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Nialli Apuilana sitzt ruhig da und blickt starr auf das leere Blatt vor ihr. Ihre Finger schweben, gleiten zögernd darüber. Chronist? Sie? Und außerdem auch noch Königin? Wie seltsam das ist! Jedoch, in diesem Augenblick ist sie ausschließlich der Chronist. Sie sitzt in Hreshs Arbeitszimmer, im obersten Geschoß des Hauses des Wissens. Und rings um sie herum atmen alle Dinge Hresh. Die Schätze, die er sammelte. überall in diesem Raum schwebt Vergangenheit.

Sie muß das alles niederschreiben, alle diese wundersamen, bestürzenden Geschehnisse. Doch was soll sie sagen? Sie versteht sie ja kaum selbst, bringt sie kaum in eine Ordnung zusammen. War dies das Ziel, auf das sie von Beginn an zustrebte? Während der ganzen mühsamen Irrfahrt, die sie hinter sich hat? Was soll sie sagen? Was nur soll sie sagen?

Vorsichtig streift sie über das Amulett auf ihrer Brust. Ein schwaches Wärmegefühl gleitet flackernd durch ihre Hand. Und sie hat den Eindruck, als wäre im selben Augenblick eine huschende Geistergestalt hastig durch das Zimmer geweht, einer, der schlank und drahtig und geschmeidig ist, der große dunkle Augen hat, aus denen eine luzide Intelligenz wie ein Blitz hervorbrennt, und im Augenblick seines Vorbeiziehens, schien ihr, wandte er sich ihr zu und lächelte und nickte und formte das Wort „Königin“ mit seinen Lippen. Die Frühlingskönigin. O ja. Ja. Der die Aufgabe zugefallen ist, die ihr Vater begonnen hatte: Herauszufinden, wer wir wirklich sind, was wir tun müssen, um den Absichten der Götter gerecht zu werden, wie wir uns in dieser Welt betragen sollen, n die wir gerieten, als der Lange Winter endete.

Nialli lächelt. Sie legt die Finger — endlich — auf die Seite, und die Lettern beginnen sich abzubilden. Endlich hat sie den Anfang ihrer Chronik gefunden, und sie schreibt auf dem nächstoberen leeren Blatt, daß am Tage So-und-so im Jahre So-und-soviel nach dem Auszug sich gewaltige Veränderungen ereigneten. Denn an selbigem Tage trat die hochverehrte Frau Häuptling Taniane von ihrem Amt zurück, und mit ihr fand die Häuptlingsherrschaft aus uralter Zeit endlich und für immer ein Ende, und es wurden erwählt der erste König und die erste Königin der Stadt, die herrschen und regieren und entscheiden sollten über alles, was getan werden mußte nach dem gewaltigen und schrecklichen Krieg wider die Hjjks. In welchselbigem Krieg sich das VOLK ehrenhaft geschlagen und einen gewaltigen Sieg errungen hatte.

Sie hält inne. Sie späht im Raum umher, sucht im schwachen Schein der Lampe nach ihrem Vater, nach Hresh. Aber sie ist jetzt allein. Er ist fort. Sie überblickt noch einmal, was sie soeben geschrieben hat.

Der Häuptling. Der König. Die Königin. Der Sieg. Ja, nun müßte sie auch etwas über den Wechsel im Amt des Chronisten schreiben. Auch dies eine bedeutende Veränderung.

So viele große Veränderungen. Ach ja. Und ohne Zweifel werden noch viel gewichtigere kommen. Denn wir sind ja mitten im Neuen Frühling, und der Frühling ist die Zeit, da alles sich entfaltet und wächst. Im Frühling wird die Welt aufs neue geboren.