»Joseph, bist du wieder in der Gegend?« fragte ich ihn.
»So recht nicht«, antwortete er, »ich bin gekommen, Euch auf der Hochzeit einmal gut aufzuspielen.«
»Das hast du getan und das kann keiner so«, sagte ich, »du sollst dafür eine Freude haben, und ich weiß dir eine zu verschaffen, welche dir die größte ist. Bessere Hände können das, was ich dir geben will, nicht fassen als die deinen. Das Rechte muß zusammenkommen. Ich bin dir ohnehin auch noch einen Dank schuldig für dein eifriges Lehren und für deine Begleitung im Gebirge.«
»Dafür habt ihr mich bezahlt, und das Heutige tat ich freiwillig«, sagte er.
»Warte nur einige Tage hier, dann wirst du empfangen, was ich meine«, sprach ich.
»Ich warte gerne«, erwiderte er.
»Du sollst gut gehalten sein«, sagte ich.
Indessen waren alle Andern auch herbeigekommen und überschütteten den Mann mit Lob. Risach lud ihn ein, eine Weile in seinem Hause zu bleiben. Er spielte noch einige Weisen, er vergaß beinahe, daß ihm jemand zuhöre, spielte sich hinein und hörte endlich auf, ohne auf die Umstehenden Rücksicht zu nehmen, genau so, wie er es immer tat. Wir entfernten uns dann.
Ich rief sogleich den Hausverwalter herbei, sagte ihm, er möge mir einen Boten besorgen, welcher auf der Stelle in das Echerthal abzugehen bereit sei. Der Hausverwalter versprach es. Ich schrieb einige Zeilen an den Zithermacher, legte das nötige Geld bei, versprach noch mehr zu senden, wenn es nötig sein sollte, und verlangte, daß er die dritte Zither, welche die gleiche von der meinigen und der meiner Schwester sei, in eine Kiste wohlverpackt dem Boten mitgebe, der den Brief bringt. Der Bote erschien, ich gab ihm das Schreiben und die nötigen Weisungen, und er versprach, die heutige Nacht zu Hilfe zu nehmen und in kürzester Frist zurück zu sein. Ich hielt mich nun für sicher, daß nicht etwa im letzten Augenblicke die Zither wegkomme, wenn sie überhaupt noch da sei.
Indessen war es tief Abend geworden. Ich ging mit Natalien und Klotilden noch einmal zu dem Cereus peruvianus, der im Lampenlicht fast noch schöner war. Simon schien bei ihm wachen zu wollen. Immer gingen Leute ab und zu. Joseph hörten wir auch noch einmal spielen. Er spielte in der großen unteren Stube, wir traten ein, er hatte guten Wein vor sich, den ihm Risach gesendet hatte. Das ganze Hausvolk war um ihn versammelt. Wir hörten lange zu, und Klotilde begriff jetzt, warum ich im Gebirge so gestrebt habe, daß sie diesen Mann höre.
Ein Teil der Gäste hatte noch heute das Haus verlassen, ein anderer wollte es bei Anbruch des nächsten Tages tun und einige wollten noch bleiben.
Im Laufe des folgenden Vormittages, da sich die Zahl der Anwesenden schon sehr gelichtet hatte, kamen noch einige Geschenke zum Vorscheine. Risach führte uns in das Vorratshaus, welches neben dem Schreinerhause war. Dort hatte man einen Platz geschafft, auf welchem mehrere mit Tüchern verhüllte Gegenstände standen. Risach ließ den ersten enthüllen, es war ein kunstreich geschnittener Tisch und hatte den Marmor als Platte, welchen ich einst meinem Gastfreunde gebracht hatte, und über dessen Schicksal ich später in Ungewißheit war.
»Die Platte ist schöner als tausende«, sagte Risach, »darum gebe ich das Geschenk meines einstigen Freundes in dieser Gestalt meinem jetzigen Sohne. Keinen Dank, bis alles vorüber ist.«
Nun wurde ein großer, hoher Schrein enthüllt.
»Ein Scherz von Eustach an dich, mein Sohn«, sagte Risach.
Der Schrein war von allen Hölzern, welche unser Land aufzuweisen hat, in eingelegter Arbeit verfertigt. Eustach hatte die Zusammenstellung entworfen. Die Sache sah außerordentlich reizend aus. Ich hatte bei meinem Winterbesuche im Asperhofe an diesem Schreine arbeiten gesehen. Ich hatte damals die Ansammlung von Hölzern seltsam gefunden, auch hatte ich den Zweck des Schreines nicht erkannt. Er war in mein Arbeitszimmer für meine Mappen bestimmt.
