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Das alles wußten aber die Gemeindeglieder nicht, sie dankten nur, weil sie meinten, daß es ihre Schuldigkeit sei.

Nachdem mein Gastfreund den Bau gut befunden und mit Eustach, dem eigentlichen Werkmeister, das Nähere angeordnet hatte, und nachdem auch Roland die Zusicherung gegeben hatte, daß er dem Wunsche meines Gastfreundes gemäß öfter nachsehen und Bericht erstatten werde, rüsteten wir uns, unsere verschiedenen Wege zu gehen. Roland wollte wieder in das nahe liegende Gebirge zurückkehren, von dem er zu der Kirche heraus gekommen war, und wir wollten den Weg nach dem Asperhofe antreten. Roland entfernte sich zuerst. Wir besuchten noch den Inhaber eines Glaswerkes in der Nähe, der von großem Einflusse war, und begaben uns dann auf den Weg nach dem Hause meines Freundes.

Auf dem Rückwege kamen wir über die Bildung des Schönen zu sprechen, wie es gut sei, daß Menschen aufstehen, die es darstellen, daß über ihre Mitbrüder auch dieses sanfte Licht sich verbreite und sie immer zu hellerer Klarheit fort führe; daß es aber auch gut sei, daß Menschen bestehen, welche geeignet sind, das Schöne in sich aufzunehmen und es durch Umgang auf Andere zu übertragen, besonders, wenn sie noch, wie mein Gastfreund, das Schöne überall aufsuchen, es erhalten und es durch Mühe und Kraft wieder herzustellen suchen, wo es Schaden gelitten hatte. Es sei ein ganz eigenes Ding um die Befähigung und den Drang hiezu.

»Wir haben schon einmal über Ähnliches gesprochen«, sagte mein Gastfreund, »meine Erfahrungen in der Zeit meines Lebens haben mich gelehrt, daß es ganz bestimmte Anlagen zu ganz bestimmten Dingen gibt, mit denen die Menschen geboren werden. Nur in der Größe unterscheiden sich diese Anlagen, in der Möglichkeit, sich auszusprechen, und in der Gelegenheit, kräftig zur Wirksamkeit kommen zu können. Dadurch scheint Gott die Mannigfaltigkeit der Taten mit ihrem nachdrücklichsten Erfolge, wie es auf der Erde notwendig ist, vermitteln zu wollen. Es erschien mir immer merkwürdig, wo ich Gelegenheit hatte, es zu beobachten, wie bei Menschen, die bestimmt sind, ganz Ungewöhnliches in einer Richtung zu leisten, sich ihre Anlage bis in die feinsten Fäden ihres Gegenstandes ausspricht und zu ihm hindrängt, während sie in Anderm bis zum Kindlichen unwissend bleiben können. Einer, der über Kunstdinge trotz aller Belehrung, trotz alles Umganges, trotz langjähriger täglicher Berührung mit auserlesenen Kunstwerken nie Anderes als Ungereimtes sagen konnte, war ein Staatsmann, der die feinsten Abschattungen seines Gegenstandes durchdrang, der die Gedanken der Völker und die Absichten der Menschen und Regierungen, mit denen er verkehrte, erriet und es verstand, alle Dinge seinen Zwecken dienstbar machen zu können, so daß das Anderen wie ein Zauberwerk eines Geistes erschien, was gleichsam ein Naturgesetz war. In meiner Jugend kannte ich einen Mann, der mit einem Verstande, über den wir uns vor Bewunderung kaum zu fassen wußten, in die Tiefen eines Kunstwesens, das er besprechen wollte, einging, und Gedanken zu Tage brachte, von denen wir nicht begriffen, wie sie in das Herz eines Menschen haben kommen können; während er die Meinungen und Absichten ganz gewöhnlicher Menschen und gerade solcher, die tief unter ihm standen, nicht durchschaute und den notwendigen Gang der Staaten nicht sah, weil ihm das Auge dafür versagt war oder weil er im Drange seiner Gegenstände darauf nicht achtete. Ich könnte noch mehrere Beispiele anführen: den zum Feldherrn Geborenen im Richtersaale um Mein und Dein, oder den, der wissenschaftliche Stoffe fördert, in der Bildung eines Heeres. So hat Gott es auch Manchen gegeben, daß sie dem Schönen nachgehen müssen und sich zu ihm wie zu einer Sonne wenden, von der sie nicht lassen können. Es ist aber immer nur eine bestimmte Zahl von solchen, deren einzelne Anlage zu einer besonderen großen Wirksamkeit ausgeprägt ist. Ihrer können nicht viele sein, und neben ihnen werden die geboren, bei denen sich eine gewisse Richtung nicht ausspricht, die das Alltägliche tun und deren eigentümliche Anlage darin besteht, daß sie gerade keine hervorragende Anlage zu einem hervorragenden Gegenstande haben. Sie müssen in großer Menge sein, daß die Welt in ihren Angeln bleibt, daß das Stoffliche gefördert werde und alle Wege im Betriebe sind. Sehr häufig aber kömmt es nun leider auf den Umstand an, daß der rechten Anlage der rechte Gegenstand zugeführt wird, was so oft nicht der Fall ist.«

