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t eines alten Meisters vor uns aufstand, so war es nicht bloß das Gefühl eines Erschaffens, das uns beseelte, sondern das noch viel höhere eines Wiederbelebens eines Dinges, das sonst verloren gewesen wäre und das wir selber nicht hätten erschaffen können. Als schon bereits einige Teile des Bildes fertig waren, zeigte es sich, daß die Farben reiner und glänzender seien, als wir gedacht hatten, und daß das Bild einen vorzüglicheren Wert habe, als Anfangs unsere Vermutung war. So lange die vielen Sprünge und farblosen Stellen und so lange die unreinen Flecke, die wir nicht hatten beseitigen können, auf dem Gemälde waren, übten sie auch auf das Nichtzerstörte und sogar auf das sehr wohl Erhaltene einen Einfluß aus und ließen es im Ganzen mißfärbiger erscheinen, als es war. Nachdem aber in einer ziemlich großen Fläche die widerstreitenden Stellen mit den entsprechenden Farben zugedeckt waren und die neue Farbe die alte, statt ihr zu widersprechen, unterstützte, so kam eine Reinheit, ein Schmelz, eine Durchsichtigkeit und sogar ein Feuer zu Stande, daß wir in Erstaunen gerieten; denn bei starkbeschädigten Bildern kann man die Folgerichtigkeit der Übergänge nicht beurteilen, bis man sie nicht vollendet vor sich hat. Freilich mochte der besondere Farbenfluß sich noch höher darstellen, da er von den unverbesserten und widerwärtigen Stellen umgeben und gehoben wurde; aber das war schon vorauszusehen, daß, wenn das ganze Bild fertig sein würde, seine Stimmung einen entschieden künstlerischen Eindruck machen müsse. Ich hatte während der Arbeit viele Mühe darauf verwendet, die ganze Geschichte und die Herkunft des Bildes zu erforschen; allein ich kam zu keinem Ergebnisse. Der Soldat, der die Leinwand aus Italien geschickt hatte, war längst gestorben, und es lebte überhaupt niemand mehr, der in näherer Beziehung zu dem Ereignisse gestanden wäre; denn dasselbe hatte sich weit früher zugetragen, als ich gedacht hatte. Der Großvater des letzten Besitzers des Bildes hatte öfter erzählt, daß er sagen gehört habe, daß ein aus dem Hause gebürtiger Soldat einmal seine Strümpfe und Hemden in ein Muttergottesbild eingewickelt aus Welschland nach Hause geschickt habe. Die Wahrheit der Erzählung bestätigte sich dadurch, daß man noch das alte zerstörte Marienbild auf dem Dachboden des Hauses fand. Ich konnte auch nicht ergründen, welche Gelegenheit es gewesen sei, die jenen deutschen Soldaten nach Welschland geführt hatte. Von dem, herauszufinden, aus welcher Gegend Italiens das Bild gekommen sei, konnte nun vollends gar keine Rede mehr sein. Als nach langer Zeit, nach vieler Mühe und mancher Unterbrechung das Gemälde in einem schönen, altertümlich gearbeiteten Goldrahmen fertig vor uns stand, war es eine Art Fest für uns. Roland war herbei gerufen worden, da er gegen den Schluß des Werkes eine Reise angetreten und die Vollendung seinem Bruder überlassen hatte. Mehrere Nachbaren waren geladen worden, ja ein Freund und Kenner alter Kunst, dem ich die Sache gemeldet hatte, war sogar von ziemlich weiter Entfernung herzugekommen, um die Wiederherstellung zu sehen, und Andere, wenn sie auch nicht geladen waren, hatten sich eingefunden, da sie durch Zufall Kenntnis von der Begebenheit erhalten hatten, und wußten, daß sie auf dem Asperhofe nicht unwillkommen sein würden. Es ist nicht wahr, was man öfter sagt, daß eine schöne Frau ohne Schmuck schöner sei als in demselben; und eben so ist es nicht wahr, daß ein Gemälde zu seiner Geltung nicht des Rahmens bedürfe. Ich hatte zu unserem Marienbilde einen Rahmen nach Zeichnungen aus mittelalterlichen Gegenständen bestellt und hatte dessen Ausführung gelegentlich, wenn mich ein Geschäft oder mein Wille in die Stadt brachte, überwacht. Er