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»Es ist uns aber auch ein sehr tüchtiger Lehrmeister beigestanden«, erwiderte er, »und wir waren in der Lage, nach seinem Rate noch Manches in unserem begonnenen Werke abzuändern; denn sonst wäre es nicht so geworden, wie es geworden ist. Setze dich zu uns, daß ich es dir erzähle.«

Er saß mit der Mutter auf einer Bank, die aus feinen Rohrstäben geflochten war, die Schwester und ich nahmen ihnen gegenüber auf Sesseln Platz.

»Dein Gastfreund«, fing er an, »hat uns ausgefunden und hat, als du zwei Wochen fort warest, seine Bauzeichnungen und die Zeichnungen vieler anderer Gegenstände hieher gesendet, daß ich sie ansehe. Er hat mir auch den Antrag gemacht, daß ich manche, die mir besonders gefielen, zu meinem Gebrauche nachzeichnen lassen dürfe, nur möchte ich ihm die Blätter vorher alle senden und die bezeichnen, deren Nachbildung ich wünschte, er würde sie mir dann gelegentlich zu diesem Gebrauche zustellen. Ich lehnte diese Erlaubnis ab, nur Einzelnes von Verzierungen oder Stäben ließ ich flüchtig heraus zeichnen, in so fern ich erkannte, daß es mir bei meinen nächsten Anordnungen würde dienlich sein. Den größten Nutzen aber schöpften wir — mein Arbeiter und ich — aus der Anschauung des Ganzen überhaupt. Wir lernten hier neue Dinge kennen, wir sahen, daß es Schöneres gibt, als wir selber haben, so daß wir den Plan und die Ausführung zu den Arbeiten in dem Häuschen hier viel besser machten, als wir sonst beides gemacht haben würden. Die Zeichnungen von den Bauwerken, Geräten und anderen Dingen, welche mir dein Gastfreund gesandt hat, sind so schön, daß es vielleicht wenige gleiche gibt. Ich habe wohl in jüngeren Jahren bei meinen Reisen und Wanderungen sehr schöne und hie und da schönere Bauwerke gesehen; aber Zeichnungen von Bauwerken habe ich nie so vollendet klar und rein gesehen. Ich hatte eine große Freude bei dem Anschauen dieser Dinge, und wer in dem Besitze einer so trefflichen Sammlung der schönsten, zahlreichen und dabei so mannigfaltigen Gegenstände ist, der kann niemals mehr bei seinen Anordnungen in das Unbedeutende, Leere und Nichtige verfallen, ja er muß bei gehöriger Benützung, und wenn sein Geist die Dinge in sich aufzunehmen versteht, nur das Hohe und Reine hervorbringen. Das ist eine seltne Gunst des Schicksales, wenn ein Mann die Muße, Mittel und Mitarbeiter hat, solche Werke anlegen zu können. Es gehörte zu meinen schönsten Augenblicken, in diesen Sammlungen blättern zu dürfen und mich in die Anschauung dessen, was mich besonders ansprach, zu vertiefen. Vielleicht gönnt es doch noch einmal eine spätere Gunst, von dem Anerbieten dieses Mannes Gebrauch machen zu können und hie und da etwas zu Stande zu bringen, was nicht ganz ein unwerter Zuwachs zu meinen letzten Tagen ist. Also gefällt dir das, was wir zu unseren Verkleidungen hatten hinzu machen lassen?«

»Vater, sehr«, erwiderte ich; »aber ich habe jetzt andere Dinge zu reden; ich kann mich von meinem Erstaunen nicht erholen, daß mein Gastfreund seine Zeichnungen hieher gesendet hat, die er so liebt, die er gewiß nicht weniger liebt als seine Bücher, von denen er doch keines aus seinem Hause gibt. Ich habe eine so große Freude über dieses Ereignis, daß ich nicht Worte finde, sie nur halb auszudrücken. Vater, mein Gefühl hat in jüngster Zeit einen solchen Aufschwung genommen, daß ich die Sache selber nicht begreife, ich muß mit dir darüber reden, ich habe sehr viele Dinge mit dir zu reden. Meinem Gastfreunde muß ich auf das Wärmste und Heißeste danken, sobald ich ihn sehe, er hat mir durch die Sendung der Zeichnungen an dich die höchste Gunst erzeigt, die er mir nur zu erzeigen im Stande war.«

»Dann muß ich dich bitten, mit mir zu gehen und noch etwas anzuschauen«, sagte mein Vater.

Er führte mich in sein Altertumszimmer. Die Mutter und die Schwester gingen mit.

