Lormeuil. Ist das so der Brauch bei den Pariser Damen, dass sie den Putzhaendlerinnen nachlaufen, wenn ihre Maenner ankommen?
Oberst. Ich weiss gar nicht, was ich daraus machen soll. Ich schrieb, dass ich erst in sechs Wochen zurueck sein koennte; ich bin unversehens da, und man ist nicht im geringsten mehr darueber erstaunt, als wenn ich nie aus der Stadt gekommen waere.
Lormeuil. Wer sind die beiden jungen Damen, die mich so hoeflich gruessten?
Oberst. Die eine ist meine Nichte, und die andere meine Tochter, Ihre bestimmte Braut.
Lormeuil. Sie sind Beide sehr huebsch.
Oberst. Der Henker auch! Die Frauen sind alle huebsch in meiner Familie. Aber es ist nicht genug an dem Huebschsein-man muss sich auch artig betragen.
Fuenfzehnter Auftritt.
Vorige. Die drei Bedienten, die nach und nach hereinkommen.
Zweiter Bedienter (zur Linken des Obersten). Der Notar laesst sehr bedauern, dass er mit Euer Gnaden nicht zu Nacht speisen kann-er wird sich aber nach Tische einfinden.
Oberst. Was schwatzt Der da fuer naerrisches Zeug?
Zweiter Bedienter. Die Postpferde werden Schlag eilf Uhr vor dem Hause sein. (Ab.)
Oberst. Die Postpferde, jetzt, da ich eben ankomme!
Erster Bedienter (zu seiner rechten Seite). Der Juwelier, Euer Gnaden, hat Bankerott gemacht und ist diese Nacht auf und davon gegangen. (Ab.)
Oberst. Was geht das mich an? Er war mir nichts schuldig.
Jasmin (an seiner linken Seite). Ich war bei dem Herrn Simon, wie Euer Gnaden befohlen. Er war krank und lag im Bette. Hier schickt er Ihnen die Quittung.
Oberst. Was fuer eine Quittung, Schurke?
Jasmin. Nun ja, die Quittung, die Sie in der Hand haben. Belieben Sie, sie zu lesen.
Oberst (liest). "Ich Endesunterzeichneter bekenne, von dem Herrn Oberst von Dorsigny zweitausend Livres, welche ich seinem Herrn Neffen vorgeschossen, richtig erhalten zu haben."
Jasmin. Euer Gnaden sehen, dass die Quittung richtig ist. (Ab.)
Oberst. O vollkommen richtig! Das begreife, wer' s kann; mein Verstand steht still-Der aergste Gauner in ganz Paris ist krank und schickt mir die Quittung ueber das, was mein Neffe ihm schuldig ist.
Lormeuil. Vielleicht schlaegt ihn das Gewissen.
Oberst. Kommen Sie! Kommen Sie, Lormeuil! Suchen wir herauszubringen, was uns diesen angenehmen Empfang verschafft-und hole der Teufel alle Notare, Juweliere, Postpferde, Geldmaekler und Putzmacherinnen! (Beide ab.)
Zweiter Aufzug.
Die Scene ist ein Saal mit einer Thuer im Fond, die zu einem Garten fuehrt. Aus beiden Seiten sind Kabinetsthueren.
Erster Auftritt.
Frau von Mirville. Franz von Dorsigny kommt aus einem Zimmer linker Hand und sieht sich sorgfaeltig um.
Fr. v. Mirville (von der entgegengesetzten Seite). Wie unbesonnen! Der Onkel wird den Augenblick da sein.
Dorsigny. Aber sage mir doch, was mit mir werden soll? Ist alles entdeckt, und weiss meine Tante, dass ihr vorgeblicher Mann nur ihr Neffe war?
Fr. v. Mirville. Nichts weiss man! Nichts ist entdeckt! Die Tante ist noch mit der Modehaendlerin eingeschlossen; der Onkel flucht auf seine Frau-Herr von Lormeuil ist ganz verbluefft ueber die sonderbare Aufnahme, und ich will suchen, die Entwicklung, die nicht mehr lange anstehen kann, so lang als moeglich zu verzoegern, dass ich Zeit gewinne, den Onkel zu deinem Vortheil zu stimmen, oder, wenn's nicht anders ist, den Lormeuil in mich verliebt zu machen-denn eh' ich zugebe, dass er die Cousine heiratet, nehm' ich ihn lieber selbst.
Zweiter Auftritt.
Vorige. Valcour.
