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›Ich darf allein nicht zu dem Teiche gehen‹, sagte Alfred, ›weil ich leicht hinein fallen könnte, und ich gehe auch nicht hin; aber weil du heute bei mir bist, so dürfen wir ihn besuchen. Komme mit, ich habe Brot bei mir, um es den Enten und den Fischen zu geben.‹

»Er faßte mich bei der Hand, und ich ließ mich von ihm führen. Er geleitete mich durch ein kleines Gebüsch zu einem mäßig großen Teiche, der das Merkwürdige hatte, daß auf ihm hölzerne Hüttchen in geringen Entfernungen angebracht waren, die die Bestimmung hatten, daß darin Wildenten nisteten. Das geschah auch reichlich. Es war noch nicht so weit im Sommer, und wir sahen noch manche Mutter mit ihren fast erwachsenen, aber noch nicht flugfähigen Jungen auf dem Wasser herumschwimmen. An den Ufern waren an verschiedenen Stellen Futterbrettchen angebracht. Im Wasser selber bewegte sich eine große Zahl schwerfälliger Karpfen. Alfred zog ein Weißbrot aus seiner Tasche, zerbrach es in kleine Stückchen, warf diese einzeln in das Wasser und hatte seine Freude daran, wenn die Enten und auch manch ungeschickter Mund eines Karpfen darnach haschten. Es schien, daß er mich dieses Zweckes halber zu dem Teiche geführt hatte. Als er mit seinem Brote fertig war, gingen wir weiter. Er sagte: ›Wenn du auch den Garten sehen willst, so werde ich dich schon hinführen.‹«

›Ja, wohl will ich ihn sehen‹, antwortete ich.

»Er führte mich nun aus dem Gebüsche, wir begaben uns auf die entgegengesetzte Seite des Hauses, dort war ein mit einem Gitter umgebener großer Garten, und wir gingen durch das Tor desselben hinein. Blumen, Gemüse, Zwerg- und Lattenobst empfingen uns. In der Ferne sah ich die größeren und wahrscheinlich sehr edlen Obstbäume stehen. Daß mir der Garten um viel mehr gefiel als der Teich, sagte ich Alfred nicht, er mochte es auch nicht wissen. In sehr schöner Art waren hier die Blumen gepflegt, die man gewöhnlich in Gärten findet. Sie hatten nicht bloß ihre ihnen zusagenden Plätze, sondern sie waren auch zu einem sehr schönen Ganzen zusammengestellt. An Gemüsen glaubte ich die besten Arten zu sehen, wie man sie nur immer in den Handlungen der Stadt finden konnte. Zwischen ihnen stand das Zwergobst. Die Gewächshäuser enthielten Blumen, aber auch Früchte. Ein sehr langer Gang, welcher mit Wein überwölbt war, führte uns in den Obstgarten. Die Bäume standen in guten Entfernungen, waren gut gehalten, hatten Grasboden unter sich, und es führten auch hier wieder Wege von einem zum andern. An seiner rechten Seite war dieser Gartenteil von dichtem Haselnußgebüsche begrenzt. Ein Pfad führte uns durch dasselbe hindurch. Wir trafen jenseits einen freien Platz, auf welchem ein ziemlich großes Gartenhaus stand. Es war gemauert, hatte hohe Fenster, ein Ziegeldach und seine Gestalt war ein Sechseck. Die Außenseite dieses Hauses war ganz mit Rosen überdeckt. Es waren Latten an dem Mauerwerke angebracht und an diese Latten waren die Rosenzweige gebunden. Sie standen in Erde vor dem Hause, hatten verschiedene Größe und waren so gebunden, daß die ganzen Mauern überdeckt waren. Da eben die Zeit der Rosenblüte war und diese Rosen außerordentlich reich blühten, so war es nicht anders, als stände ein Tempel von Rosen da und es wären Fenster in dieselben eingesetzt. Alle Farben, von dem dunkelsten Rot, gleichsam Veilchenblau, durch das Rosenrot und Gelb bis zu dem Weiß, waren vorhanden. Bis in eine große Entfernung verbreitete sich der Duft. Ich stand lange vor diesem Hause, und Alfred stand neben mir. Außer den Rosen an dem Gartenhause waren auf dem ganzen Platze Rosengesträuche und Rosenbäumchen in Beeten zerstreut. Sie waren nach einem sinnvollen Plane geordnet, das zeigte sich gleich bei dem ersten Blicke. Alle Stämmchen trugen Täfelchen mit ihrem Namen.«

