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Der Mittag vereinigte noch einmal alle Gäste bei dem Mahle. Mehrere von ihnen hatten beschlossen, gleich nach demselben fort zu fahren, um noch vor der Nacht ihre Heimat zu erreichen. Man brachte einen fröhlichen Trinkspruch aus auf die schöne Gestaltung des Schlosses und einen Dank für die herzliche Bewirtung. Der Spruch wurde mit einem Wunsche für das Wohl der Gesellschaft und für baldiges Wiedersehen erwidert. Die heitere Sommersonne verklärte das Zimmer, und die Blumen des Gartens schmückten es.

Nach dem Mahle fuhren mehrere der Gäste fort, und im Laufe des Nachmittages entfernten sich alle.

Wir, die nach dem Asperhofe mußten, hatten beschlossen, morgen früh abzufahren.

Bei dem Abendessen kam das Gespräch auf das Unternehmen an dem Hause. Ich sah, daß die Übriggebliebenen schon einig waren. Es sprach nun mein Gastfreund, es sprachen Eustach und Roland. Sie hatten alle meine Ansicht. Ich wurde aufgefordert, auch meine Meinung zu sagen. Ich sprach sie nach meiner innern Empfindung aus. Alle mochten sie wohl so erwartet haben. Über den Aufwand zur Deckung der künftigen Kosten sprach mein Gastfreund mit Mathilden besonders. Durch das Abschlagen der Steine mit scharfen Hämmern hatten sich die Auslagen größer gezeigt, als man Anfangs vermuten konnte. Mein Gastfreund riet daher, daß man die Arbeit auf längere Fristen ausdehnen solle, wodurch die Kosten weniger empfindlich würden und, da doch das Schaffen des Schönen das Vergnügen bilde, dieses Vergnügen sich verlängere. Man billigte den Vorschlag und freute sich auf das Wachsen des Edleren und freute sich auf den Augenblick, wenn das Haus in einem würdigen Gewande da stehen würde und man die Beruhigung hätte, es so dem künftigen Besitzer übergeben zu können.

Mit dem Anbruche des nächsten Tages fuhren mein Gastfreund, Eustach, Roland, Gustav und ich auf dem Wege nach dem Rosenhause dahin.

Als ich in Hinsicht der eben zugebrachten Tage etwas über das Landleben sagte und die Annehmlichkeiten desselben berührte, und als wir eine Zeit über diesen Gegenstand gesprochen hatten, sagte mein Gastfreund: »Das gesellschaftliche Leben in den Städten, wenn man es in dem Sinne nimmt, daß man immer mit fremden Personen zusammen ist, bei denen man entweder mit andern zum Besuche ist, oder die mit andern bei uns sind, ist nicht ersprießlich. Es ist das nehmliche Einerlei wie das Leben in Orten, die den großen Städten nahe sind. Man sehnt sich, ein anderes Einerlei aufzusuchen; denn wohl ist jedes Leben und jede Äußerung einer Gegend ein Einerlei, und es gewährt einen Abschluß, von dem einen Einerlei in ein anderes über zu gehen. Aber es gibt auch ein Einerlei, welches so erhaben ist, daß es als Fülle die ganze Seele ergreift und als Einfachheit das All umschließt. Es sind erwählte Menschen, die zu diesem kommen und es zur Fassung ihres Lebens machen können.«

»In der Weltgeschichte kömmt wohl Ähnliches vor«, sagte ich.

»In der Weltgeschichte kömmt es vor«, antwortete er, »wo ein Mensch durch eine große Tat, die sein Leben erfüllt, diesem Leben eine einfache Gestalt geben kann, abgelöst von allem Kleinlichen — in der Wissenschaft, wo ein großartiges Feld höchsten Erringens vor dem Menschen liegt — oder in der Klarheit und Ruhe der Lebensanschauungen, die endlich Alles auf einige ausgedehnte, aber einfältige Grundlinien zurück führt. Jedoch sind auch hier Maße und Abstufungen wie in allen andern Dingen des Lebens.«

»Von den zwei Hauptzeiträumen, welche das menschliche Geschlecht betroffen haben«, erwiderte ich, »von dem sogenannten antiken und dem heutigen, dürfte wohl der griechisch-römische das Meiste von dem Gesagten aufzuweisen haben.«

»Wir wissen zuletzt gar nicht, welche Zeiträume es in der Geschichte gegeben hat«, antwortete er. »Die Griechen und Römer sind unserer Zeit am nächsten, wir sind aus ihnen hervor gegangen und wissen von ihnen auch das Meiste. Wer weiß, wie viele Völkerabschnitte es gegeben hat und wie viele unbekannte Geschichtsquellen noch verborgen sind. Wenn einmal ganze Reihen solcher Völkerzustände wie Griechen- und Römertum vorliegen, dann läßt sich eher über unsere Frage etwas sagen. Oder sind etwa solche Reihen nur dagewesen und vergessen worden, und werden überhaupt die hintersten Stücke der Weltgeschichte vergessen, wenn sich vorne neue ansetzen und ihrer Entwicklung entgegen eilen? Wer wird dann nach zehntausend Jahren noch von Hellenen oder von uns reden? Ganz andere Vorstellungen werden kommen, die Menschen werden ganz andere Worte haben, mit ihnen in ganz anderen Sätzen reden, und wir würden sie gar nicht verstehen, wie wir nicht verstehen würden, wenn etwas zehntausend Jahre vor uns gesagt worden wäre und uns vorläge, selbst wenn wir der Sprache mächtig wären. Was ist dann jeder Ruhm? Aber kehren wir zu unserem Gegenstande zurück und sehen wir von Ägyptern, Assyrern, Indern, Medern, Hebräern, Persern, von denen Kunde zu uns herüber gekommen ist, ab und vergleichen wir uns nur allein mit der griechisch-römischen Welt, so dürfte in ihr wirklich mehr einfache Lebensgröße gelegen sein als in der unsern liegt. Ich verwundere mich oft, wenn ich in der Lage bin, zu entscheiden, welchen von beiden ich den Preis geben soll, Cäsars Taten oder Cäsars Schriften, wie sehr ich im Schwanken begriffen bin und wie wenig ich es weiß. Beides ist so klar, so stark, so unbeirrt, daß wir wenig desgleichen haben dürften.«