Valcour (kommt schnell). Ah schoen, schoen, dass ich dich hier finde, Dorsigny. Ich habe dir tausend Sachen zu sagen und in der groessten Eile.
Dorsigny. Hol' ihn der Teufel! Der kommt mir jetzt gelegen.
Valcour. Die gnaedige Frau darf doch-Dorsigny. Vor meiner Schwester hab' ich kein Geheimniss.
Valcour (zur Frau von Mirville sich wendend). Wie freue ich mich, meine Gnaedige, Ihre Bekanntschaft gerade in diesem Augenblicke zu machen, wo ich so gluecklich war, Ihrem Herrn Bruder einen wesentlichen Dienst zu erzeigen.
Dorsigny. Was hoer' ich? Seine Stimme! (Flieht in das Kabinet, wo er herauskommen.)
Valcour (ohne Dorsignys Flucht zu bemerken, faehrt fort). Sollte ich jemals in den Fall kommen, meine Gnaedige, Ihnen nuetzlich sein zu koennen, so betrachten Sie mich als Ihren ergebensten Diener. (Er bemerkt nicht, dass indess der Oberst Dorsigny hereingekommen und sich an den Platz des andern gestellt hat.)
Dritter Auftritt.
Vorige. Oberst Dorsigny. Lormeuil.
Oberst. Ja-diese Weiber sind eine wahre Geduldprobe fuer ihre Maenner.
Valcour (kehrt sich um und glaubt mit dem jungen Dorsigny zu reden). Ich wollte dir also sagen, lieber Dorsigny, dass dein Oberstlieutenant nicht todt ist.
Oberst. Mein Oberstlieutenant?
Valcour. Mit dem du die Schlaegerei gehabt hast. Er hat an meinen Freund Liancour schreiben lassen; er laesst dir vollkommene Gerechtigkeit widerfahren und bekennt, dass er der Angreifer gewesen sei. Die Familie hat zwar schon angefangen, dich gerichtlich zu verfolgen; aber wir wollen alles anwenden, die Sache bei Zeiten zu unterdruecken. Ich habe mich losgemacht, dir diese gute Nachricht zu ueberbringen, und muss gleich wieder zu meiner Gesellschaft.
Oberst. Sehr obligiert-aber-Valcour. Du kannst also ganz ruhig schlafen. Ich wache fuer dich. (Ab.)
Vierter Auftritt.
Frau von Mirville. Oberst Dorsigny. Lormeuil.
Oberst. Sage mir doch, was der Mensch will?
Fr. v. Mirville. Der Mensch ist verrueckt, das sehen Sie ja.
Oberst. Dies scheint also eine Epidemie zu sein, die alle Welt ergriffen hat, seitdem ich weg bin; denn das ist der erste Narr nicht, dem ich seit einer halben Stunde hier begegne.
Fr. v. Mirville. Sie muessen den trocknen Empfang meiner Tante nicht so hoch aufnehmen. Wenn von Putzsachen die Rede ist, da darf man ihr mit nichts Anderm kommen.
Oberst. Nun, Gott sei Dank! da hoer' ich doch endlich einmal ein vernuenftiges Wort!-So magst du denn die Erste sein, die ich mit dem Herrn von Lormeuil bekannt mache.
Lormeuil. Ich bin sehr gluecklich, mein Fraeulein, dass ich mich der Einwilligung Ihres Herrn Vaters erfreuen darf-Aber diese Einwilligung kann mir zu nichts helfen, wenn nicht die Ihrige-Oberst. Nun faengt Der auch an!-Hat die allgemeine Raserei auch dich angesteckt, armer Freund? Dein Compliment ist ganz artig, aber bei meiner Tochter, und nicht bei meiner Nichte haettest du das anbringen sollen.
Lormeuil. Vergeben Sie, gnaedige Frau! Sie sagen der Beschreibung so vollkommen zu, die mir Herr von Dorsigny von meiner Braut gemacht hat, dass mein Irrthum verzeihlich ist.
Fr. v. Mirville. Hier kommt meine Cousine, Herr von Lormeuil! Betrachten Sie sie recht und ueberzeugen Sie sich mit Ihren eigenen Augen, dass sie alle die schoenen Sachen verdient, die Sie mir zugedacht haben.
Fuenfter Auftritt.
Vorige. Sophie.
Sophie. Bitte tausendmal um Verzeihung, bester Vater, dass ich Sie vorhin so habe stehen lassen; die Mama rief mir, und ich musste ihrem Befehl gehorchen.