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So waren nun mannigfaltige Beziehungen geordnet und geknöpft.

Mathilde hatte einmal, da ich sie im Sternenhofe besuchte, zu mir gesagt, das Leben der Frauen sei ein beschränktes und abhängiges, sie und Natalie hätten den Halt von Verwandten verloren, sie müßten Manches aus sich schöpfen wie ein Mann und in dem Widerscheine ihrer Freunde leben. Das sei ihre Lage, sie daure ihrer Natur nach fort und gehe ihrer Entwicklung entgegen. Ich hatte mir die Worte gemerkt und hatte sie tief ins Herz genommen.

Ein Teil dieser Entwicklung, glaubte ich nun, war gekommen, der zweite wird mit Gustavs Ansiedlung eintreten. An mir hatten die Frauen wieder einen Halt gewonnen, daß sich ein fester Kern ihres Daseins wieder darstelle; ein neues Band war durch mich von ihnen zu den Meinigen geschlungen, und selbst das Verhältnis zu Risach hatte an Rundung und Festigkeit gewonnen. Den Abschluß der Familienzusammengehörigkeit wird dann Gustav bringen.

Was mich selber anbelangt, so hatte ich nach der gemeinschaftlichen Reise in die höheren Lande die Frage an mich gestellt, ob ein Umgang mit lieben Freunden, ob die Kunst, die Dichtung, die Wissenschaft das Leben umschreibe und vollende oder ob es noch ein Ferneres gäbe, das es umschließe und es mit weit größerem Glück erfülle. Dieses größere Glück, ein Glück, das unerschöpflich scheint, ist mir nun von einer ganz anderen Seite gekommen als ich damals ahnte. Ob ich es nun in der Wissenschaft, der ich nie abtrünnig werden wollte, weit werde bringen können, ob mir Gott die Gnade geben wird, unter den Großen derselben zu sein, das weiß ich nicht; aber eines ist gewiß, das reine Familienleben, wie es Risach verlangt, ist gegründet, es wird, wie unsre Neigung und unsre Herzen verbürgen, in ungeminderter Fülle dauern, ich werde meine Habe verwalten, werde sonst noch nutzen, und jedes, selbst das wissenschaftliche Bestreben, hat nun Einfachheit, Halt und Bedeutung.

Über den Autor

Adalbert Stifter, geb. 1805 in Oberplan/Böhmerwald), war der Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers. Nach der Gymnasiumszeit im Benediktinerstift Kremsmünster studierte er ab 1826 die Rechte in Wien, ohne aber eine Schlußprüfung zu absolvieren. In den 1830er Jahren bewarb er sich mehrmals erfolglos um Anstellungen als Lehrer und verdiente dann seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer. Nachdem ihm 1840 die Veröffentlichung der Erzählungen ›Der Condor‹ und ›Feldblumen‹ erste Erfolge gebracht hatte, lebte er bis 1850 als freier Schriftsteller. Nach den Märzunruhen von 1848 in Wien zog sich Stifter nach Linz zurück, wurde zum Schulrat ernannt, 1853 von der »Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst und historischen Denkmale« zum Konservator für Oberösterreich bestellt.

1865 trat Stifter, wohl seit 1863 unheilbar erkrankt, durch lästige Verwaltungsarbeit und finanzielle Bedrängnis verbittert, in den Ruhestand. Nach einem Selbstmordversuch starb er 1868 in Linz.