Von dem Sternenhofe gingen wir in die Stadt. Dort machten wir alle Besuche, welche in den Kreisen meiner Eltern und in denen Mathildens notwendig waren. Risach stellte manchem Freunde seine angenommene und neuvermählte Tochter nebst ihrem Gatten und ihrer Mutter vor. Ich erfuhr, daß meine Vermählung mit Natalie Tarona Aufsehen errege; ich erfuhr, daß insbesondere einige meiner Freunde — sie hatten sich wenigstens immer so genannt — geäußert haben, das sei unbegreiflich. Nataliens Neigung zu mir war mir stets ein Geschenk und daher unbegreiflich; da aber nun diese es aussprachen, begriff ich, daß es nicht unbegreiflich sei. Ich besuchte meinen Juwelenfreund, der wirklich ein Freund geblieben war. Er hatte die innigste Freude über mein Glück. Ich führte ihn in unsere Familien ein. Bekannt war er mit allen Teilen schon lange gewesen. Ich dankte ihm sehr für die prachtvolle Fassung der Diamanten und Rubinen und des Smaragdschmuckes. Er fühlte sich über Risachs und meines Vaters Urteil sehr beglückt.
»Wenn wir solche Kunden in großer Zahl hätten, wie diese zwei Männer sind, teurer Freund«, sagte er, »dann würde unsere Beschäftigung bald an die Grenzen der Kunst gelangen, ja sich mit ihr vereinigen. Wir würden freudig arbeiten, und die Käufer würden erkennen, daß die geistige Arbeit auch einen Preis habe wie die Steine und das Gold.«
Ich nahm bei ihm eine sehr wertvolle und mit Kunst verzierte Uhr als Gegenscherz für Eustachs Mappenschrein. Klotilde hatte sie ausgewählt. Für Roland ließ ich einen Rubin in einen Ring fassen, daß er ihn zur Erinnerung an mich trage und meine Dankbarkeit für seine Bemühungen zur Auffindung der Ergänzungen der Pfeilerverkleidungen anerkenne.
»Er ist ohnehin ein Nebenbuhler von mir«, sagte ich, »er hat Natalien oft lange und bedeutend angesehen.«
»Das hat einen sehr unschuldigen Grund«, entgegnete mein Gastfreund, »Roland erwarb sich ein Liebchen mit gleichen Augen und Haaren, wie sie Natalie besitzt. Er hat uns das öfter gesagt. Das Mädchen ist die Tochter eines Forstmeisters im Gebirge und ihm äußerst zugetan. Da nun der Arme ihren Anblick oft lange entbehren muß, so sah er zur Erquickung Natalien an. Es hat Schwierigkeiten mit diesem jungen Manne, ich wünsche sein Wohl. Er kann ein bedeutender Künstler werden oder auch ein unglücklicher Mensch, wenn sich nehmlich sein Feuer, das der Kunst entgegen wallt, von seinem Gegenstande abwendet und sich gegen das Innere des jungen Mannes richtet. Ich hoffe aber, daß ich alles werde ins Gleiche bringen können.«
Da alle notwendigen Dinge in der Stadt abgetan waren, wurde die Rückreise angetreten, und zwar in den Asperhof. Die Zeit der Rosenblüte war herangerückt, und heuer sollte sie von den vereinigten Familien als ein Denkzeichen der Vergangenheit und aber auch als eins der Zukunft zum ersten Male in dieser Vereinigung und mit besonderer Festlichkeit begangen werden. Mein Vater sollte sehen, welche Gewalt die Menge und die Mannigfaltigkeit auszuüben im Stande ist, wenn diese Menge und Mannigfaltigkeit auch nur lauter Rosen sind. Nach Verlauf der Rosenblüte sollte alles und jedes, das durch diese Vermählung unterbrochen worden war, in das alte Geleise zurückkehren.