›Das ist der Rosengarten‹, sagte Alfred, ›da sind viele Rosen, es darf aber keine abgepflückt werden.‹

›Wer pflanzt denn diese Rosen und wer pflegt sie?‹ fragte ich.

›Der Vater und die Mutter‹, antwortete Alfred, ›und der Gärtner muß ihnen helfen.‹

»Ich ging zu allen Rosenbeeten, und ging dann um das ganze Haus herum. Als ich alles betrachtet hatte, gingen wir auch in das Haus hinein. Es war mit Marmor gepflastert, auf dem feine Rohrmatten lagen. In der Mitte stand ein Tisch und an den Wänden Bänkchen, deren Sitze von Rohr geflochten waren. Eine angenehme Kühle wehte in dem Hause; denn die Fenster, durch welche die Sonne herein scheinen konnte, waren durch gegliederte Balken zu schützen. Da wir wieder aus dem Innern dieses Gartenhauses getreten waren, besuchten wir noch einmal den Obstgarten und gingen bis an sein Ende. Da wir an das Gartengitter gekommen waren, sagte Alfred: ›Hier ist der Garten zu Ende und wir müssen wieder umkehren.‹«

»Das taten wir auch, wir gingen wieder zu dem Eingangstore zurück, durchschritten es, begaben uns in das Haus, und ich führte Alfred zu seiner Mutter.«

»Das war das Haus und der Garten in Heinbach, der Besitzung des Herrn und der Frau Makloden.«

»Der erste Tag verging sehr gut, so auch ein zweiter, ein dritter und mehrere. Ich wohnte mich in meine zwei Zimmer ein, und die Stille des Landes tat mir in meiner jetzigen Gemütsverfassung sehr wohl. Für den Unterricht Alfreds war in der Art gesorgt, daß der Graf, dessen Meiereien in der Nähe von Heinbach lagen, und ein Herr von Heinbach, wie man Makloden jetzt auch nannte, eine Summe stifteten und dem Lehrer der Gemeinde Heinbach zulegten unter der Bedingung, daß ein in gewissen Fächern gebildeter Mann stets diese Stelle bekleide, welchen sie in Vorschlag zu bringen das Recht hatten und der die Verbindlichkeit übernahm, die Kinder des Hauses Heinbach und die des Verwalters der Meiereien in ihren Wohnungen zu unterrichten, wofür er aber besonders bezahlt wurde. Die Schule und die Kirche Heinbach waren eine kleine halbe Wegstunde von dem Herrenhause entfernt. Der Lehrer kam jeden Nachmittag herüber und blieb eine Zeit bei Alfred. Mathilde wurde nur mehr in seltenen Stunden noch von ihm unterrichtet. Für Alfred sollte ich die Art der Lehrstunden einrichten, was ich auch im Übereinkommen mit dem Lehrer, der ein sehr bescheidener und nicht ungebildeter junger Mann war, tat. Den Unterricht in gewissen Dingen, jetzt vor allem den Sprachunterricht, behielt ich mir vor. So kam die Sache in den Gang und so ging sie fort.«

