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Am andern Morgen, ehe der Vater in die Stadt ging, begab ich mich zu ihm in das Bücherzimmer und sagte ihm, daß ich zu Natalien, der Tochter der Freundin meines Gastfreundes, schon seit langer Zeit her eine Zuneigung gefaßt habe, daß diese Neigung in mir verborgen geblieben und daß es mein Vorsatz gewesen sei, sie, wenn sie ohne Aussicht wäre, zu unterdrücken, ohne daß ich je zu irgend jemandem ein Wort darüber sagte. Nun habe aber Natalie auch mich ihres Anteils nicht für unwert gehalten, ich habe davon nichts gewußt, bis ein Zufall, da wir von anderen, weit entlegenen Dingen sprachen, die gegenseitig unbekannte Stimmung zu Tage brachte. Da haben wir nun einen Bund geschlossen, daß wir uns unsere Neigung bewahren wollen, so lange wir leben, und daß wir sie in dieser Art nie einem anderen Wesen schenken würden. Natalie habe verlangt, und mein Sinn stimmte diesem Verlangen vollkommen bei, daß wir unseren Angehörigen diese Tatsache mitteilen sollten, damit wir uns unseres Gutes durch ihre Zustimmung erfreuen oder, wenn von einem Teile die Billigung versagt würde, die Neigung zwar unverändert erhalten, aber den persönlichen Umgang aufheben. Da nun Nataliens Angehörige nichts eingewendet haben, so sei ich hier, um die Sache meinen Eltern zu sagen, und ihm sage ich sie zuerst, der Mutter würde ich sie später mitteilen.

»Mein Sohn«, antwortete er, »du bist mündig, du hast das Recht, Verträge abzuschließen und hast einen sehr wichtigen abgeschlossen. Da ich dich genau kenne, da ich dich seit einiger Zeit noch viel genauer kennen zu lernen Gelegenheit hatte als ich dich früher kannte, so weiß ich, daß deine Wahl einen Gegenstand getroffen hat, der, wenn ihm auch gewiß wie allen Menschen Fehler eigen sind, an Wert und Güte entsprechen wird. Wahrscheinlich hat er beide Dinge in einem höheren Maße als die Menschen, wie sie in größerer Menge jetzt überall sind. In dieser Meinung bestärken mich noch mehrere Umstände. Eure Neigung ist nicht schnell entstanden, sondern hat sich vorbereitet, du hast sie überwinden wollen, du hast nichts gesagt, du hast uns von Natalien wenig erzählt, also ist es kein hastiges, fortreißendes Verlangen, welches dich erfaßt hat, sondern eine auf dem Grunde der Hochachtung beruhende Zuneigung. Bei Natalien ist es wahrscheinlich auch so, weil, wie du gesagt hast, ihre Gegenneigung vorhanden war, ehe du sie erkennen konntest. Ferner hat bei deinem Gastfreunde die Gesammtheit deines Wesens eine so entschiedene Förderung erhalten, du hast nach manchem Besuche bei ihm auch so hervorragende Einzelheiten zurückgebracht, daß ihm eine große Güte und Bildung eigen sein muß, die auf seine Umgebung übergeht. Ich habe nichts einzuwenden.«

Obgleich ich mir vorgestellt hatte, daß mein Vater dem geschlossenen Bunde kein Hindernis entgegenstellen werde, so war ich doch bei dieser Unterredung beklommen und ernst gewesen, so wie in der Haltung meines Vaters eine tiefe Ergriffenheit nicht zu verkennen gewesen war. Jetzt, da er geredet hatte, kam in mein Herz eine Freudigkeit, die sich auch in meinen Augen und in meinen Mienen ausgedrückt haben mußte. Mein Vater blickte mich gütig und freundlich an und sagte: »Du wirst mit der Mutter von diesem Gegenstande nicht so leicht sprechen, ich werde deine Stelle vertreten und ihr von dem geschlossenen Bunde erzählen, daß du schneller über die Mitteilung hinwegkömmst. Lasse den Vormittag vergehen, nach dem Mittagessen werde ich die Mutter in dieses Zimmer bitten. Klotilde wird dann gelegentlich auch Kenntnis von deinem Schritte erhalten.«

Wir verließen nun das Bücherzimmer. Mein Vater rüstete sich, in seine Geschäftsstube in die Stadt zu gehen, wie er sich jeden Morgen gerüstet hatte. Als er fertig war, nahm er von der Mutter Abschied und ging fort. Der Vormittag verfloß, wie gewöhnlich die Zeit nach meiner Ankunft verflossen war. Die Mutter und Klotilde fragten nicht nach dem Grunde meines ungewöhnlichen Zurückkommens und gingen ihren Geschäften nach. Als das Mittagmahl vorüber war, nahm der Vater die Mutter in das Bücherzimmer und blieb eine Weile mit ihr dort. Als sie wieder zu mir und Klotilden herauskamen, blickte sie mich freundlich an, sagte aber nichts.

