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»Am nächsten Vormittage ließ ich anfragen, ob ich den Herrn besuchen dürfe. Ich wurde dazu eingeladen, und mein Diener führte mich zu ihm. Ich war in denselben Besuchkleidern wie gestern bei der Frau. Der Herr saß bei Papieren und Schriften, er erhob sich bei meinem Eintritte, ging mir entgegen, grüßte mich auf das Ausgezeichnetste und führte mich zu einem Tische. Er war schon völlig und sehr fein angekleidet. Als wir uns niedergelassen hatten, sagte er: ›Seid mir noch einmal in meinem Hause willkommen. Ihr seid uns so empfohlen worden, daß wir uns glücklich schätzen, daß ihr zu uns gekommen seid, daß ihr eine Zeit bei uns wohnen wollt und daß ihr erlaubt, daß mein lieber Knabe, dem ich eine glückselige Zukunft wünsche, eure Gesellschaft genieße. Ich glaube, ihr werdet vielleicht in einiger Zeit sehen, daß wir eure Freunde sind, und ihr werdet uns etwa auch eure Freundschaft schenken. Richtet eure Beschäftigungen ein, wie ihr wollt, verlegt euch auf das, was euer künftiger Beruf fordert und betrachtet euch in allen Stücken wie in eurem eigenen Hause. Ihr werdet euch wohl hier an Einfachheit gewöhnen müssen. Wir haben hier und in der Stadt wenig Besuch und machen auch wenig. Mathilde wird von der Frau selber erzogen. Mit Erzieherinnen hatten wir kein Glück. Wir gaben es daher auf, für Mathilden eine Gesellschafterin zu suchen. Sie ist bei der Mutter, zuweilen sieht sie Mädchen ihres Alters, und manches Mal wohnt sie Gesprächen und Spaziergängen mit zwei älteren guten und lieben Mädchen bei. Sonst ist sie in ihrer Ausbildung begriffen und bringt ihre Zeit mit Lernen zu. Wie es mit dem Knaben ist, werdet ihr wohl sehen. Man hat uns gesagt, daß ihr in der Stadt sehr zurückgezogen gelebt habt, deshalb glaubten wir, daß ihr bei uns nicht gar sehr die menschliche Gesellschaft vermissen werdet. Ich beschäftige mich mit einigen wissenschaftlichen Dingen, und wenn euch ein Gespräch hierin, falls wir in den Gegenständen zusammentreffen, nicht unangenehm ist, so betrachtet mich als euren älteren Bruder, und zwar nicht bloß hierin, sondern auch in allen an. deren Dingen.‹«

›Ich bin durch eure Güte sehr beschämt‹, antwortete ich, ›und sehe jetzt erst, wie groß die Aufgabe ist, die ich in eurem Hause habe. Ich weiß nicht, ob ich ihr auch nur in einem geringen Maße werde genügen können.‹

›Es wird vielleicht nicht schwer sein, zu genügen‹, erwiderte er.

›Wenn es aber doch nicht geschähe?‹ fragte ich.

›Dann wären wir so offen und sagten es euch, damit man darnach handeln könnte‹, antwortete er.

›Das erleichtert mir mein Herz sehr‹, erwiderte ich; ›denn auf diese Weise wird nie Mißtrauen aufkommen können. Ich habe bisher nur in zwei Familien gelebt, in der meiner Mutter — denn mein Vater ist in meiner frühen Jugend gestorben — und in der eines würdigen alten Amtmannes, in dessen Hause ich während meiner lateinischen Schulen in Kost und Wohnung war. Die erste Familie ist mir wie jedem Menschen unvergeßlich, und die zweite ist es mir auch.‹

›Vielleicht wird es auch die unsere‹, sagte er, ›jetzt laßt euch das Haus und sein Zugehör zeigen, daß ihr den Schauplatz kennt, auf dem ihr ein Weilchen leben sollt. Oder wollt ihr etwas anders tun, so tut es. Zu mir steht euch der Zutritt stets offen, laßt euch nicht ansagen und klopft nicht an meine Tür.‹

»Mit diesen Worten war unser Gespräch zu Ende, wir erhoben uns, verabschiedeten uns, er reichte mir freundlich die Hand, und ich verließ das Zimmer.«