»Jene alten Verhältnisse des Handelns und Denkens waren aber, wie ich glaube, auch weniger verwickelt als die unsrigen«, sagte ich.

»Sie hatten einen nicht so ausgedehnten Schauplatz wie wir«, erwiderte er, »obwohl auch der Platz der Taten zu Cäsars Zeit — Britannien, Gallien, Italien, Asien, Afrika — oder zu Alexanders Zeit — Griechenland und Orient — nicht ganz klein war. Ihre Verhältnisse nach Außen gestalteten sich daher leichter; aber im Innern dürften sie bei der großen Zahl der mithandelnden Personen, von denen die meisten Stimme und Gewalt in Staatsdingen hatten, nicht so leicht gewesen sein, und die Macht, diese Gemüter durch Wort, Erscheinung und Handlung zu gewinnen und zu leiten, dürfte schwierig zu erwerben gewesen sein und dürfte eben dem Wesen eines Mannes die feste Gestalt aufgedrückt haben, die wir so oft an ihm bewundern. Unsere Zeit ist eine ganz verschiedene. Sie ist auf den Zusammensturz jener gefolgt und erscheint mir als eine Übergangszeit, nach welcher eine kommen wird, von der das griechische und römische Altertum weit wird übertroffen werden. Wir arbeiten an einem besondern Gewichte der Weltuhr, das den Alten, deren Sinn vorzüglich auf Staatsdinge, auf das Recht und mitunter auf die Kunst ging, noch ziemlich unbekannt war, an den Naturwissenschaften. Wir können jetzt noch nicht ahnen, was die Pflege dieses Gewichtes für einen Einfluß haben wird auf die Umgestaltung der Welt und des Lebens. Wir haben zum Teile die Sätze dieser Wissenschaften noch als totes Eigentum in den Büchern oder Lehrzimmern, zum Teile haben wir sie erst auf die Gewerbe, auf den Handel, auf den Bau von Straßen und ähnlichen Dingen verwendet, wir stehen noch zu sehr in dem Brausen dieses Anfanges, um die Ergebnisse beurteilen zu können, ja wir stehen erst ganz am Anfange des Anfanges. Wie wird es sein, wenn wir mit der Schnelligkeit des Blitzes Nachrichten über die ganze Erde werden verbreiten können, wenn wir selber mit großer Geschwindigkeit und in kurzer Zeit an die verschiedensten Stellen der Erde werden gelangen, und wenn wir mit gleicher Schnelligkeit große Lasten werden befördern können? Werden die Güter der Erde da nicht durch die Möglichkeit des leichten Austauschens gemeinsam werden, daß Allen Alles zugänglich ist? Jetzt kann sich eine kleine Landstadt und ihre Umgebung mit dem, was sie hat, was sie ist und was sie weiß, absperren: bald wird es aber nicht mehr so sein, sie wird in den allgemeinen Verkehr gerissen werden. Dann wird, um der Allberührung genügen zu können, das, was der Geringste wissen und können muß, um Vieles größer sein als jetzt. Die Staaten, die durch Entwicklung des Verstandes und durch Bildung sich dieses Wissen zuerst erwerben, werden an Reichtum, an Macht und Glanz vorausschreiten und die andern sogar in Frage stellen können. Welche Umgestaltungen wird aber erst auch der Geist in seinem ganzen Wesen erlangen? Diese Wirkung ist bei Weitem die wichtigste. Der Kampf in dieser Richtung wird sich fortkämpfen, er ist entstanden, weil neue menschliche Verhältnisse eintraten, das Brausen, von welchem ich sprach, wird noch stärker werden, wie lange es dauern wird, welche Übel entstehen werden, vermag ich nicht zu sagen; aber es wird eine Abklärung folgen, die Übermacht des Stoffes wird vor dem Geiste, der endlich doch siegen wird, eine bloße Macht werden, die er gebraucht, und weil er einen neuen menschlichen Gewinn gemacht hat, wird eine Zeit der Größe kommen, die in der Geschichte noch nicht dagewesen ist. Ich glaube, daß so Stufen nach Stufen in Jahrtausenden erstiegen werden. Wie weit das geht, wie es werden, wie es enden wird, vermag ein irdischer Verstand nicht zu ergründen. Nur das scheint mir sicher, andere Zeiten und andere Fassungen des Lebens werden kommen, wie sehr auch das, was dem Geiste und Körper des Menschen als letzter Grund inne wohnt, beharren mag.«