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Das Bilderzimmer führte durch die dritte Tür des Marmorsaales wieder in denselben zurück, und so hatten wir die Runde in diesen Gemächern vollendet.

»Das ist nun meine Wohnung«, sagte mein Begleiter, »sie ist nicht groß und von außerordentlicher Bedeutung, aber sie ist sehr angenehm. In dem anderen Flügel des Hauses sind die Gastzimmer, welche beinahe alle dem gleichen, in welchem ihr heute Nacht geschlafen habt. Auch ist Gustavs Wohnung dort, die wir aber nicht besuchen können, weil wir ihn sonst in seinem Lernen stören würden. Durch den Saal und über die Treppe können wir nun wieder in das Freie gelangen.«

Als wir den Saal durchschritten hatten, als wir über die Treppe hinabgegangen und zu dem Ausgange des Hauses gekommen waren, legten wir die Filzschuhe ab, und mein Begleiter sagte: »Ihr werdet euch wundern, daß in meinem Hause Teile sind, in welchen man sich die Unbequemlichkeit auflegen muß, solche Schuhe anzuziehen; aber es kann mit Fug nicht anders sein, denn die Fußböden sind zu empfindlich, als daß man mit gewöhnlichen Schuhen auf ihnen gehen könnte, und die Abteilungen, welche solche Fußböden haben, sind ja auch eigentlich nicht zum Bewohnen, sondern nur zum Besehen bestimmt, und endlich gewinnt sogar das Besehen an Wert, wenn man es mit Beschwerlichkeit erkaufen muß. Ich habe in diesen Zimmern gewöhnlich weiche Schuhe mit Wollsohlen an. In mein Arbeitszimmer kann ich auch ohne allen Umweg gelangen, da ich in dasselbe nicht durch den Saal gehen muß, wie wir jetzt getan haben, sondern da von dem Erdgeschosse ein Gang in das Zimmer hinaufführt, den ihr nicht gesehen haben werdet, weil seine beiden Enden mit guten Tapetentüren geschlossen sind. Der Pfarrer von Rohrberg leidet an der Gicht und verträgt heiße Füße nicht, daher belege ich für ihn, wenn er anwesend ist, die Treppe oder die Zimmer mit einem Streifen von Wollstoff, wie ihr es gestern gesehen habt.«

Ich antwortete, daß die Vorrichtung sehr zweckmäßig sei und daß sie überall angewendet werden muß, wo kunstreiche oder sonst wertvolle Fußböden zu schonen sind.

Da wir nun im Garten waren, sagte ich, indem ich mich umwendete und das Haus betrachtete: »Eure Wohnung ist nicht, wie ihr sagt, von geringer Bedeutung. Sie wird, so viel ich aus der kurzen Besichtigung entnehmen konnte, wenige ihres Gleichen haben. Auch hatte ich nicht gedacht, daß das Haus, wenn ich es so von der Straße aus sah, eine so große Räumlichkeit in sich hätte.«

»So muß ich euch nun auch noch etwas anderes zeigen«, erwiderte er, »folgt mir ein wenig durch jenes Gebüsch.«

Er ging nach diesen Worten voran, ich folgte ihm. Er schlug einen Weg gegen dichtes Gebüsch ein. Als wir dort angekommen waren, ging er auf einem schmalen Pfade durch dessen Verschlingung fort. Endlich kamen sogar hohe Bäume, unter denen der Weg dahin lief. Nach einer Weile tat sich ein anmutiger Rasenplatz vor uns auf, der wieder ein langes, aus einem Erdgeschosse bestehendes Gebäude trug. Es hatte viele Fenster, die gegen uns hersahen. Ich hatte es früher weder von der Straße aus erblickt noch von den Stellen des Gartens, auf denen ich gewesen war. Vermutlich waren die Bäume daran Schuld, die es umstanden. Da wir uns näherten, ging ein feiner Rauch aus seinem Schornsteine empor, obwohl, da es Sommer war, keine Einheizzeit, und da es noch so früh am Vormittage war, keine Kochzeit die Ursache davon sein konnte. Als wir näher kamen, hörte ich in dem Hause ein Schnarren und Schleifen, als ob in ihm gesägt und gehobelt würde. Da wir eingetreten waren, sah ich in der Tat eine Schreinerwerkstätte vor mir, in welcher tätig gearbeitet wurde. An den Fenstern, durch welche reichliches Licht hereinfiel, standen die Schreinertische und an den übrigen Wänden, welche fensterlos waren, lehnten Teile der in Arbeit begriffenen Gegenstände. Hier fand ich wieder eine Ähnlichkeit mit meinem Vater. So wie er sich einen jungen Mann abgerichtet hatte, der ihm seine altertümlichen Geräte nach seiner Angabe wieder herstellte, so sah ich hier gleich eine ganze Werkstätte dieser Art; denn ich erkannte aus den Teilen, die herumstanden, daß hier vorzüglich an der Wiederherstellung altertümlicher Gerätschaften gearbeitet werde. Ob auch Neues in dem Hause verfertigt werde, konnte ich bei dem ersten Anblicke nicht erkennen.