Sie setzten sich wieder zu uns, und wir blieben noch eine Zeit an dem Tische sitzen.

Als wir aufgestanden waren, gingen wir in den Garten, welchen ich jetzt durch eine Reihe von Jahren nicht im Sommer gesehen hatte. Die Rosen, welche hie und da zerstreut waren, glichen nicht denen meines Gastfreundes, waren aber auch nicht schlechter als die, welche sich in dem Sternenhofe befanden. Der Garten, welcher mir in meiner Kindheit immer so lieb und traulich gewesen war, erschien mir jetzt klein und unbedeutend, obwohl seine Blumen, die gerade in dieser Sommerzeit noch blühten, seine Obstbäume, seine Gemüse, Weinreben und Pfirsichgitter nicht zu den geringsten der Stadt gehörten. Es zeigte sich nur eben der Unterschied eines Stadtgartens und des Gartens eines reichen Landbesitzers. Man wies mir alles, was man für wichtig erachtete, und machte mich auf alle Veränderungen aufmerksam. Man schien sich gleichsam zu freuen, daß man mich doch einmal zu Anfang der heißeren Jahreszeit hier habe, während ich sonst nur immer am Beginne der kälteren gekommen war, wenn die Blätter abfielen und der Garten sich seines Schmuckes entäußerte. Gegen den Abend ging der Vater wieder in die Stadt. Wir blieben in dem Garten. Da sich in einem Augenblicke die Schwester mit dem Aufbinden eines Rebenzweiges beschäftigte und ich mit der Mutter allein an dem Marmorbrunnen der Einbeere stand, in welchen das köstliche helle Wasser nieder rieselte, sagte sie zu mir: »Ich wünsche, daß jedes Glück und jeder Segen vom Himmel dich auf dem sehr wichtigen Schritte begleiten möge, den du getan hast, mein Sohn. Wenn du auch sorgsam gewählt hast, und wenn auch alle Bedingungen zum Gedeihen vorhanden sind, so bleibt der Schritt doch ein schwerer und wichtiger, noch steht das Zusammenfinden und das Einleben in einander bevor.«

»Möge es uns Gott so gewähren, wie wir glauben, es erwarten zu dürfen«, antwortete ich, »ich wollte auch kein Glück gründen, ohne daß ich meine Eltern darum fragte und ohne daß ihr Wille mit dem meinigen übereinstimmte. Zuerst mußte wohl Gewißheit gesucht werden, ob sich die Neigungen zusammen gefunden hätten. Als dieses erkannt war, mußte der Sinn und die Zustimmung der Angehörigen erforscht werden, und deshalb bin ich hier.«

»Der Vater sagt«, erwiderte sie, »daß alles recht ist, daß der Weg sich ebnen wird und daß jene Dinge, die in jeder Verbindung und also auch in dieser im Anfange ungefügig sind, hier eher ihre Gleichung finden werden als irgendwo. Wenn er es aber auch nicht gesagt hätte, so wüßte ich es doch. Du bist unter so vortrefflichen Leuten gewesen, du würdest auch ohne dem nicht unwürdig gewählt haben, und hast du gewählt, so ist dein Herz gut und wird sich in Kürze in ein Frauenherz finden, wie auch sie ihr Leben in dem deinigen finden wird. Es sind nicht alle, es sind nicht viele Verbindungen dieser Art glücklich; ich kenne einen großen Teil der Stadt und habe auch einen nicht zu kleinen Teil des Lebens beobachtet. Du hast im Grunde nur unsere Ehe gesehen: möge die deinige so glücklich sein, als es die meine mit deinem ehrwürdigen Vater ist.«

Ich antwortete nicht, es wurden mir die Augen naß.

»Klotilde wird jetzt einsam sein«, fuhr die Mutter fort, »sie hat keine andere Neigung als unser Haus, als Vater und Mutter und als dich.«

»Mutter«, antwortete ich, »wenn du Natalien sehen wirst, wenn du erfahren wirst, wie sie einfach und gerecht ist, wie ihr Sinn nach dem Gültigen und Hohen strebt, wie sie schlicht vor uns allen wandelt und wie sie viel, viel besser ist als ich, so wirst du nicht mehr von einer Vereinsamung sprechen, sondern von einer Verbindung, Klotilde wird um eines mehr haben als jetzt, und du und der Vater werdet um eines mehr haben. Aber auch Mathilde, mein Gastfreund und der Kreis jener trefflichen Menschen wird in eure Verbindung gezogen werden, ihr werdet zu ihnen hingezogen werden, und was bis jetzt getrennt war, wird Einigung sein.«