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»Es ist ein Glück, das uns ohne Verdienst vom Himmel gefallen, weil es größer ist als jedes Verdienst.«

»Drum lasset uns es dankbar aufnehmen.«

»Und ewig bewahren.«

»Wie war es gut, Natalie, daß ich die Worte Homers, die ich heute nachmittag las, nicht in mein Herz aufnehmen konnte, daß ich das Buch weglegte, in den Garten ging und daß das Schicksal meine Schritte zu dem Marmor des Brunnens lenkte.«

»Wenn unsere Wesen zu einander neigten, obgleich wir es nicht gegenseitig wußten, so würden sie sich doch zugeführt worden sein, wann und wo es immer geschehen wäre, das weiß ich nun mit Sicherheit.«

»Aber sagt, warum habt Ihr mich denn gemieden, Natalie?«

»Ich habe Euch nicht gemieden, ich konnte mit euch nicht sprechen, wie es mir in meinem Innern war, und ich konnte auch nicht so sein, als ob Ihr ein Fremder wäret. Doch war mir eure Gegenwart sehr lieb. Aber warum habt denn auch Ihr Euch ferne von mir gehalten?«

»Mir war wie Euch. Da Ihr so weit von mir waret, konnte ich mich nicht nahen. Eure Gegenwart verherrlichte mir Alles, was uns umgab, aber das dunkle künftige Glück schien mir unerreichbar.«

»Nun ist doch erfüllet, was sich vorbereitete.«

»Ja, es ist erfüllt.«

Nach einem kleinen Schweigen fuhr ich fort: »Ihr habt gesagt, Natalie, daß wir das Glück, das uns vom Himmel gefallen ist, ewig aufbewahren sollen. Wir sollen es auch ewig aufbewahren. Schließen wir den Bund, daß wir uns lieben wollen, so lange das Leben währt, und daß wir treu sein wollen, was auch immer komme und was die Zukunft bringe, ob es uns aufbewahrt ist, daß wir in Vereinigung die Sonne und den Himmel genießen, oder ob jedes allein zu beiden emporblickt und nur des andern mit Schmerzen gedenken kann.«

»Ja, mein Freund, Liebe, unveränderliche Liebe, so lange das Leben währt, und Treue, was auch die Zukunft von Gunst oder Ungunst bringen mag.«

»O Natalie, wie wallt mein Herz in Freude! Ich habe es nicht geahnt, daß es so entzückend ist, Euch zu besitzen, die mir unerreichbar schien.«

»Ich habe auch nicht gedacht, daß Ihr Euer Herz von den großen Dingen, denen Ihr ergeben waret, wegkehren und mir zuwenden werdet.«

»O meine geliebte, meine teure, ewig mir gehörende Natalie!«

»Mein einziger, mein unvergeßlicher Freund!«

Ich war von Empfindung überwältigt, ich zog sie näher an mich und neigte mein Angesicht zu ihrem. Sie wendete ihr Haupt herüber und gab mit Güte ihre schönen Lippen meinem Munde, um den Kuß zu empfangen, den ich bot.

»Ewig für dich allein«, sagte ich.

»Ewig für dich allein«, sagte sie leise.

Schon als ich die süßen Lippen an meinen fühlte, war mir, als sei ein Zittern in ihr und als fließen ihre Tränen wieder.

Da ich mein Haupt wegwendete und in ihr Angesicht schaute, sah ich die Tränen in ihren Augen.

Ich fühlte die Tropfen auch in den meinen hervorquellen, die ich nicht mehr zurückhalten konnte. Ich zog Natalien wieder näher an mich, legte ihr Angesicht an meine Brust, neigte meine Wange auf ihre schönen Haare, legte die eine Hand auf ihr Haupt und hielt sie so sanft umfaßt und an mein Herz gedrückt. Sie regte sich nicht, und ich fühlte ihr Weinen. Da diese Stellung sich wieder löste, da sie mir in das Angesicht schaute, drückte ich noch einmal einen heißen Kuß auf ihre Lippen zum Zeichen der ewigen Vereinigung und der unbegrenzten Liebe. Sie schlang auch ihre Arme um meinen Hals und erwiderte den Kuß zu gleichem Zeichen der Einheit und der Liebe. Mir war in diesem Augenblicke, daß Natalie nun meiner Treue und Güte hingegeben, daß sie ein Leben eins mit meinem Leben sei. Ich schwor mir, mit allem, was groß, gut, schön und stark in mir ist, zu streben, ihre Zukunft zu schmücken und sie so glücklich zu machen, als es nur in meiner Macht ist und erreicht werden kann.

