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Wir banden uns die Stricke um den Leib und ließen ein ziemlich langes Stück von der Leibbinde des einen zu der des andern gehen, damit, wenn einer, da wir jetzt über eine sehr schiefe Fläche zu gehen hatten, gleiten sollte, er durch den andern gehalten würde. Im Sommer war diese Fläche mit vielen kleinen und scharfen Steinen bedeckt, daher der Übergang über sie viel leichter. Im Winter kannte man den Boden nicht, und der Schnee konnte ins Gleiten geraten. Ohne Hilfe der Schneereife, die hier, weil sie unbehilflich machten, nur gefährlich werden konnten, gelangten wir mit angewandter Vorsicht glücklich hinüber, lösten die Stricke, bogen nach einer darauf erfolgten mehrstündigen Wanderung um die Felsen und standen an dem Gletscher und auf dem ewigen Schnee.

Auf dem Eise, da wir nach uns sehr bekannten Richtungen auf demselben vorschritten, zeigte sich beinahe mit Rücksicht auf den Sommer gar keine Veränderung. Da auch im Sommer fast jeder Regen des Tales die Höhen entweder gar nicht trifft oder auf ihnen Schnee ist, so war es jetzt auf dem Gletscher wie im Sommer, und wir schritten auf bekannten Gebieten vorwärts. Wo die Eismengen geborsten und zertrümmert waren, hatte sie an ihren Oberflächen der Schnee bedeckt, mit den Seitenflächen sahen sie grünlich oder blaulich schillernd aus dem allgemeinen Weiß hervor, weiter aufwärts, wo die Gletscherwölbung rein dalag, war sie mit Schnee bedeckt. Der einzige Unterschied bestand, daß jetzt keine einzige breite oder lange Eisstelle bloßgelegt in ihrer grünlichen Farbe da stand, was doch zuweilen im Sommer geschieht. Wir verweilten einige Zeit auf dem Eise und nahmen auf demselben auch unser Mittagmahl, in Wein und Brod bestehend, ein. Unter uns hatte sich aber indessen eine Veränderung vorbereitet. Der Nebel war nach und nach geschwunden, ein Teil der fernen oder der näheren Berge war nach dem andern sichtbar geworden, verschwunden, wieder sichtbar geworden, und endlich stand Alles im Sonnenglanze ohne ein Flöckchen Nebel, der wie ausgetilgt war, in sanfter Bläue oder wie in goldigem Schimmer oder wie im fernen, matten Silberglanze, in tiefem Schweigen und unbeweglich da. Die Sonne strahlte einsam ohne einer geselligen Wolke an dem Himmel. Die Kälte war auch hier nicht groß, geringer als ich sie im Tale beobachtet hatte, und nicht viel größer als sie auch zu Sommerszeiten auf diesen Höhen ist.

Nachdem wir uns eine geraume Weile auf dem Eise aufgehalten hatten, traten wir den Rückweg an. Wir gelangten leicht an den gewöhnlichen Ausgang des Gletschers, von wo aus man das Hinabgehen über die Berge einleitet. Wir fanden unsere Fußstapfen, die in der ungetrübten Oberfläche des Schnees, da hierauf selten auch Tiere kommen, sehr deutlich erkennbar waren, und gingen nach ihnen fort. Wir kamen glücklich über die schiefe Fläche und langten gegen Abend in der Ziegenalpe an. Es war hier schon zu dunkel, um noch etwas von der Umgebung sehen zu können. Wir hielten in der Hütte wieder unser warm zubereitetes Abendmahl, wärmten uns am Reste der Bank und erquickten uns durch Schlaf. Der nächste Morgen war abermals klar, in den Tälern lag wieder der Nebel. Da auch die Nacht vollkommen windstill gewesen war, so hatten wir uns jetzt in Hinsicht unsers Rückweges über die Hochebene nicht zu sorgen. Unsere Fußstapfen standen vollkommen unverwischt da, und ihnen konnten wir uns anvertrauen. Selbst da, wo wir ratend gestanden waren und etwa den Alpenstock seitwärts unseres Standortes in den Schnee gestoßen hatten, war die Spur noch völlig sichtbar. Wir kamen früher als wir gedacht hatten an dem schwarzen Steine an. Dort hielten wir wieder unser Mittagmahl und gingen dann unter dem sich immer mehr und mehr lichtenden Nebel, der uns aber hier kein wesentliches Hindernis mehr machte, die steile Senkung der Berge hinunter. Der an ihrem Fuße beobachtete Wärmemesser zeigte wirklich eine größere Kälte, als wir auf den Bergen gehabt hatten.

Am Nachmittage waren wir wieder in dem Seewirtshause.

