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Wir fingen wirklich am andern Tage an, die Dinge zu bereden, welche Klotilde zur Reise brauche. Sie ging rüstig an die Anschaffung. Ich entwarf ein Verzeichnis der Notwendigkeiten, welches ich nach und nach ergänzte. Als einige Zeit verflossen war, glaubte ich es so vervollständigt zu haben, daß nun nicht leicht mehr etwas Wesentliches vergessen werden konnte.

Indessen rückte auch der Tag heran, an welchem ich mit dem Vater abreisen sollte.

Am frühen Morgen desselben setzten wir uns in den leichten Reisewagen, dessen sich der Vater immer bedient hatte, wenn er größere Entfernungen zurücklegen mußte. Jetzt war er lange nicht mehr aus dem Wagenbehältnis gekommen. Auf Anordnung der Mutter wurde er einige Tage vorher von Sachkundigen genau untersucht, ob er nicht heimliche Gebrechen habe, welche uns in Schaden bringen könnten. Als dies einstimmig verneint worden war, gab sie sich zufrieden. Wir hatten Postpferde, wechselten dieselben an gehörigen Orten und hielten uns in ihnen so lange auf, als es uns beliebte. Gegen jeden Abend ließ der Vater noch bei Tageslicht halten, es wurde das Nachtlager bestellt und wir machten vor dem Abendessen einen Spaziergang. In diesen Tagen, an denen ich mehr Stunden hintereinander ununterbrochen mit dem Vater zubrachte, als dies je vorher der Fall gewesen war, sprach ich auch mehr mit ihm als je zu einer anderen Zeit. Wir sprachen von Kunstdingen: er erzählte mir von seinen Bildern, sagte mir Manches über ihre Erwerbung, was ich noch nicht wußte, und verbreitete sich in guter Rede über ihren Kunstwert, er kam auf seine Steine und erklärte mir Manches; wir ergingen uns in Büchern, die uns beiden geläufig waren, setzten ihren Wert, wenn er dichterisch oder wissenschaftlich war, auseinander und erinnerten uns gegenseitig an Teile des Inhaltes; wir sprachen auch von Zeitereignissen und von der Lage unsers Staates. Er erzählte mir endlich von seinem kaufmännischen Geschäfte und machte mich mit dessen Grundlagen und Stellungen bekannt. Er zeigte mir Teile der Gegend, durch die wir fuhren, und unterrichtete mich von dem Schicksale mancher Familie, die in diesem oder jenem Abschnitte der Landschaft wohnte. Unter diesen Verhältnissen kamen wir am vierten Tage an dem Orte unserer Bestimmung an. Die Gegend war mir völlig unbekannt, weil mich meine Wanderungen nie hieher getragen hatten.

Am Saume des Waldes, der den Norden unseres Landes begrenzt, ging ein Tal hin, das einst Wald gewesen war und das jetzt zerstreute Häuser, einzelne Felder, Wiesen, Felsen, Schluchten und rinnende Wasser in seinem Bereiche hegte. Eines der Häuser, halb aus Holz gezimmert und halb gemauert, war das Geburtshaus meines Vaters. Es stand am Rande eines Wäldchens, das von dem großen Walde herstammte, der einst diese ganzen Gegenden bedeckt hatte. Es war gegen West durch eine Gruppe sehr großer und dicht stehender Buchen gedeckt. daß ihm die Winde von dorther wenig anhaben konnten, hatte gegen Ost den Schutz eines Felsens, im Norden den des großen Waldbandes und schaute gegen Süden auf seine nicht unbeträchtlichen Wiesen und Felder, deren Ergiebigkeit in Getreide gering, in Futterkräutern außerordentlich war, weshalb der größere Reichtum auch in Herden bestand. Wir fuhren in das Gasthaus des Tales, ließen unsere Reisedinge abpacken, bestellten uns auf einige Tage Wohnung und besuchten dann die sehr entfernten Verwandten, welche jetzt des Vaters Stammhaus bewohnten. Es war gegen Mittag. Sie nahmen uns, da wir uns entdeckt hatten, sehr freundlich auf und verlangten, daß wir unser Gepäcke holen lassen und bei ihnen wohnen sollten. Nur auf die dringenden Vorstellungen des Vaters, daß wir ihnen die Bequemlichkeit nähmen und selber keine gewännen, gaben sie nach und verlangten nur noch, daß wir zum bevorstehenden Mittagessen bei ihnen bleiben sollten, was wir annahmen.

