunst war nicht ausgeschlossen. Mancher Scherz erheiterte die Anwesenden, und man schien sehr vergnügt, sich so in einen Kreis versammelt zu haben, wo sich Neues ergab und wo man Altes wieder beleben konnte.