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Don stand wie erstarrt auf der Brücke, nur sieben Meter von der Einschlagstelle entfernt, und Al zerrte ihn mit sich fort, als er bei ihm ankam. Nur ein schmaler Streifen der Brücke war noch ganz, wenn auch von Sprüngen durchzogen; sie spürten es, als sie den Engpaß so vorsichtig, aber auch so schnell, als es ging, überwanden.

Al blieb stehen und versuchte, unten am Wasser etwas zu erkennen. »Kat…«, keuchte er, »wir müssen…«

Don stieß ihn rücksichtslos vorwärts. Auch sein Atem flog.

»Laß sie… recht geschieht ihr!«

Geduckt rannten sie weiter, eng an der Brüstung entlang, um wenigstens gegen die Seite geschützt zu sein… Noch waren sie dem Schußfeld nicht entronnen. Etwas zischte um sie herum, etwas streifte Als Kopf, etwas prallte an Don ab… ein langgestrecktes Gebilde kollerte auf den Steinboden… ein Pfeil. Noch einmal prasselte ein Hagel von Geschossen über sie. Und nun klang ein schauriges Gelächter durch die Nacht.

Don hielt mit einem Ruck. Er kannte diese Stimme.

»Jak«, flüsterte er.

»Wer sonst?« fragte Al.

»Mensch, Al!« Der Stimmfall Dons wechselte über eine ganze Skala von Empfindungen. »Das ist Jak mit seinen Leuten!« Er jubelte fast. »Al, Junge, verstehst du, was das heißt?« Er wartete die Antwort nicht ab. »Jak ist hinter uns! Wir sind die ersten! Wir kommen zuerst ins Zentrum! Wir gewinnen!«

9

Sie hatten auf der Brücke genau achtzehn Meter zurückgelegt, und für diese achtzehn Meter hatten sie hundert Sekunden gebraucht. Mit diesen achtzehn Metern schienen sie ihrem Ziel näher gekommen zu sein als auf dem langen Weg vom Gebirgshang über die Wiesen und durch die Stadt bis zum Tor. Und in diesem kurzen Intervall von hundert Sekunden steckte mehr als sie in den ganzen zwei Tagen ihres Aufenthaltes erlebt hatten. Dreimal hatte allein das Pendel ihrer Stimmung nach extremen Seiten ausgeschlagen – zuerst nach jener hoffnungsvollen Verbissenheit, da sie ihr Ziel schon aus den Augen verloren zu haben schienen, dann nach jenem Schrecken, der sie alle Hoffnungen begraben ließ, und nun nach der Seite bedenkenloser Siegesgewißheit.

Sie stürmten weiter, noch einmal prasselte ein Schauer von Pfeilen hernieder, aber er blieb so wirkungslos wie die ersten, noch einmal erklang das dröhnende Lachen Jaks, aber sie hörten es nur mehr nebenbei, denn vor ihnen, ein schwarzer, sternenloser Block vor dem ebenso schwarzen sternübersäten Nachthimmel, hob sich das Zentrum der Stadt, eine Burg mit unzähligen Nebengebäuden, eine Festung, raffiniert geschützt von Wasser und Stein und nun doch ihrem Zugriff ergeben. Kein Licht schien darin, kein Geräusch erscholl, nicht einmal ein Hauch wehte – wie gigantische schlafende Tiere lagen die Gebäude innerhalb ihres Wasserrings.

Sie liefen, und es ging alles viel schneller als es sich beschreiben läßt. Al erwischte Don eben noch an der Schulter, er mußte sich selbst mit aller Gewalt nach hinten werfen – denn hier hörte die Brücke auf. Sie hing frei in der Luft, wie von einem ungeheuren Messer abgeschnitten, glatt getrennt von jenem anderen Teil, von dem nichts mehr zu sehen war, abrasiert, ohne Rücksicht auf die mechanische Stabilität oder das statische Gleichgewicht.

Die beiden Männer trauten ihren Augen nicht, vielleicht täuschte sie die Finsternis, vielleicht narrte sie ihre eigene Überreiztheit, sie tasteten mit den Händen vor… sie fühlten die scharfe Kante, den glatten Rand, die senkrecht abfallende Fläche… Sie spähten nach vorn, aber es gab nichts vor ihnen als Leere, und irgendwo dahinter, weit weg von ihnen, viel weiter, als sie gedacht hatten, erhob sich etwas: massig und schwer, Kanten blinkten ungewiß im Sternenschein; matter Glanz huschte über Metall. Sie ließen sich auf alle viere nieder, krochen nach vorn – doch sie starrten in einen Schlund; es kam ihnen vor, als dauerte es Sekunden, bis ihr Blick Grund erreichte, vages Wallen und Weben, Kreiseln und Treiben.