Zuletzt wurden mehrere Gegenstände enthüllt. Es waren die Ergänzungen zu meines Vaters Vertäflungen. Das war gleich auf den ersten Blick zu erkennen und erregte Freude; aber ob sie die rechten oder nachgebildete seien, war nicht zu entscheiden. Risach klärte alles auf. Es waren nachgebildete. Zu diesem Behufe hatte man von mir die Abbildungen der Vertäflungen des Vaters verlangt. Roland hatte vergeblich nach den echten geforscht. Er hatte Messungen nach den vorhandenen Resten vorgenommen und nach Orten gesucht, auf welche die Messungen paßten. In einem abgelegenen Teile der Holzbauten des steinernen Hauses hatte er endlich Bohlen gefunden, welche den Messungen genau entsprachen. Die Bohlen waren teils vermorscht, teils zerrissen und trugen die Verletzungen, wie man die Schnitzereien von ihnen herab gerissen hatte. Es war nun fast gewiß, daß die Ergänzungen verloren gegangen seien. Man machte daher die Nachbildungen. In demselben Winterbesuche hatte ich auch das Bohlenwerk zu diesen Schnitzereien gesehen. Mein Vater erklärte die Arbeit für außerordentlich schön.
»Sie hat auch lange gedauert, mein lieber Freund«, sagte Risach, »aber wir haben sie für dich zu Stande gebracht, und sie wird genau in dein Glashäuschen passen oder leicht einzupassen sein; außer du zögest vor, die Schnitzereien in den Drenhof bringen zu lassen.«
»So wird es auch geschehen, mein Freund«, sagte mein Vater.
Nun ging es erst an ein Danksagen und an ein Ausdrücken der Freude. Die Geber lehnten jeden Dank von sich ab. Man beschloß, die Gegenstände in kurzer Zeit auf ihren Bestimmungsort zu bringen.
An diesem Tage und in den folgenden verließen uns nach und nach alle Fremden, und erst jetzt begann ein liebes Leben unter lauter Angehörigen. Risach hatte für mich und Natalien eine sehr schöne Wohnung herrichten lassen. Sie konnte nicht groß sein, war aber sehr zierlich. In den zwei Jahren meiner Abwesenheit waren ihre Wände bekleidet und waren neue, ausgezeichnete Geräte für sie angeschafft worden. Wir beschlossen aber, unsere regelmäßige Wohnung so lange in dem Sternenhofe aufzuschlagen, bis ihn Gustav würde übernehmen können, damit Mathilde in der Zwischenzeit nicht zu vereinsamt wäre. Dabei würde ich oft in den Asperhof kommen, um mit Risach zu beratschlagen oder zu arbeiten, oft würden auch die Andern kommen, und oft würden wir uns da oder im Gusterhofe oder im Sternenhofe oder in der Stadt besuchen und zeitweilig dort wohnen. Mit Natalien hatte ich eine größere Reise vor. Für den Fall, daß ich in was immer für Angelegenheiten abwesend sein sollte, nahm jedes Haus das Recht in Anspruch, Natalien beherbergen zu dürfen. Der Zitherspieler spielte täglich und oft ziemlich lange vor uns. Am fünften Tage kam die Zither. Ich überreichte sie ihm, und er, da er sie erkannte, wurde fast blaß vor Freude. Dieses Geschenk durfte das beste für ihn genannt werden; von diesem Geschenke wird er sich nicht trennen, während es von jedem andern zweifelhaft wäre, ob er es nicht verschleudere. Als er die Zither gestimmt und auf ihr gespielt hatte, sahen wir erst, wie trefflich sie sei. Er wollte fast gar nicht aufhören zu spielen. Risach ließ ihm noch über ihr Fach ein wasserdichtes Lederbehältnis machen. Nach mehreren Tagen nahm er Abschied und verließ uns.
Wir machten alle eine kleine Reise in das Ahornwirtshaus, und ich stellte Kaspar und alle Andern, die mit mir in Verbindung gewesen waren, Risach, Mathilden, meinen Eltern und Natalien vor. Wir blieben sechs Tage in dem Ahornhause. Von da gingen wir in den Sternenhof. Die Tünche war nun überall von ihm weggenommen worden, und er stand in seiner reinen, ursprünglichen Gestalt da. Auch hier wurden wir in die Wohnung eingeführt, die während meiner Abwesenheit für uns hergestellt worden war. Sie konnte in dem weitläufigen Gebäude viel größer sein als die im Asperhofe. Sie war zu einer vollständigen Haushaltung hergerichtet.