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Als ich nicht gar kurze Zeit gelesen hatte, trat mein Beherberger herein.

Ich hatte, weil er so lange abwesend war, gedacht, er werde sich etwa auch umgekleidet haben, weil er doch nun einmal einen Gast habe und weil sein Anzug so gar unbedeutend war. Aber er kam in den nehmlichen Kleidern zurück, in welchen er vor mir an dem Gittertore gestanden war.

Er entschuldigte sein Außenbleiben nicht, sondern sagte, ich möchte, wenn ich ausgeruht hätte und es mir genehm wäre, zu speisen, ihm in das Speisezimmer folgen, es würde dort für mich aufgetragen werden.

Ich sagte, ausgeruht hätte ich schon, aber ich sei nur gekommen, um Unterstand zu bitten, nicht aber auch in anderer Weise, besonders in Hinsicht von Speise und Trank, lästig zu fallen.

»Ihr fallt nicht lästig«, antwortete der Mann, »ihr müßt etwas zu essen bekommen, besonders da ihr so lange da bleiben müßt, bis sich die Sache wegen des Gewitters entschieden hat. Da schon Mittag vorüber ist, wir aber genau mit der Mittagstunde des Tages zu Mittag essen und von da bis zu dem Abendessen nichts mehr aufgetragen wird, so muß für euch, wenn ihr nicht bis Abends warten sollet, besonders aufgetragen werden. Solltet ihr aber sollen zu Mittag gegessen haben und bis Abends warten wollen, so fordert es doch die Ehre des Hauses, daß euch etwas geboten werde, ihr möget es dann annehmen oder nicht. Folgt mir daher in das Speisezimmer.«

Ich legte das Buch neben mich auf den Sitz und schickte mich an, zu gehen.

Er aber nahm das Buch und legte es auf seinen Platz in dem Büchergestelle.

»Verzeiht«, sagte er, »es ist bei uns Sitte, daß die Bücher, die auf dem Gestelle sind, damit jemand, der in dem Zimmer wartet oder sich sonst aufhält, bei Gelegenheit und nach Wohlgefallen etwas lesen kann, nach dem Gebrauche wieder auf das Gestelle gelegt werden, damit das Zimmer die ihm zugehörige Gestalt behalte.«

Hierauf öffnete er die Tür und lud mich ein, in das mir bekannte Speisezimmer voraus zu gehen.

Als wir in demselben angelangt waren, sah ich, daß in ausgezeichnet schönen weißen Linnen gedeckt sei, und zwar nur ein Gedecke, daß sich eingemachte Früchte, Wein, Wasser und Brot auf dem Tische befanden und in einem Gefäße verkleinertes Eis war, es in den Wein zu tun. Mein Ränzlein und meinen Schwarzdornstock sah ich nicht mehr, mein Hut aber lag noch auf seinem Platze.

Mein Begleiter tat aus einer der Taschen seines Kleides ein, wie ich vermutete, silbernes Glöcklein hervor und läutete. Sofort erschien eine Magd und brachte ein gebratenes Huhn und schönen rot gesprenkelten Kopfsalat.

Mein Gastherr lud mich ein, mich zu setzen und zu essen.

Da es so freundlich geboten war, nahm ich es an. Obwohl ich wirklich schon einmal gegessen hatte, so war das vor dem Mittag gewesen, und ich war durch das Wandern wieder hungrig geworden. Ich genoß daher von dem Aufgesetzten.

Mein Beherberger setzte sich zu mir, leistete mir Gesellschaft, aß und trank aber nichts.

Da ich fertig war und die Eßgeräte hingelegt hatte, bot er mir an, wenn ich nicht zu müde sei, mich in den Garten zu führen.

Ich nahm es an.

Er läutete wieder mit dem Glöcklein, um den Befehl zu geben, daß man abräume, und führte mich nun nicht durch den Gang, durch welchen wir herein gekommen waren, sondern durch einen mit gewöhnlichen Steinen gepflasterten in den Garten. Er hatte jetzt ein kleines Häubchen von durchbrochener Arbeit auf seinen weißen Haaren, wie man sie gerne Kindern aufsetzt, um ihre Locken gleichsam wie in einem Netze einzufangen.

Als wir in das Freie kamen, sah ich, daß, während ich aß, die Sonne auf das Haus zu scheinen aufgehört hatte, sie war von der Gewitterwand überholt worden. Auf dem Garten sowie auf der Gegend lag der warme, trockene Schatten, wie er bei solchen Gelegenheiten immer erscheint. Aber die Gewitterwand hatte sich während meines Aufenthaltes in dem Hause wenig verändert und gab nicht die Aussicht auf baldigen Ausbruch des Regens.