Von den Arbeitern hatte jeder einen Raum an den Fenstern für sich, der von dem Raume seines Nachbars durch gezogene Schranken abgesondert war. Er hatte seine Geräte und seine eben notwendigen Arbeitsstücke in diesem Raume bei sich, das Andere, was er gerade nicht brauchte, hatte er an der Hinterwand des Hauses hinter sich, so daß eine übersichtliche Ordnung und Einheit bestand. Es waren vier Arbeiter. In einem großen Schreine, der einen Teil der einen Seitenwand einnahm, befanden sich vorrätige Werkzeuge, welche für den Fall dienten, daß irgend eines unversehens untauglich würde und zu seiner Herstellung zu viele Zeit in Anspruch nähme. In einem andern Schreine an der entgegengesetzten Seitenwand waren Fläschchen und Büchschen, in denen sich die Flüssigkeiten und andere Gegenstände befanden, die zur Erzeugung von Firnissen, Polituren oder dazu dienten, dem Holze eine bestimmte Farbe oder das Ansehen von Alter zu geben. Abgesondert von der Werkstube war ein Herd, auf welchem das zu Schreinerarbeiten unentbehrliche Feuer brannte. Seine Stätte war feuerfest, um die Werkstube und ihren Inhalt nicht zu gefährden.

»Hier werden Dinge«, sagte mein Begleiter, »welche lange vor uns, ja oft mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeit verfertigt worden und in Verfall geraten sind, wieder hergestellt, wenigstens soweit es die Zeit und die Umstände nur immer erlauben. Es wohnt in den alten Geräten beinahe wie in den alten Bildern ein Reiz des Vergangenen und Abgeblühten, der bei dem Menschen, wenn er in die höheren Jahre kömmt, immer stärker wird. Darum sucht er das zu erhalten, was der Vergangenheit angehört, wie er ja auch eine Vergangenheit hat, die nicht mehr recht zu der frischen Gegenwart der rings um ihn Aufwachsenden paßt. Darum haben wir hier eine Anstalt für Geräte des Altertums gegründet, die wir dem Untergange entreißen, zusammenstellen, reinigen, glätten und wieder in die Wohnlichkeit einzuführen suchen.«

Es wurde, da ich mich in dem Schreinerhause befand, eben an der Platte eines Tisches gearbeitet, die, wie mein Begleiter sagte, aus dem sechzehnten Jahrhunderte stammte. Sie war in Hölzern von verschiedener, aber natürlicher Farbe eingelegt. Bloß wo grünes Laub vorkam, war es von grüngebeiztem Holze. Von außen war eine Verbrämung von in einander geschlungenen und schneckenartig gewundenen Rollen, Laubzweigen und Obst. Die innere Fläche, welche von der Verbrämung durch ein Bänderwerk von rotem Rosenholze abgeschnitten war, trug auf einem Grunde von braunlich weißem Ahorne eine Sammlung von Musikgeräten. Sie waren freilich nicht in dem Verhältnisse ihrer Größen eingelegt. Die Geige war viel kleiner als die Mandoline, die Trommel und der Dudelsack waren gleich groß und unter beiden zog sich die Flöte wie ein Weberbaum dahin. Aber im Einzelnen erschienen mir die Sachen als sehr schön, und die Mandoline war so rein und lieblich, wie ich solche Dinge nicht schöner auf den alten Gemälden meines Vaters gesehen hatte. Einer der Arbeiter schnitt Stücke aus Ahorn, Buchs, Sandelholz, Ebenholz, türkisch Hasel und Rosenholz zurecht, damit sie in ihrer kleineren Gestalt gehörig austrocknen konnten. Ein anderer löste schadhafte Teile aus der Platte und ebnete die Grundstellen, um die neuen Bestandteile zweckmäßig einsetzen zu können. Der dritte schnitt und hobelte die Füße aus einem Ahornbalken und der vierte war beschäftigt, nach einer in Farben ausgeführten Abbildung der Tischplatte, die er vor sich hatte, und aus einer Menge von Hölzern, die neben ihm lagen, diejenigen zu bestimmen, die den auf der Zeichnung befindlichen Farben am meisten entsprächen. Mein Begleiter sagte mir, daß das Gerüste und die Füße des Tisches verlorengegangen seien und neu gemacht werden mußten.

Ich fragte, wie man das einrichte, daß das Neue zu dem Vorhandenen passe.

Er antwortete: »Wir haben eine Zeichnung gemacht, die ungefähr darstellte, wie die Füße und das Gerüste ausgesehen haben mögen.«