»Ich kleidete mich nun in meine gewöhnlichen Kleider und ließ fragen, ob Alfred Zeit habe, mich zu begleiten und mir etwas von dem Hause und dem Garten zu zeigen. Man antwortete, daß Alfred gleich kommen werde und daß er hinlänglich Zeit habe. Die Mutter führte den Knaben selbst zu mir, und sie brachte auch einen Diener mit, welcher einen Bund Schlüssel trug und den Auftrag hatte, mir die Räume des Hauses zu zeigen. Der Diener war ein alter Mann und schien die Aufsicht über die andern Dienstleute zu haben. Die Mutter entfernte sich sogleich wieder. Ich sprach einige freundliche Worte mit dem Knaben, welcher über sieben Jahre alt schien, er erwiderte diese Worte unbefangen und, wie ich glaubte, zutraulich. Dann gingen wir, die Räume des Hauses zu betrachten. Das Haus war nicht alt, es war kein Schloß und mochte in dem siebenzehnten Jahrhunderte gebaut worden sein. Es bestand aus zwei Flügeln, die einen rechten Winkel bildeten und einen Sandplatz einschlossen. Die Zufahrt war aber von entgegengesetzter Seite, daher der Sandplatz, welcher Blumenbeete hatte, mehr einem Garten und einem Spielplatze für die Kinder als einer Anfahrt glich. Es waren auf demselben, und zwar an den Mauern des Hauses, auch Linnendächer zum Aufspannen gegen die Sonne angebracht. Das Haus hatte ein Erdgeschoß und ein Stockwerk. Durch beide lief der Länge nach ein breiter Gang, von dem aus man in die Zimmer gelangen konnte. Die Mauern des Ganges waren schneeweiß, hatten Stuckarbeit, schön vergitterte Fenster und zeigten braune, wohlgebohnte Gemächertüren. An vielen Stellen der Gänge hingen Gemälde. Sie waren durchaus nicht vorzüglich, aber auch bei Weitem nicht so schlecht, als solche Gang- und Treppengemälde gewöhnlich zu sein pflegen. Die Gegenstände, welche auf ihnen abgebildet waren, drehten sich in einem kleinen Kreise: Landschaften mit Ansichten der Umgebung oder merkwürdiger Gebäude, Tiere — vorzüglich Hunde mit Jagdgerätschaften —, Küchengeschirr oder Inneres von Zimmern und anderen Gelassen. Der alte Diener schloß manche Gemächer auf, die im Gebrauche waren; denn das Haus hatte mehr, als die jetzigen Bewohner benützten. Es war ein großer, mit sehr schönen Geräten versehener Saal da, in welchem, wenn es notwendig war, Gesellschaften aufgenommen wurden, dann waren andere Zimmer zu verschiedenem Gebrauche, darunter ein sehr großes Bücherzimmer und die Zimmer für Gäste. Alles war sehr schön eingerichtet und rein und ordentlich gehalten. Als wir das Haus gesehen hatten, sagte Alfred, Raimund, der alte Diener, sei nun nicht mehr vonnöten, den Garten werde er mir schon allein zeigen. Ich war damit einverstanden, verabschiedete den alten Diener und ging mit Alfred ins Freie. Das Erdgeschoß, worin sich die Küche, die Gesindezimmer und dergleichen befanden, hatten wir nicht besucht. Die Ställe und Wagenbehälter waren abseits des Hauses in eigenen Gebäuden. Als wir in das Freie gekommen waren, zeigte sich ein sehr schöner Rasenplatz, der von mannigfaltigen, künstlich angelegten Wegen durchkreuzt war. Auf diesem Rasenplatze standen in ziemlichen Entfernungen sehr große Bäume. Zu jedem führte ein Weg, und fast unter jedem stand ein Bänkchen oder ein Sitz. Alfred führte mich zu den meisten und nannte mir sie. Mich erfreute dieses Zeichen des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit. Er erzählte mir auch, was sie bald unter diesem, bald unter jenem Baume getan und wie sie gespielt hätten. Die Bäume waren Eichen, Linden, Ulmen und eine Anzahl sehr großer Birnbäume. Diese Art von Wald hatte etwas sehr Anmutiges.«