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Dorsigny. Was hoer' ich? Sophie soll heirathen?

Fr. v. Mirville. Ei freilich! Weisst du es denn nicht?

Dorsigny. Mein Gott! Nein!

Champagne (naehert sich). Nicht ein Wort wissen wir.

Fr. v. Mirville. Herr von Lormeuil, ein alter Kriegskamerad des Onkels, der zu Toulon wohnt, hat fuer seinen Sohn um Sophien angehalten-Der junge Lormeuil soll ein sehr liebenswuerdiger Mann sein, sagt man; wir haben ihn noch nicht gesehen. Der Onkel holt ihn zu Toulon ab; dann wollen sie eine weite Reise zusammen machen, um ich weiss nicht welche Erbschaft in Besitz zu nehmen. In einem Monat denken sie zurueck zu sein, und wenn du alsdann noch da bist, so kannst du zur Hochzeit mit tanzen.

Dorsigny. Ach, liebe Schwester!-Redlicher Champagne! Rathet, helft mir! Wenn ihr mir nicht beisteht, so ist es aus mit mir, so bin ich verloren.

Fr. v. Mirville. Was hast du denn, Bruder? Was ist dir?

Champagne. Mein Herr ist verliebt in seine Cousine.

Fr. v. Mirville. Ah, ist es das?

Dorsigny. Diese unglueckselige Heirath darf nun und nimmermehr zu Stand kommen.

Fr. v. Mirville. Es wird schwer halten, sie rueckgaengig zu machen. Beide Vaeter sind einig. das Wort ist gegeben, die Artikel sind aufgesetzt, und man erwartet bloss noch den Braeutigam, sie zu unterzeichnen und abzuschliessen.

Champagne. Geduld!-Hoeren Sie!-(Tritt zwischen Beide). Ich habe einen sublimen Einfall!

Dorsigny. Rede!

Champagne. Sie haben einmal den Anfang gemacht, Ihren Onkel vorzustellen! Bleiben Sie dabei! Fuehren Sie die Rolle durch.

Fr. v. Mirville. Ein schoenes Mittel, um die Nichte zu heirathen.

Champagne. Nur gemach! Lassen Sie mich meinen Plan entwickeln,-Sie spielen also Ihren Onkel! Sie sind nun Herr hier im Hause, und Ihr erstes Geschaeft ist, die bewusste Heirath wieder aufzuheben-Sie haben den jungen Lormeuil nicht mitbringen koennen, weil er-weil er gestorben ist-Unterdessen erhaelt Frau von Dorsigny einen Brief von Ihnen, als dem Neffen, worin Sie um die Cousine anhalten-Das ist mein Amt! Ich bin der Courier, der den Brief von Strassburg bringt-Frau von Dorsigny ist verliebt in ihren Neffen; sie nimmt diesen Vorschlag mit der besten Art von der Welt auf; sie theilt ihn Ihnen als ihrem Eheherrn mit, und Sie lassen sich's, wie billig, gefallen. Nun stellen Sie sich, als wenn Sie aufs eiligste verreisen muessten; Sie geben der Tante unbedingte Vollmacht, diese Sache zu Ende zu bringen. Sie reisen ab, und den andern Tag erscheinen Sie in Ihren natuerlichen Haaren und in der Uniform Ihres Regiments wieder, als wenn Sie eben spornstreichs von Ihrer Garnison herkaemen. Die Heirath geht vor sich; der Onkel kommt stattlich angezogen mit seinem Braeutigam, der den Platz gluecklich besetzt findet und nichts Besseres zu thun hat, als umzukehren und sich entweder zu Toulon oder in Ostindien eine Frau zu holen.

Dorsigny. Glaubst du, mein Onkel werde das so geduldig-Champagne. O er wird aufbrausen, das versteht sich! Es wird heiss werden am Anfang-Aber er liebt Sie! er liebt seine Tochter! Sie geben ihm die besten Worte, versprechen ihm eine Stube voll artiger Enkelchen, die ihm alle so aehnlich sehen sollen, wie Sie selbst. Er lacht, besaenftigt sich, und alles ist vergessen.

Fr. v. Mirville. Ich weiss nicht, ist es das Tolle dieses Einfalls, aber er faengt an, mich zu reizen-Champagne. O er ist himmlisch, der Einfall!

Dorsigny. Lustig genug ist er, aber nur nicht ausfuehrbar-Meine Tante wird mich wohl fuer den Onkel ansehen!-Fr. v. Mirville. Habe ich's doch!

Dorsigny. Ja, im ersten Augenblicke.

Fr. v. Mirville. Wir muessen ihr keine Zeit lassen, aus der Taeuschung zu kommen. Wenn wir die Zeit benutzen, so brauchen wir auch nur einen Augenblick-Es ist jetzt Abend, die Dunkelheit kommt uns zu Statten; diese Lichter leuchten nicht hell genug, um den Unterschied bemerklich zu machen. Den Tag brauchst du gar nicht zu erwarten-du erklaerst zugleich, dass du noch in der Nacht wieder fortreisen muessest, und morgen erscheinst du in deiner wahren Person. Geschwind ans Werk! Wir haben keine Zeit zu verlieren-Schreibe den Brief an unsre Tante, den dein Champagne als Courier ueberbringen soll, und worin du um Sophien anhaeltst.