»Das Leben in Heinbach war wirklich sehr einfach. Man stand mit der Morgensonne auf, versammelte sich in dem Speisezimmer zum Frühmahle, dem einiges Gespräch folgte, und ging dann an seine Geschäfte. Die Kinder mußten ihre Aufgaben machen, von denen Mathilde besonders von der Mutter manche in einigen Zweigen bekam. Der Vater ging in seine Stube, las, schrieb oder er sah in dem Garten oder in dem kleinen Grundbesitze nach, der zu dem Hause gehörte. Ich war teils in meiner Wohnung mit meinen Arbeiten, die ich in der Stadt begonnen hatte und hier fortsetzte, beschäftigt, teils war ich in Alfreds Zimmer und überwachte und leitete, was er zu tun hatte. Die Mutter stand mir hierin bei, und sie hielt es für ihre Pflicht, noch mehr um Alfred zu sein als ich. Der Mittag versammelte uns wieder in dem Speisezimmer, am Nachmittage waren Lehrstunden und der Rest des Tages wurde zu Gesprächen, zu Spaziergängen, zum Aufenthalte im Garten oder, besonders wenn Regenwetter war, zum gemeinschaftlichen Lesen eines Buches benutzt. Was man im Freien tun konnte, wurde lieber im Freien als in Zimmern abgemacht. Besonders war hiezu der Aufenthalt unter den Linnendächern am Hause geeignet, den die Mutter sehr liebte. Stundenlang war sie mit irgend einer weiblichen Arbeit und die Kinder mit ihrem Schreibzeuge oder mit Büchern auf diesem Platze beschäftigt. Dies war besonders der Fall, wenn die Vormittagssonne die Luft durchwürzte und doch noch nicht so viel Kraft hatte, die Mauern zu erhitzen und den Aufenthalt an ihnen zu verleiden. Auch wurden die mannigfaltigen Bänkchen auf dem Rasenplatze, vor welche man Tischchen stellte, und das Innere des Rosenhauses benützt. Zuweilen wurden größere Spaziergänge verabredet. An solchen Tagen waren keine Lehrstunden, man bestimmte die Zeit, in welcher fortgegangen werden sollte, alle mußten gerüstet sein, und mit dem betreffenden Glockenschlage wurde aufgebrochen. Wir besuchten zuweilen einen Berg, einen Wald oder gingen durch schöne, ansprechende Gründe. Manches Mal war es auch eine Ortschaft, in welche wir uns begaben. Um das Haus lagen in geringen Entfernungen Besitztümer von Familien, mit denen die Bewohner von Heinbach Umgang pflegten. Öfter fuhr ein Wagen vor unserem Hause vor, öfter fuhr der unsere in die Nachbarschaft. Die Kinder mischten sich zur Geselligkeit und ältere traten zusammen. Die Mutter Alfreds sah es gerne, wie sie mir sagte, wenn eine Freundin Mathildens bei ihr durch längere Zeit verweilte, sie aber konnte sich nie entschließen, ihre Tochter zu anderen Leuten auf Besuch zu geben. Sie wollte nicht getrennt sein. Auch, meinte sie, würde sich Mathilde fern von ihr nicht wohl fühlen. Von Künsten wurde bei wechselseitigen Besuchen vorzüglich die Musik geübt. Es war der Gesang, der gepflegt wurde, das Clavier, und zu vierstimmigen Darstellungen die Geigen. Der Vater Alfreds schien mir ein Meister auf der Geige zu sein. Wir hörten solchen Vorstellungen zu. Wir Unbeschäftigten sahen aber auch sehr gerne zu, wenn die Kinder auf dem Rasenplatze hüpften und sich in ihren Spielen ergötzten. Bei alle dem besorgte die Mutter Alfreds aber auch ihr ausgedehntes Hauswesen. Sie gab den Dienern und Mägden hervor, was das Haus brauchte, sorgte für die richtige und zweckmäßige Verwendung, leitete die Einkäufe und ordnete die Arbeiten an. Die Bekleidung des Herrn, der Frau und der Kinder war sehr ausgezeichnet, aber auch sehr einfach und wohlbildend. Nach dem Abendessen saß man oft noch eine geraume Weile in Gesprächen bei dem Tische, und dann suchte jedes sein Zimmer.«