»Jetzt ist es aus«, flüsterte Don. »Wir sitzen in der Falle.«

»Jetzt wissen wir, warum sie umgekehrt sind«, sagte Al.

»Sie haben uns hereingelegt, diese Schufte!«

»Ich wüßte gern, wie man hineinkommt in diese verfluchte Stadt…«

Don stieß die Luft zischend aus.

»Das ist mir jetzt vollkommen gleichgültig. Wir haben verspielt. Jak kann mit uns machen, was er will. Ich glaube, wir geben es auf.«

Langsam gingen sie über die Brücke zurück, sie tasteten über die brüchige Engstelle des ersten Treffers und stolperten über den Schutt, den der zweite Einschlag hinterlassen hatte – ein Streifschuß, der einen Teil des Geländers weggerissen hatte.

Don formte die Hände zu einem Schalltrichter und rief:

»Jak, du hast gewonnen. Wir geben auf!« Und noch einmaclass="underline" »Jak, hörst du? Wir geben auf!«

Da ertönte die Stimme Jaks: »Hallo, Don! Gut, daß du es eingesehen hast! Komm näher, aber schön langsam!«

Schritt für Schritt näherten sie sich dem Tor. Auf einmal blitzte es wieder und schlug neben ihnen auf, und noch einmal… es knirschte und rollte, Al spürte einen Schlag an der Hand – mit der Linken tastete er den rechten Arm hinunter… er erschrak: In seiner Hand klaffte ein breiter Schnitt.

Don war empfindlicher getroffen worden, ein Splitter hatte seine Brust, ein anderer seine Hüfte getroffen.

»Jak, du Schwein«, brüllte er, »du Schwein, du Schwein…«

Noch immer brüllend vor Wut und Schmerz stürmte er über den freien Platz vor der Brücke… nach links, wo er es in einem Fenster aufblitzen gesehen hatte, den Schüssen entgegen… er sprang hoch, streckte sich… seine Hände erfaßten den unteren Rand des Fensters… Don krampfte sich hoch… einen Moment lang starrte sein Gesicht in die Öffnung… dann blitzte es vor ihm auf… sein Körper stürzte herab… über die schiefe Mauer… schlug auf den Boden…

Auch Al war durch den Geschoßhagel gestürmt, doch er hatte die Richtung auf das Tor genommen und es auch erreicht. Hier war er vor den Angriffen sicher. Sein Herz schlug höher, eine absurde Freude erfüllte ihn – er empfand eine atavistische Lust am sinnlosen Kampf. Al lag jetzt an die Wand gedrückt in der Torpassage und überlegte, ob er sich über den frei daliegenden Platz wagen durfte.

Hinter einem der Pfeiler erklang ein Schleifen… Al erstarrte… ein Flüstern – eher ein Hauch…

»Al, bist du’s?«

Al sprang mit einem Satz auf… um den Pfeiler herum… mit der unverletzten Linken bekam er einen Schatten zu fassen… er hob den Fuß, um dem Gegner in den Leib zu treten…

»Halt, Al – halt!«

Er war auf eine Finte gefaßt, aber er zögerte doch einen Augenblick…

»Ich bin’s: René… Hör zu, Al… ich will dir helfen!«

Al faßte ihn an der Gurgel und ließ ihm nur wenig Luft.

»Alles, was recht ist – Jak geht zu weit. Ich trenne mich von ihm. Ich helfe dir.«

»Wie willst du mir helfen?« fragte Al.

»Es gibt hier eine Seitenpforte… komm, ich zeig’ sie dir!«

Noch immer auf Verrat gefaßt, schlich Al hinter dem anderen her. Es ging eine steile Strecke schräg hinunter, durch einen Kellerraum, in den von außen vager Lichtschein sickerte, und schließlich über eine weitere Schräge wieder hinauf. René hielt nun und zog eine Schiebetür beiseite; quietschend bewegte sie sich über Rollen.

»Still!« flüsterte Al.

Sie lauschten… nichts rührte sich… Sie zwängten sich durch den Spalt… sahen sich um… sie waren auf dem großen Platz vor dem Tor… sie blickten hinauf zu den Zinnen, wo die Geschütze standen… nichts rührte sich…