war weit eher auf dem Asperhofe angekommen, als das Bild fertig war, und mußte die Zeit über in seiner Kiste verpackt harren. Wir versuchten auch nicht ein einziges Mal das Bild in ihn zu fügen, ehe es fertig war, um den Eindruck nicht zu schwächen. Bei neuen Bildern zeigt freilich der Rahmen erst, daß noch Manches hinzuzufügen und zu ändern ist, und Vieles muß an solchen Bildern erst gemacht werden, wenn man sie bereits in einem Rahmen gesehen hat. Bei alten Bildern, die wiederhergestellt werden, ist das anders, besonders, wenn sie auf unsere Weise hergestellt worden. Da gibt das Vorhandene den Weg der Herstellung an, man kann nicht anders malen, als man malt, und die Tiefe, das Feuer und der Glanz der Farben ist daher durch das bereits auf der Leinwand Befindliche bedingt. Wie dann das Bild in einem Rahmen aussehen werde, liegt nicht in der Willkür des Wiederherstellers, und wenn es in dem Rahmen trefflich oder minder gut steht, so ist das Sache des ursprünglichen Meisters, dessen Werk man nicht ändern darf. Als unsere Maria, welche noch nicht einmal einen Firniß erhalten hatte, aus den altertümlichen Gestalten des Rahmens, die sehr paßten, heraussah, so war es ein wunderbarer Anblick, und erst jetzt sahen wir, welche Lieblichkeit und Kraft der alte Meister in seinem Bilde dargelegt hatte. Obwohl der Rahmen erhabene Arbeit in Blumen, Verzierungen und sogar in Teilen der menschlichen Gestalt enthielt und auf demselben Glanzlichter von starker Wirkung angebracht waren, so erschien das Bild doch nicht unruhig, ja es beherrschte den Rahmen und machte seinen Reichtum zu einer anmutigen Mannigfaltigkeit, während es selber durch seine Gewalt sich geltend machte und in den erhebenden Farben von würdigem Schmucke umgeben thronte. Ein leiser Ruf entschlüpfte den Lippen aller Anwesenden, und ich freute mich, daß ich mich nicht getäuscht hatte, als ich auf die Macht des Bildes rechnend einen so reichen Rahmen für dasselbe bestellt hatte. Wir standen lange davor und betrachteten die Schönheit der Farbengebung an den entblößten Teilen so wie die der Gewandung und der Gründe, was im Vereine mit der Einfachheit und Hoheit der Linienführung und mit der maßvollen Anordnung der Flächen ein so würdevolles und heiliges Ganzes bildete, daß man sich eines tiefen Ernstes nicht erwehren konnte, der wie wahrhaftige Andacht war. Erst später fingen wir zu sprechen an, beredeten dieses und jenes und kamen, wie es natürlich war, dahin, Vermutungen über den Meister zu wagen. Es wurde Guido Reni genannt, es wurde Tizian genannt, es wurde die Rafaelische Schule genannt. Für alles hatte man Gründe, und der Schluß war, wie er es auch noch heute ist, daß man nicht wußte, von wem das Bild sei. Roland war außerordentlich vergnügt, daß er die Sache in ihrer Entstehung schon geahnt und durch den Kauf eine so zweckmäßige Handlung ausgeführt habe. Damals war er noch außerordentlich jung, er war bei Weitem nicht so eingeübt wie jetzt und war daher seiner Handlung nicht ganz sicher. Eustach sah man es an, daß ihm, wie der Volksausdruck sagt, das Herz vor Freude lache. Eine freundliche Bewirtung meiner Gäste war damals das Ende des Tages. Wir suchten in der folgenden Zeit eine Stelle, an welcher das Bild am vorteilhaftesten aufgehängt werden könnte. Roland erhielt eine Belohnung in einem Werke, das er sich schon lange gewünscht hatte, und Eustach, das sah ich wohl, fand seine schönste Befriedigung darin, daß er näher in unsere Kunstkreise gezogen wurde. Dem Manne, von welchem das Bild in seinem verstümmelten Zustande gekauft worden war, gab ich noch eine Summe, mit welcher er weit über seine Erwartung abgefunden war; denn das Bild hätte er doch nie herstellen lassen können, er wäre auch auf den Gedanken nicht gekommen, und ohne Roland wäre