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Ich war mit den Arbeiten, so weit sie jetzt gediehen waren, sehr zufrieden. Der Stein zu dem Becken war nicht nur in seine allgemeine Gestalt geschnitten worden, sondern das Blatt war in rohen Umrissen fertig, so daß zur feineren Ausfeilung und zur Glättung geschritten werden konnte. Es arbeiteten zwei Menschen ausschließlich an diesem Gegenstande. Mit dem Gipsvorbilde ließ ich noch einige Veränderungen vornehmen. Es war mir nicht leicht genug und zeigte mir nicht hinlänglich das Weiche des Pflanzenlebens. Ich ging in die Berge, suchte Pflanzen der Einbeere und brachte sie sammt ihrer Erde in Töpfen zurück, damit sie nicht zu schnell welkten und uns länger als Muster dienen könnten. An diesen Pflanzen suchte ich zu zeigen, was an dem Vorbilde noch fehle. Ich erklärte, wo ein Blatteil sich sanfter legen, ein Rand sich weicher krümmen müsse, damit endlich das Steinbild, wenn es fertig wäre, nicht den Eindruck hervorbringe, als ob es gemacht worden, sondern den, als ob es gewachsen wäre. Da ich mich bemühte, die Sache ohne Verletzung des Mannes, welcher das Gipsvorbild verfertiget hatte, darzulegen und sie eher in das Gewand einer Beratung einzukleiden, so ging man auf meine Ansichten sehr gerne ein, und da die ersten Versuche gelangen und das Becken durch die größere Ähnlichkeit, die es mit dem Blatte erlangte, auch sichtbar an Schönheit gewann, so ging man mit Eifer an die Fortsetzung, suchte sich den Pflanzenmerkmalen immer mehr zu nähern und erlebte die Freude, daß endlich das Werk in ungemein edlerer Vollendung dastand als früher. Selbst für künftige Arbeiten hatte man durch dieses Verfahren einen Anhaltspunkt gewonnen, und Hoffnungen geschöpft, sich in schönere und heiterere Kreise zu schwingen. Der Werkmeister sprach unverhohlen mit mir über die Sache. Früher hatte man nach hergebrachten Gestalten und Zeichnungen Gegenstände verfertigt, dieselben versandt und Preise dafür erhalten, die solchen Waren gewöhnlich zukommen, so daß die Anstalt bestehen konnte, aber einer gehäbigen und wohlhabenden Blüte doch nicht teilhaftig war. Daß man sich an Pflanzen als Vorbilder wenden könne, war ihnen nicht eingefallen. Jetzt richtete man den Blick auf sie und fand, daß alle Berge voll von Dingen ständen, die ihnen Fingerzeige geben könnten, wie sie ihre Werke zu verfertigen und zu veredeln hätten.

Ich blieb so lange da, bis das Gipsblatt vollkommen fertig war, und bis ich mich darüber beruhigt hatte, welche Werkzeuge zum Messen angewendet würden, damit die Gestalt des Vorbildes mit allen ihren Verhältnissen in die Nachbildung übergehen könnte.

Nachdem ich noch die Bitte um Beschleunigung der Arbeit angebracht hatte, damit ich sie so bald als möglich in den Garten des Vaters bringen könnte, und nachdem ich versprochen hatte, in diesem Sommer noch einen Besuch in der Anstalt zu machen, trat ich den Rückweg in das Rosenhaus wieder an.

Ich bestieg auf meiner Wanderung, die ich in den Bergen zu Fuße machte, das Eiskar, setzte mich auf einen Steinblock und sah beinahe den ganzen Nachmittag in tiefem Sinnen auf die Landschaften, die vor mir ausgebreitet waren, hinaus.

In dem Rosenhause beschäftigte ich mich wieder mit Betrachtung der Bilder. Ich nahm sogar ein Vergrößerungsglas und sah die Gemälde an, wie denn die verschiedenen alten Meister gemalt haben, ob der eine einen stumpfen, starren Pinsel genommen habe, der andere einen langen, weichen, ob sie mit breitem oder spitzigem gearbeitet, ob sie viel untermalt haben oder gleich mit den schweren, undurchsichtigen Farben darauf gegangen seien, ob sie in kleinen Flächen fertig gemacht oder das Große vorerst angelegt und es in allen Teilen nach und nach der Vollendung zugeführt hätten.

Mein Gastfreund war in diesen Dingen sehr erfahren und stand mir bei.

Von den Dichtern nahm ich jetzt Calderon vor. Ich konnte ihn bereits in dem Spanischen lesen und vertiefte mich mit großem Eifer in seinen Geist.