Da wir nun in der großen Wohnstube saßen, zeigte mir der Vater den geräumigen Ahorntisch, bei dem er und seine Geschwister ihre Nahrung eingenommen hatten. Der Tisch war alt geworden, aber der Vater sagte, daß er noch in derselben Ecke stehe, von den zwei Fenstern beglänzt und von der hereinscheinenden Sonne beleuchtet wie einst. Er zeigte mir seine gewesene, neben der Stube befindliche Schlafkammer. Dann gingen wir hinaus, er wies mir die Treppe, die auf den hölzernen Gang führte, welcher rings um den Hof lief, und den Quell, der sich noch immer mit hellem Wasser in den Granittrog ergoß, welchen schon sein Urgroßvater hatte hauen lassen, er wies mir den Stall, die Scheune und hinter ihr den Waldweg, auf dem er, noch ein halbes Kind, mit einem Stabe in der Hand die Heimat verlassen habe, um in der Fremde sein Glück zu suchen. Wir gingen sogar in das Freie und dort herum. Der Vater blieb häufig stehen und erinnerte sich noch der Fruchtgattungen, welche auf verschiedenen Stellen gestanden waren, als er mit einem Täfelchen, darauf sich rote und schwarze Buchstaben befanden, in das eine Viertelstunde entlegene hölzerne Haus ging, das an der Straße stand, von Buchen umgeben war und die Schule für alle Kinder des Tales vorstellte. Er sagte, es sei alles noch wie zur Zeit seiner Kindheit, die nehmlichen Begrenzungen, die nehmlichen kleinen Feldwege und dieselben Wassergräben und Quellrinnsale. Er sagte, es sei ihm, als ständen sogar dieselben Arnicablumen auf der Wiese, die er als Knabe angeschaut habe, und da er mich zu dem Steinbühl geführt hatte, der am Rande der Felder lag, so ragten die Himbeerzweige empor, rankten sich die dornenreichen Brombeerreben um die Steine und wucherten die Erdbeerblätter, gerade wie die, von denen er als Knabe gepflückt hatte. Vom Steinbühl gingen wir zu dem einfachen Essen, das wir mit unsern Verwandten verzehrten. Nach demselben besuchten wir mit dem jetzigen Eigentümer alle Besitzungen. Der Vater sagte, dort habe sein Vater gepflügt, geeggt, gegraben, hier habe seine Mutter mit der Schwester, der Magd und den Tagelöhnern Heu gemacht, dort seien die Kühe und Ziegen gegen den Wald hinan gegangen wie sie jetzt gehen, und die Seinigen haben ausgesehen wie die Leute jetzt aussehen.

Als wir zurückgekehrt waren, verabschiedeten wir uns, der Vater dankte für die Bewirtung und sagte, daß er gegen den Abend noch einmal in das Haus kommen werde.

Da wir uns in dem Zimmer unseres Gasthofes befanden, öffnete der Vater seinen Koffer und nahm allerlei Dinge aus demselben hervor, welche zu Geschenken für die Bewohner des Hauses bestimmt waren, in dem wir gespeist hatten. Ich war von ihm nie in die Kenntnis gesetzt worden, welche Bewohner wir in seinem Vaterhause treffen würden, er mußte sie wohl auch selber nicht genau gekannt haben. Ich war also nicht mit Geschenken versehen. Der Vater hatte aber auch für diesen Fall gesorgt, er gab mir mehrere Dinge, besonders Stoffe, kleine Schmucksachen und Ähnliches, um es bei unserem Abendbesuche in dem Hause auszuteilen. Er hatte nicht gleich bei seiner Ankunft die Geschenke mitnehmen wollen, weil er es, obwohl die Leute nur die gewöhnlichen Talbewohner dieser Gegend waren, für unschicklich hielt, mit Gaben belastet das Haus zu betreten und ihnen gleichsam sagen zu wollen: ›Ich glaube, daß ihr das für das Wichtigste haltet.‹ Jetzt aber war er ihnen etwas schuldig geworden und konnte den Dank für die gute Aufnahme abstatten.

Als wir die Geschenke in dem Hause verteilt und dafür die Freude und den Dank der Empfänger geerntet hatten, die in zwei Eheleuten mittlerer Jahre, in deren zwei Söhnen, einer Tochter und in einer alten Großmutter bestanden — den Knecht und die zwei Mägde nicht gerechnet —, war es mittlerweile Nacht geworden, und wir kehrten wieder in unsere Herberge zurück.

Wir blieben noch vier Tage in der Gegend. Der Vater besuchte in meiner Begleitung viele Stellen, die ihm einst lieb gewesen waren, einen kleinen See, einen Felsblock, von dem eine schöne Aussicht war, eine Gartenanlage in einem nicht sehr entfernten schloßähnlichen Gebäude, die hölzerne Schule und vor allem die eine und eine halbe Wegestunde entfernte Kirche, welche das Gotteshaus des Tales war und um welche der Kirchhof bog, in welchem sein Vater und seine Mutter ruhten. Eine weiße Marmortafel, die er und sein Bruder hatten setzen lassen, ehrte ihr Angedenken. Sonst ging der Vater auch fast in allen Zeiten des Tages auf den Wegen der Felder und des Waldes herum.