das Bild nicht verkauft worden, bis es immer mehr verfallen und einmal vernichtet worden wäre. Oft stand ich in späteren Zeiten noch davor und hatte manche Freude in Betrachtung des Werkes. Ich sah das Angesicht und die Hände der Mutter an und sah das teils nackte, teils durch schöne Tücher schicklich verhüllte Kind. Ein dem Lande Italien so häufig zukommendes Zeichen ist es, daß das Kind nicht in den Armen der Mutter gehalten wird, sondern daß es mit schönem Hinneigen zu derselben und von ihr leicht und sanft umfaßt auf einem erhöhten Gegenstande vor ihr steht. Der Künstler hat dadurch nicht nur Gelegenheit gefunden, den Körper des Kindes in einer weit schöneren Stellung zu malen, als wenn er von der Mutter an ihren Busen gehalten gewesen wäre, sondern er hat noch den weit höheren Vorteil erreicht, das göttliche Kind in seiner Kraft und in seiner Freiheit zu zeigen, was die Wirkung hat, als ehrten wir gleichsam schon die Macht, mit welcher es einstens handeln wird. Daß südliche Völker den Heiland als Kind in so großer sinnlicher Schönheit malen, hat mich immer entzückt, und wenn auf meinem Bilde das heilige Kind eher wie ein kräftiger, wunderschöner Leib des Südens aussieht, so beirrt mich das nicht, sehen doch die Jesuskinder und die Johanneskinder des herrlichen Rafael auch so aus, und die Wirkung ist doch eine so gewaltige. Daß die Mutter, deren Mund so schön ist, die Augen gegen Himmel wendet, sagt mir nicht ganz zu. Die Wirkung, scheint mir, ist hierin ein wenig überboten, und der Künstler legt in eine Handlung, die er seine Gestalt vor uns vornehmen läßt, eine Bedeutung, von der er nicht machen kann, daß wir sie in der bloßen Gestalt sehen. Wer durch einfachere Mittel wirkt, wirkt besser. Wenn er die Heiligkeit und Hoheit statt in die erhobenen Augen in die bloße Gestalt hätte legen können, wobei die Augen einfach vor sich hinblickten, so hätte er besser getan. Rafael läßt seine Madonnen ruhig und ernst blicken, und sie werden Himmelsköniginnen, während so manche andere nur betende Mädchen sind. Aus diesem möchte ich auch schließen, daß das Bild nicht aus der Rafaelschen Schule ist, so sehr die herrliche Gestalt des Kindes daran erinnert. Das Bild hängt nicht mehr dort, wo es Anfangs war. Wir haben alle Bilder mehrere Male umgehängt, und es gewährt eine eigene Freude, zu versuchen, ob in einer andern Anordnung die Wirkung des Ganzen nicht eine bessere sei. Auch darüber haben wir ernste Beratungen und vielerlei Versuche angestellt, welche Farbe wir den Wänden geben sollen, daß sich die Bilder am besten von ihnen abheben. Wir blieben dann bei dem rötlichen Braun stehen, das ihr jetzt noch in dem Gemäldezimmer findet. Ich lasse nun nichts mehr ändern. Die jetzige Lage der Bilder ist mir zu einer Gewohnheit und ist mir lieb geworden, und ich möchte ohne übeln Eindruck die Sache nicht anders sehen. Sie ist mir eine Freude und eine Blume meines Alters geworden. Die Erwerbung der Bilder, die, wie ihr schon aus meinen früheren Worten schließen könnt, nicht immer so leicht war wie die der heiligen Maria, stellt eine eigene Linie in dem Gange meines Lebens dar, und diese Linie ist mit Vielem versehen, was mir teils einen freudigen, teils einen trüben Rückblick gewährt. Wir sind in manche Verhältnisse geraten, haben manche Menschen kennen gelernt und haben manche Zeit mit Wiederherstellung der Bilder, mit Verwindung von Täuschungen, mit Hineinleben in Schönheiten zugebracht, wir haben auch manche zu Zeichnungen und Entwürfen von Rahmen verwendet; denn alle Gemälde haben wir nach und nach in neue, von uns entworfene Rahmen getan, und so stehen nun die Werke um mich wie alte, hochverehrungswürdige Freunde, die es täglich mehr werden und die eine Annehmlichkeit und eine Wonne für meine noch übrigen Tage sind.«