Wir besuchten mehrere Male den Inghof. Es wurde dort Musik gemacht, es wurde gespielt, wir besuchten die schönsten Teile der Umgebung oder besahen, was der Garten oder der Meierhof oder das Haus Vorzügliches aufzuweisen hatte.

Zur Zeit der Rosenblüte kamen Mathilde und Natalie auf den Asperhof. Wir wußten den Tag der Ankunft und erwarteten sie. Als sie ausgestiegen waren, als Mathilde und mein Gastfreund sich begrüßt hatten, als einige Worte von den Lippen der Mutter zu Gustav gesprochen worden waren, wendete sie sich zu mir und sprach mit den freundlichsten Mienen und mit dem liebevollsten Blick ihrer Augen die Freude aus, mich hier zu finden, zu wissen, daß ich mich schon ziemlich lange bei ihrem Freunde und ihrem Sohne aufgehalten habe, und zu hoffen, daß ich die ganze schöne Jahreszeit auf dem Asperhofe zubringen werde.

Ich erwiderte, daß ich heuer beschlossen habe, den ganzen Sommer über bloß für mein Vergnügen zu leben und daß ich es mit großem Danke anerkennen müsse, daß mir erlaubt sei, auf diesem Sitze verweilen zu dürfen, der das Herz, den Verstand und das ganze Wesen eines jungen Mannes so zu bilden geeignet sei.

Natalie stand vor mir, da dieses gesprochen worden war. Sie erschien mir in diesem Jahre vollkommener geworden und war so außerordentlich schön, wie ich nie in meinem ganzen Leben ein weibliches Wesen gesehen habe.

Sie sagte kein Wort zu mir, sondern sah mich nur an. Ich war nicht im Stande, etwas aufzufinden, was ich zur Bewillkommnung hätte sagen können. Ich verbeugte mich stumm, und sie erwiderte diese Verbeugung durch eine gleiche.

Hierauf gingen wir in das Haus.

Die Tage verflossen wie die in den vergangenen Jahren. Nur eine einzige Ausnahme trat ein. Man begann nach und nach von den Bildern zu sprechen, man sprach von der Marmorgestalt, welche auf der schönen Treppe des Hauses stand, man ging öfter in das Bilderzimmer und besah Verschiedenes, und man verweilte manche Augenblicke in der dämmerigen Helle der Treppe, auf welche von oben die sanfte Flut des Lichtes hernieder sank, und vergnügte sich an der Herrlichkeit der dort befindlichen Gestalt und der Pracht ihrer Gliederung. Ich erkannte, daß Mathilde in der Beurteilung der Kunst erfahren sei und daß sie dieselbe mit warmem Herzen liebe. Auch an Natalien sah ich, daß sie in Kunstdingen nicht fremd sei und daß sie in ihrer Neigung etwas gelten. Ich machte also jetzt die Erfahrung, daß man in früherer Zeit, da ich mein Augenmerk noch weniger auf Gemälde und ähnliche Kunstwerke gerichtet hatte und dieselben einen tiefen Platz in meinem Innern noch nicht einnahmen, mich geschont habe, daß man nicht eingegangen sei, in meiner Gegenwart von den in dem Hause befindlichen Kunstwerken zu sprechen, um mich nicht in einen Kreis zu nötigen, der in jenem Augenblicke noch beinahe außerhalb meiner Seelenkräfte lag. Mir kam jetzt auch zu Sinne, daß in gleicher Weise mein Vater nie zu mir auf eigenen Antrieb von seinen Bildern gesprochen habe und daß er sich nur insoweit über dieselben eingelassen, als ich selber darauf zu sprechen kam und um dieses oder jenes fragte. Sie haben also sämmtlich einen Gegenstand vermieden, der in mir noch nicht geläufig war und von dem sie erwarteten, daß ich vielleicht mein Gemüt zu ihm hinwenden würde. Mich erfüllte diese Betrachtung einigermaßen mit Scham, und ich erschien mir gegenüber all den Personen, die nun durch meine Vorstellung gingen, als ungefüg und unbehilflich; aber da sie immer so gut und liebreich gegen mich gewesen waren, so schloß ich aus diesem Umstande, daß sie nicht nachteilig über mich geurteilt und daß sie meinen Anteil an dem, was ihnen bereits teuer war, als sicher bevorstehend betrachtet haben. Dieser Gedanke beruhigte mich eines Teiles wieder. Besonders aber gereichte es mir zur Genugtuung, daß sie mit einer Art von Freude in die Gespräche eingingen, die sich jetzt über bildende Kunst entspannen, daß also das nicht unsachgemäß sein mußte, was ich in dieser Richtung jetzt äußerte, und daß es ihnen angenehm war, mit mir auf einer Lebensrichtung zusammen zu treffen, welche für sie Wichtigkeit hatte.