»Könnte denn nicht die Anlage den Gegenstand suchen, und sucht sie ihn nicht auch oft?« fragte Eustach.

»Wenn sie in großer Macht und Fülle vorhanden ist, sucht sie ihn«, entgegnete mein Gastfreund, »zuweilen aber geht sie in dem Suchen zu Grunde.«

»Das ist ja traurig, und dann wird ihr Zweck verfehlt«, antwortete Eustach.

»Ich glaube nicht, daß ihr Zweck deshalb ganz verfehlt wird«, sagte mein Gastfreund, »das Suchen und das, was sie in diesem Suchen fördert und in sich und Anderen erzeugt, war ihr Zweck. Es müssen eben verschiedene, und zwar verschieden hohe und verschieden geartete Stufen erstiegen werden. Wenn jede Anlage mit völliger Blindheit ihrem Gegenstande zugeführt würde und ihn ergreifen und erschöpfen müßte, so wäre eine viel schönere und reichere Blume dahin, die Freiheit der Seele, die ihre Anlage einem Gegenstande zuwenden kann oder sich von ihm fern halten, die ihr Paradies sehen, sich von ihm abwenden und dann trauern kann, daß sie sich von ihm abgewendet hat, oder die endlich in das Paradies eingeht und sich glücklich fühlt, daß sie eingegangen ist.«

»Oft habe ich schon gedacht«, sagte ich, »da die Kunst so sehr auf die Menschen wirkt, wie ich an mir selber, wenn auch nur erst kurze Zeit, zu beobachten Gelegenheit hatte, ob denn der Künstler bei der Anlage seines Werkes seine Mitmenschen vor Augen habe und dahin rechne, wie er es einrichten müsse, daß auf sie die Wirkung gemacht werde, die er beabsichtiget.«

»Ich hege keine Zweifel, daß es nicht so ist«, erwiderte mein Gastfreund, »wenn der Mensch überhaupt seine ihm angeborne Anlage nicht kennt, selbst wenn sie eine sehr bedeutende sein sollte und wenn er mannigfaltige Handlungen vornehmen muß, ehe seine Umgebung ihn oder er sich selber inne wird, ja wenn er zuletzt sich seiner Freiheit gemäß seiner Anlage hingeben oder sich von ihr abwenden kann: so wird er wohl im Wirken dieser Anlage nicht so zu rechnen im Stande sein, daß sie an einem gewissen Punkte anlanden müsse; sondern je größer die Kraft ist, um so mehr, glaube ich, wirkt sie nach den ihr eigentümlichen Gesetzen, und das dem Menschen inwohnende Große strebt, unbewußt der Äußerlichkeiten, seinem Ziele zu und erreicht desto Wirkungsvolleres, je tiefer und unbeirrter es strebt. Das Göttliche scheint immer nur von dem Himmel zu fallen. Es hat wohl Menschen gegeben, welche berechnet haben, wie ein Erzeugnis auf die Mitmenschen wirken soll, die Wirkung ist auch gekommen, sie ist oft eine große gewesen, aber keine künstlerische und keine tiefe; sie haben etwas Anderes erreicht, das ein Zufälliges und Äußeres war, das die, welche nach ihnen kamen, nicht teilten und von dem sie nicht begriffen, wie es auf die Vorgänger hatte wirken können. Diese Menschen bauten vergängliche Werke und waren nicht Künstler, während das durch die wirkliche Macht der Kunst Geschaffene, weil es die reine Blüte der Menschheit ist, nach allen Zeiten wirkt und entzückt, so lange die Menschen nicht ihr Köstlichstes, die Menschheit, weggeworfen haben.«