Am andern Tage gingen wir in das Ahornhaus im Lauterthale. Alles umringte uns und wollte unsere Erlebnisse wissen. Sie wunderten sich, daß die Unternehmung so einfach gewesen sei, besonders aber, daß die Kälte, die schon im Sommer gegen die Wärme der Täler so abstehe, im Winter nicht ganz fürchterlich soll gewesen sein. Kaspar war ein wichtiger Mann geworden.

Ich aber war von dem, was ich oben gesehen und gefunden hatte, vollkommen erfüllt. Die tiefe Empfindung, welche jetzt immer in meinem Herzen war und welche mich angetrieben hatte, im Winter die Höhen der Berge zu suchen, hatte mich nicht getäuscht. Ein erhabenes Gefühl war in meine Seele gekommen, fast so erhaben wie meine Liebe zu Natalien. Ja, diese Liebe wurde durch das Gefühl noch gehoben und veredelt, und mit Andacht gegen Gott, den Herrn, der so viel Schönes geschaffen und uns so glücklich gemacht hat, entschlief ich, als ich wieder zum ersten Male in meinem Bette in der wohnlichen Stube des Ahornhauses ruhte.

Es hat mich nicht gereut, daß ich noch die Weihe dieser Unternehmung auf mich genommen hatte, ehe ich zu meinem Gastfreunde ging, um ihm meinen Winterbesuch zu machen.

Ich hielt mich nur noch so lange in dem Lauterthale auf, um noch die bedeutendsten Stellen desselben im Winterschmucke zu sehen und um die Einleitung zu treffen, daß dem Eigentümer der Ziegenalpe die Bank, die wir verbrannt hatten, ersetzt würde. Dann fuhr ich in einem Schlitten in der Richtung nach dem Asperhofe hinaus. Kaspar hatte recht herzlich von mir Abschied genommen, er war mir durch diese Unternehmung noch mehr befreundet geworden, als er es früher gewesen war.

Die größere Wärme in den oberen Teilen der Luft, welche nur ein Verbote des beginnenden Südwindes gewesen war, hatte sich nun völlig geltend gemacht, der Südwind war in den Höhen eingetreten, obwohl es in der Tiefe noch kalt war, Wolken hatten die Berge umhüllt, zogen über die Länder hinaus und schüttelten Regen herab, der in Gestalt von Eiskörnern unten ankam und mir um das Haupt und die Wangen prasselte, als ich in dem Asperhofe eintraf.

Die Pferde und der Schlitten wurden in den Meierhof gebracht, ich ging zu meinem Gastfreunde. Er saß in seinem Arbeitszimmer und ordnete Pergamentblätter, von denen er einen großen Stoß vor sich hatte. Ich begrüßte ihn, und er empfing mich wie immer gleich freundlich.

Ich sagte ihm, daß ich seit meiner letzten Anwesenheit im Asperhofe fast immer gereist sei. Erst hätte ich noch das Kargrat besucht, weil ich dort zu ordnen gehabt hätte, dann sei ich zu meinen Eltern gegangen, hierauf habe ich mit meinem Vater einen Besuch in seiner Heimat gemacht, dann sei ich mit meiner Schwester auf eine Zeit, um ihr ein Vergnügen zu bereiten, in das Hochgebirge gefahren, als hierauf der Winter gekommen sei, habe ich die Echerngletscher besucht, und nun sei ich hier.

»Ihr seid wie immer herzlich willkommen«, sagte er, »bleibt bei uns, so lange es Euch gefällt, und seht unser Haus wie das eurer Eltern an.«

»Ich danke euch, ich danke euch sehr«, erwiderte ich.

Er zog an der Klingel zu seinen Füßen, und die alte Katharina kam herauf. Er befahl ihr, meine Zimmer zu heizen, daß ich sie sehr bald benutzen könne.

»Es ist schon geschehen«, antwortete sie. »Als wir den jungen Herrn hereinfahren sahen, ließ ich durch Ludmilla gleich heizen, es brennt schon; aber ein wenig gelüftet muß noch werden, neue Überzüge müssen kommen, der Staub muß abgewischt werden, ihr müßt Euch schon ein wenig gedulden.«

»Es ist gut und recht«, sagte mein Gastfreund, »sorge nur, daß alles wohnlich sei.«

»Es wird schon werden«, antwortete Katharina und verließ das Zimmer.

»Ihr könnt, wenn ihr wollt«, sagte er dann zu mir, »indessen, bis eure Wohnung in Ordnung ist, mit mir zu Eustach hinüber gehen und sehen, was eben gearbeitet wird. Wir können hiebei auch bei Gustav anklopfen und ihm sagen, daß ihr gekommen seid.«