An einem Pfeiler, der mit einem langen, altertümlich gefaßten Spiegel geschmückt war, stand der Tisch mit den Musikgeräten, den ich im Rosenhause in der Wiederherstellung befindlich und zu Anfang dieses Sommers bereits vollendet gesehen hatte.

Ich konnte vor Verwunderung kein Wort sagen.

Der Vater, der mein Gefühl verstand, sagte. »Der Tisch ist mein Eigentum. Er ist mir in diesem Sommer gesendet worden, und es war die Bitte beigefügt, ich möge ihn unter meinen andern Dingen als Erinnerung an einen Mann aufstellen, dessen größte Freude es wäre, einem Andern, der seine Neigung gleichen Dingen zuwende wie er, ein Vergnügen zu machen.«

»Da muß ich nun augenblicklich zu meinem Freunde reisen«, rief ich.

»Den Dank habe ich ihm wohl schon ausgedrückt«, sagte der Vater; »aber wenn du hingehen und es mit dem eigenen Munde tun willst, so freut es mich um desto mehr.«

Die Schwester hüpfte oder sprang beinahe in dem Zimmer herum und rief: »Ich habe es mir gedacht, daß er so handeln wird, ich habe es mir gedacht. O der Freude, o der Freude! Wirst du bald abreisen?«

»Morgen mit dem frühesten Tagesanbruch«, erwiderte ich, »heute müssen noch Pferde bestellt werden.«

»Es ist eine späte Jahreszeit und du bist kaum gekommen, mein Sohn«, sagte die Mutter; »aber ich halte dich nicht ab. Der Tisch und noch mehr die Gesinnung des Mannes, der ihn sendete, haben auf deinen Vater wie ein Glück gewirkt. Das müssen vortreffliche Menschen sein.«

»Sie haben ihres Gleichen nicht auf Erden«, rief ich.

Ohne zu säumen schickte ich den Knecht auf die Post, um mir auf den nächsten Morgen um vier Uhr zwei Pferde zu bestellen. Dann sprachen wir noch von dem Tische. Der Vater breitete sich über seine Eigenschaften aus, er erklärte uns dieses und jenes und setzte mir dann in einer längeren Beweisführung auseinander, warum er gerade auf diesem Platze stehen müsse, auf dem er stehe. Ohne von den Gemälden des Vaters etwas zu sagen, auf welche ich mich sehr gefreut hatte und von denen ich mit dem Vater hatte reden wollen, und ohne auf meinen diesjährigen Sommeraufenthalt näher einzugehen, ließ ich den Rest des Tages verfließen und erwartete mit Ungeduld den Morgen. Nur gelegentliche Fragen des Vaters beantwortete ich und hörte zu, wenn er wieder von dem sprach, was in diesem Sommer ein Ereignis für ihn gewesen war. Vor dem Schlafengehen nahmen wir Abschied, und ich begab mich auf meine Zimmer.

Um drei Uhr des Morgens war ein leichter Lederkoffer gepackt, und eine halbe Stunde später stand ich in guten Reisekleidern da. In dem Speisezimmer, in welchem noch ein Frühstück für mich bereit stand, erwarteten mich die Mutter und die Schwester. Der Vater, sagten sie, schlummre noch sehr sanft. Das Frühmahl war eingenommen, die Pferde standen vor dem Haustore, die Mutter verabschiedete sich von mir, die Schwester begleitete mich zu dem Wagen, küßte mich dort auf das Innigste und Freudigste, ich stieg ein und der Wagen fuhr in der noch überall dicht herrschenden Finsternis davon.

Ich war nie mit eigenen Postpferden gefahren, weil ich die Auslage für Verschwendung hielt. Jetzt tat ich es, mir ging die Reise noch immer nicht schnell genug, und auf jeder Post, wo ich neue Pferde und einen neuen Wagen erhielt, däuchte mir der Aufenthalt zu lange.

Ich hatte den Vater um den Brief nicht gefragt, der mit den Zeichnungen oder mit dem Tische gekommen war, auch hatte ich mich nicht um die Art erkundigt, wie diese Dinge eingelangt seien. Der Vater hatte ebenfalls nichts davon erwähnt. Ich beschloß, meinem Vorhaben treu zu bleiben und hierüber eine Frage nicht zu stellen.

Nach einer nur durch das notwendige Essen von mir unterbrochenen Fahrt bei Tag und Nacht kam ich gegen den Mittag des zweiten Tages in dem Rosenhause an. Ich hielt vor dem Gitter, gab einem Knechte, der gar nicht erstaunt war, weil er an mein Gehen und Kommen in diesem Hause gewohnt sein mochte, meinen Koffer, sendete Wagen und Pferde auf die letzte Post, in die sie gehörten, zurück, ging in das Haus und fragte nach meinem Freunde.