Wir saßen nun schweigend neben einander, wir konnten nicht sprechen und drückten uns nur die Hände als Bestätigung des geschloßnen Bundes und des innigsten Verständnisses.

Da eine Zeit vergangen war, sagte endlich Natalie: »Mein Freund, wir haben uns der Fortdauer und der Unaufhörlichkeit unserer Neigung versichert, und diese Neigung wird auch dauern; aber was nun geschehen und wie sich alles Andere gestalten wird, das hängt von unsern Angehörigen ab, von meiner Mutter, und von euren Eltern.«

»Sie werden unser Glück mit Wohlwollen ansehen.«

»Ich hoffe es auch; aber wenn ich das vollste Recht hätte, meine Handlungen selber zu bestimmen, so wurde ich nie auch nicht ein Teilchen meines Lebens so einrichten, daß es meiner Mutter nicht gefiele; es wäre kein Glück für mich. Ich werde so handeln, so lange wir beisammen auf der Erde sind. Ihr tut wohl auch so?«

»Ich tue es; weil ich meine Eltern liebe und weil mir eine Freude nur als solche gilt, wenn sie auch die ihre ist.«

»Und noch jemand muß gefragt werden.«

»Wer?«

»Unser edler Freund. Er ist so gut, so weise, so uneigennützig. Er hat unserm Leben einen Halt gegeben, als wir ratlos waren, er ist uns beigestanden, als wir es bedurften, und jetzt ist er der zweite Vater Gustavs geworden.«

»Ja, Natalie, er soll und muß gefragt werden; aber sprecht, wenn eins von diesen nein sagt?«

»Wenn eines nein sagt, und wir es nicht überzeugen können, so wird es Recht haben, und wir werden uns dann lieben, so lange wir leben, wir werden einander treu sein in dieser und jener Welt; aber wir dürften uns dann nicht mehr sehen.«

»Wenn wir ihnen die Entscheidung über uns anheim gegeben haben, so mußte es wohl so sein; aber es wird gewiß nicht, gewiß nicht geschehen.«

»Ich glaube mit Zuversicht, daß es nicht geschehen wird.«

»Mein Vater wird sich freuen, wenn ich ihm sage, wie Ihr seid, er wird Euch lieben, wenn er Euch sieht, die Mutter wird Euch eine zweite Mutter sein und Klotilde wird sich Euch mit ganzer Seele zuwenden.«

»Ich verehre Eure Eltern und liebe Klotilde schon so lange, als ich euch von ihnen reden und erzählen hörte. Mit meiner Mutter werde ich noch heute sprechen, ich könnte die Nacht nicht über das Geheimnis herauf gehen lassen. Wenn ihr zu euren Eltern reiset, sagt ihnen, was geschehen ist, und sendet bald Nachricht hieher.«

»Ja, Natalie.«

»Geht Ihr von hier wieder in die Berge?«

»Ich wollte es; nun aber hat sich Wichtigeres ereignet, und ich muß gleich zu meinen Eltern. Nur auf Kurzes will ich, so schnell es geht, in meinen jetzigen Standort reisen, um die Arbeiten abzubestellen, die Leute zu entlassen und Alles in Ordnung zu bringen.«

»Das muß wohl so sein.«

»Die Antwort meiner Eltern bringt dann nicht eine Nachricht, sondern ich selber.«

»Das ist noch erfreulicher. Mit unserm Freunde wird wohl hier geredet werden.«

»Natalie, dann habt ihr eine Schwester an Klotilden und ich einen Bruder an Gustav.«

»Ihr habt ihn ja immer sehr geliebt. Alles ist so schön daß es fast zu schön ist.«

Dann sprachen wir von der Zurückkunft der Männer, was sie sagen würden und wie unser Gastfreund die schnelle Wendung der Dinge aufnehmen werde.

Zuletzt, als die Gemüter zu einer sanfteren Ruhe zurückgekehrt waren, erhoben wir uns, um in das Haus zu gehen. Ich bot Natalien meinen Arm, den sie annahm. Ich führte sie der Eppichwand entlang, ich führte sie durch einen schönen Gang des Gartens, und wir gelangten dann in offnere, freie Stellen, in denen wir eine Umsicht hatten.

Als wir da eine Strecke vorwärts gekommen waren, sahen wir Mathilden außerhalb des Gartens gegen den Meierhof gehen. Das Pförtchen, welches von dem Garten gegen den Meierhof führt, war in der Nähe und stand offen.

»Ich werde meiner Mutter folgen und werde gleich jetzt mit ihr sprechen«, sagte Natalie.

»Wenn Ihr es für gut haltet, so tut es«, erwiderte ich.