Dorsigny (an den Schreibtisch gehend.) Schwester! Schwester! du machst mit mir, was du willst.

Champagne (sich die Haende reibend). Wie freue ich mich ueber meinen klugen Einfall! Schade, dass ich schon eine Frau habe; ich koennte hier eine Hauptrolle spielen, anstatt jetzt bloss den Vertrauten zu machen.

Fr. v. Mirville. Wie das, Champagne?

Champagne. Ei nun, das ist ganz natuerlich. Mein Herr gilt fuer seinen Onkel, ich wuerde den Herrn von Lormeuil vorstellen, und wer weiss, was mir am Ende nicht noch bluehen koennte, wenn meine verdammte Heirath-Fr. v. Mirville. Wahrhaftig, meine Cousine hat Ursache, sich darueber zu betrueben!

Dorsigny (siegelt den Brief und gibt ihn an Champagne). Hier ist der Brief. Richt' es nun ein, wie du willst! Dir ueberlass' ich mich.

Champagne. Sie sollen mit mir zufrieden sein-In wenig Augenblicken werde ich damit als Courier von Strassburg ankommen, gespornt und gestiefelt, triefend von Schweiss.-Sie, gnaediger Herr, halten sich wacker.-Muth, Dreistigkeit, Unverschaemtheit, wenn' s noethig ist. -Den Onkel gespielt, die Tante angefuehrt, die Nichte geheirathet und, wenn alles vorbei ist, den Beutel gezogen und den redlichen Diener gut bezahlt, der Ihnen zu allen diesen Herrlichkeiten verholfen hat. (Ab.)

Fr. v. Mirville. Da kommt die Tante. Sie wird dich fuer den Onkel ansehen. Thu', als wenn du nothwendig mit ihr zu reden haettest, und schick' mich weg.

Dorsigny. Aber was werd' ich ihr denn sagen?

Fr. v. Mirville. Alles, was ein galanter Mann seiner Frau nur Artiges sagen kann.

Fuenfter Auftritt.

Frau von Mirville. Frau von Dorsigny. Franz von Dorsigny.

Fr. v. Mirville. kommen Sie doch, liebe Tante! Geschwind! der Onkel ist angekommen.

Fr. v. Dorsigny. Wie? Was? Mein Mann?-Ja wahrhaftig, da ist er! -Herzlich willkommen, lieber Dorsigny-So bald erwartete ich Sie nicht-Nun! Sie haben doch eine glueckliche Reise gehabt?-Aber wie so allein? Wo sind Ihre Leute? Ich hoerte doch Ihre Kutsche nicht-Nun wahrhaftig-ich besinne mich kaum-ich zittre vor Ueberraschung und Freude-Fr. v. Mirville (heimlich zu ihrem Bruder). Nun, so rede doch! Antworte frisch weg!

Dorsigny. Weil ich nur auf einen kurzen Besuch hier bin, so komm' ich allein und in einer Miethkutsche-Was aber die Reise betrifft, liebe Frau-die Reise-ach! die ist nicht die gluecklichste gewesen.

Fr. v. Dorsigny. Sie erschrecken mich!-Es ist Ihnen doch kein Unglueck zugestossen?

Dorsigny. Nicht eben mir! mir nicht!-Aber diese Heirath-(Zu Frau von Mirville.) Liebe Nichte, ich habe mit der Tante-Fr. v. Mirville. Ich will nicht stoeren, mein Onkel. (Ab.)

Sechster Auftritt.

Frau von Dorsigny. Franz von Dorsigny.

Fr. v. Dorsigny. Nun, lieber Mann! diese Heirath-Dorsigny. Aus dieser Heirath wird-nichts.

Fr. v. Dorsigny. Wie? Haben wir nicht das Wort des Vaters?

Dorsigny. Freilich wohl! Aber der Sohn kann unsere Tochter nicht heirathen.

Fr. v. Dorsigny. So? Und warum denn nicht?

Dorsigny (mit starkem Ton). Weil-weil er-todt ist.

Fr. v. Dorsigny. Mein Gott, welcher Zufall!

Dorsigny. Es ist ein rechter Jammer. Dieser junge Mann war, was die meisten jungen Leute sind, so ein kleiner Wuestling. Einen Abend bei einem Balle fiel's ihm ein, einem artigen huebschen Maedchen-den Hof zu machen; ein Nebenbuhler mischte sich drein und erlaubte sich beleidigende Scherze. Der junge Lormeuil, lebhaft, aufbrausend, wie man es mit zwanzig Jahren ist, nahm das uebel; zum Unglueck war er an einen Raufer von Profession gerathen, der sich nie schlaegt, ohne seinen Mann-zu toedten. Und diese boese Gewohnheit behielt auch jetzt die Oberhand ueber die Geschicklichkeit seines Gegners; der Sohn meines armen Freundes blieb auf dem Platz, mit drei toedtlichen-Stichen im Leibe.