Da wir in dem Asperhofe angekommen waren, gelangte ich erst zu einiger Ruhe. Da sah ich auch gelegentlich die Papiere an, die uns Risach und der Vater gegeben hatten, und erstaunte sehr. Beide enthielten für uns viel mehr, als wir nur entfernt vermutet hatten. Risach wollte bis zu seinem Tode das Haus in der Art wie bisher fort bewirtschaften, damit, wie er sagte, er seinen Nachsommer bis zum Ende ausgenießen könne. Unser Rat und unsere Hilfe in der Bewirtschaftung wird ihm Freude machen. Einen namhaften Teil seiner Barschaft hatte er uns übergeben. Und weil öfter zwei Familien in dem Asperhofe sein können, so lagen den Papieren Pläne bei, daß auf einem schönen Platze zwischen dem Rosenhause und dem Meierhofe, hart am Getreide, ein neues Haus aufgeführt und sogleich zum Baue geschritten werden möge. Aber auch das von dem Vater uns Übergebene war der gesammten Habe Risachs ebenbürtig und übertraf weit meine Erwartungen. Als wir unsern Dank abstatteten und ich mein Befremden ausdrückte, sagte der Vater: »Du kannst darüber ganz ruhig sein; ich tue mir und Klotilden keinen Abbruch. Ich habe auch meine heimlichen Freuden und meine Leidenschaften gehabt. Das geben verachtete bürgerliche Gewerbe eben, bürgerlich und schlicht betrieben. Was unscheinbar ist, hat auch seinen Stolz und seine Größe. Jetzt aber will ich der Schreibstubenleidenschaft, die sich nach und nach eingefunden, Lebewohl sagen und nur meinen kleineren Spielereien leben, daß ich auch einen Nachsommer habe wie dein Risach.«
Als wir einige Zeit in dem Rosenhause verweilt hatten, traten eines Tages Natalie und ich zu unserem neuen Vater und baten ihn, er möge ein Versprechen von uns annehmen, dessen Annahme uns sehr freuen wurde.
»Uns was ist das?« fragte er.
»Daß wir, wenn du uns dereinst in dieser Welt früher verlassen solltest als wir dich, keine Veränderung in allem, wie es sich in dem Hause und in der Besitzung vorfindet, machen wollen, damit dein teures Andenken bestehe und forterbe«, sagten wir.
»Da tut ihr zu viel«, antwortete er, »ihr verspreche etwas, dessen Größe ihr nicht kennt. Diese Bande darf ich nicht um euren Willen und eure Verhältnisse legen, sie könnten von den übelsten Folgen sein. Wollt ihr mein Gedächtnis in mannigfachem Bestehenlassen ehren, tut es und pflanzt auch euren Nachkommen diesen Sinn ein, sonst ändert, wir ihr wünscht und wie es not tut. Wir wollen, so lange ich lebe, selber noch mit einander ändern, verschönern, bauen; ich will noch eine Freude haben, und mit euch zu ändern und zu wirken ist mir lieber, als wenn ich es allein tue.«
»Aber der Erlenbach muß als Denkmal der schönen Geräte bestehen bleiben.«
»Setzt eine Urkunde auf, daß ihm nichts angetan werde von Geschlecht zu Geschlecht, bis seine Reste vermodern oder ein Wolkenguß ihn von seiner Stelle feget.«
Er küßte Natalien, wie er gerne tat, auf die Stirne, mir reichte er die Hand.
Als die Rosenzeit wirklich recht innig und zum Staunen meiner Angehörigen, welche so etwas nie gesehen hatten, vorüber gegangen war, nahmen wir Abschied, die Vereinigung, welche nun so lange bestanden hatte, löste sich und die Tage kehrten in ihren gewöhnlichen Abfluß zurück. Meine Eltern gingen mit Klotilden in den Gusterhof, wo sie bis zum Winter bleiben wollten, und ich siedelte mit Natalien in unsere ständige Wohnung in den Sternenhof über. Wir sollten nun die eigentliche Familie desselben sein, Mathilde werde bei uns wohnen und mit an unserem Tische speisen. Die Bewirtschaftung des Gutes sollte ebenfalls ich leiten. Ich übernahm die Pflicht und bat um Mathildens Beihilfe, so ausgedehnt sie dieselbe leisten wolle. Sie sagte es zu.
So rückte nun die Zeit in ihr altes Recht, und ein einfaches, gleichmäßiges Leben ging Woche nach Woche dahin.
Nur im Herbste fand eine Abwechslung statt. Die Vettern aus dem Geburtshause des Vaters besuchten meine Eltern in dem Gusterhofe. Wir fuhren zu ihnen hinüber. Der Vater ließ sie reichlich beschenkt in einem Wagen in ihre Heimat zurückführen.
Mit Beginn des Winters war Rolands Bild fertig. Es war seiner Größe willen zu rollen, hatte einen großen Goldrahmen, der zu zerlegen war, und wurde in dem Marmorsaale auf einer Staffelei aufgestellt. Wir reisten alle in den Asperhof. Das Bild wurde vielfach betrachtet und besprochen. Roland war in einer gehobenen, schwebenden Stimmung; denn was auch die Meinung seiner Umgebung war, wie sehr sie auch das Hervorgebrachte lobte und wohl auch Hindeutungen gab, was noch zu verbessern wäre: so mochte ihm sein Inneres versprechen, daß er einmal vielleicht noch weit Höheres, ja ein ganz Großes zu Stande zu bringen vermögen werde. Risach sagte ihm die Mittel zu, reisen zu können und ordnete die Zubereitung zu einer baldigen Abreise nach Rom an. Gustav mußte noch den Winter im Asperhofe zubringen. Im Frühlinge sollte er endlich in die Welt gehen.