Ein Umblick überzeugte mich sogleich, daß der Garten hinter dem Hause sehr groß sei. Es war aber kein Garten, wie man sie gerne hinter und neben den Landhäusern der Städter anlegt, nehmlich, daß man unfruchtbare oder höchstens Zierfrüchte tragende Gebüsche und Bäume pflegt und zwischen ihnen Rasen und Sandwege oder einige Blumenhügel oder Blumenkreise herrichtet, sondern es war ein Garten, der mich an den meiner Eltern bei dem Vorstadthause erinnerte. Es war da eine weitläufige Anlage von Obstbäumen, die aber hinlänglich Raum ließen, daß fruchtbare oder auch nur zum Blühen bestimmte Gesträuche dazwischen stehen konnten und daß Gemüse und Blumen vollständig zu gedeihen vermochten. Die Blumen standen teils in eigenen Beeten, teils liefen sie als Einfriedigung hin, teils befanden sie sich auf eigenen Plätzen, wo sie sich schön darstellten. Mich empfingen von jeher solche Gärten mit dem Gefühle der Häuslichkeit und Nützlichkeit, während die anderen einerseits mit keiner Frucht auf das Haus denken und andererseits wahrhaftig auch kein Wald sind. Was zur Rosenzeit blühen konnte, blühte und duftete, und weil eben die schweren Wolken am Himmel standen, so war aller Duft viel eindringender und stärker. Dies deutete doch wieder auf ein Gewitter hin.

Nahe bei dem Hause befand sich ein Gewächshaus. Es zeigte uns aber gegen den Weg, auf dem wir gingen, nicht seine Länge, sondern seine Breite hin. Auch diese Breite, welche teilweise Gebüsche deckten, war mit Rosen bekleidet und sah aus wie ein Rosenhäuschen im Kleinen.

Wir gingen einen geräumigen Gang, der mitten durch den Garten lief, entlang. Er war Anfangs eben, zog sich aber dann sachte aufwärts.

Auch im Garten waren die Rosen beinahe herrschend. Entweder stand hie und da auf einem geeigneten Platze ein einzelnes Bäumchen oder es waren Hecken nach gewissen Richtungen angelegt, oder es zeigten sich Abteilungen, wo sie gute Verhältnisse zum Gedeihen finden und sich dem Auge angenehm darstellen konnten. Eine Gruppe von sehr dunkeln, fast violetten Rosen war mit einem eigenen zierlichen Gitter umgeben, um sie auszuzeichnen oder zu schützen. Alle Blumen waren wie die vor dem Hause besonders rein und klar entwickelt, sogar die verblühenden erschienen in ihren Blättern noch kraftvoll und gesund.

Ich machte in Einsicht des letzten Umstandes eine Bemerkung.

»Habt ihr denn nie eine jener alten Frauen gesehen«, sagte mein Begleiter, »die in ihrer Jugend sehr schön gewesen waren und sich lange kräftig erhalten haben? Sie gleichen diesen Rosen. Wenn sie selbst schon unzählige kleine Falten in ihrem Angesichte haben, so ist doch noch zwischen den Falten die Anmut herrschend und eine sehr schöne, liebe Farbe.«

Ich antwortete, daß ich das noch nie beobachtet hätte, und wir gingen weiter.

Es waren außer den Rosen noch andere Blumen im Garten. Ganze Beete von Aurikeln standen an schattigen Orten. Sie waren wohl längst verblüht, aber ihre starken grünen Blätter zeigten, daß sie in guter Pflege waren. Hie und da stand eine Lilie an einer einsamen Stelle, und voll entwickelte Nelken prangten in Töpfen auf einem eigenen Schragen, an dem Vorrichtungen angebracht waren, die Blumen vor Sonne zu bewahren. Sie waren noch nicht aufgeblüht, aber die Knospen waren weit vorgerückt und ließen treffliche Blumen ahnen. Es mochten nur die auserwählten auf dem Schragen stehen; denn ich sah die Schule dieser Pflanzen, als wir etwas weiter kamen, in langen, weithingehenden Beeten angelegt. Sonst waren die gewöhnlichen Gartenblumen da, teils in Beeten, teils auf kleinen, abgesonderten Plätzen, teils als Einfassungen. Besonders schien sich auch die Levkoje einer Vorliebe zu erfreuen, denn sie stand in großer Anzahl und Schönheit sowie in vielen Arten da. Ihr Duft ging wohltuend durch die Lüfte. Selbst in Töpfen sah ich diese Blume gepflegt und an zuträgliche Orte gestellt. Was an Zwiebelgewächsen, Hyazinthen, Tulpen und dergleichen vorhanden gewesen sein mochte, konnte ich nicht ermessen, da die Zeit dieser Blumen längst vorüber war.