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»Könnte besser gehen.«

»Wie bei uns, wie bei uns. Man kann nur hoffen, daß sich das bald ändert.«

»Ich habe eine Nachbestellung für Sie.« Er übergab Abe ein leeres Formular.

»Sie werden doch nicht wegen einer Nachbestellung nach New York gekommen sein. Da gibt's ein paar schöne Neuheiten.« »Die müßten aber sehr preiswert sein, Abe.«

»Mr. Levinson, über den Preis reden wir später. Jetzt setzen Sie sich erst einmal zu mir und sehen sich die neuen Sachen an.« Er blickte zu dem Glasverschlag hinüber. »Carla, die neue Fagon«, sagte er.

Carla nickte und lächelte Mr. Levinson zu. Sie verschwand im Magazin, kam wenige Minuten später mit zwei Schachteln heraus und trug sie in die Garderobe. Als sie schließlich erschien, trug sie ein Korsett und sonst nichts.

Michaels Hände froren am Aschenbechergestell fest. Niemals zuvor hatte er so viel von einer Frau gesehen. Die Brustschalen des Korsetts hoben Carlas Brüste zu fleischigen Kugeln, die ihm die Knie weich machten. Außerdem hatte sie links innen am Oberschenkel ein Muttermal, das dem auf ihrer Wange glich. Sein Vater und Mr. Levinson aber schienen sie nicht zu bemerken; Mr.

Levinson hatte nur Augen für das Korsett, und der Vater nur für Mr. Levinson.

»Eher nein«, sagte dieser schließlich.

»Und Sie möchten nicht einmal wissen, was für eine mezzieh das ist?«

»Mezzieh oder nicht, es wär ein Leichtsinn. Ich habe jetzt schon zu viel von dem Zeug auf Lager.«

Der Vater zog die Schultern hoch.

»Wir werden nicht streiten darüber.«

Carla verschwand in der Garderobe und kam in Hüftgürtel und schwarzem Büstenhalter wieder zum Vorschein. Der Gürtel war so tief ausgeschnitten, daß sie beim Auf- und Abschreiten vor den beiden Herren Michael mit dem Nabel zublinzelte.

Mr. Levinson zeigte an dem Hüftgürtel ebensowenig Interesse wie vorhin an dem Korsett, aber er lehnte sich zurück und schloß die Augen. »Kostet?«

Es gab ihm einen Riß, als Abe den Preis nannte. Der hitzige Handel dauerte einige Minuten, und schließlich hob der Vater die Schultern und stimmte Mr. Levinsons letztem Angebot mit resignierender Miene zu.

»Und was soll das Korsett kosten?«

Der Vater grinste, und das Handeln begann aufs neue. Am Ende schienen beide zufrieden. Drei Minuten später war Mr. Levinson draußen, und der Vater und Carla saßen wieder an ihren Schreibtischen. Michael hockte da, krampfhaft mit Putzen beschäftigt, und warf verstohlene Blicke auf Carlas gelangweilte Miene, während er den nächsten Besucher herbeisehnte.

Er arbeitete gern bei seinem Vater. Nach Geschäftsschluß um fünf Uhr nachmittags am Samstag pflegten sie in einem Restaurant zu essen, um dann in ein Kino oder zum Garden zu gehen, wo sie beim Basketball oder beim Boxen zusahen. Manchmal gingen sie auch in den YMHA, trainierten miteinander und setzten sich dann ins Dampfbad. Sein Vater konnte nie genug Dampf bekommen und verließ den Raum stets mit rotem Gesicht und glänzenden Augen.

Michael hielt es nie länger als zehn Minuten aus, dann wankte er aus dem Dampfraum, mit weichen Knien und völlig entkräftet.

Eines Abends saßen sie wieder mit dampfumwölkten Köpfen auf der Holzbank.

»Den Rücken, bitte«, sagte der Vater. Michael ging zum Wasserhahn und tränkte ein Handtuch mit dem eiskalten Wasser. Zäh-neklappernd klatschte er das Handtuch auf Abes Rücken. Grunzend vor Behagen nahm Abe das Handtuch und schlug es sich um Gesicht und Beine.

»Du auch?«

Michael lehnte dankend ab. Abe drehte den Dampfhahn wieder auf, und Wolken frischen Dampfes strömten in die winzige Kabine.

Michael wurde das Atmen schwer, während des Vaters Atem langsam und leicht ging.

»Ich werde dir einen Satz Hanteln besorgen«, meinte er. Er lag nun ausgestreckt und mit geschlossenen Augen auf dem Rükken.

»Ich werde dir einen Satz Hanteln besorgen, und dann trainieren wir zwei gemeinsam.«

»Großartig«, erwiderte Michael lahm. Um die Wahrheit zu sagen, konnte er die meisten der Hanteln, die sein Vater im Schlafzimmer hatte, weder heben, noch empfand er besondere Lust dazu. Mit dreizehn hatte er plötzlich zu wachsen begonnen und war nun aufgeschossen und hager. Während er seinen kon-ditionsstarken Vater betrachtete, mußte er an die kleine fette Mutter denken und wunderte sich über die seltsamen Launen der Natur.

»Was ist los mit dir? Magst du keine Hanteln?«

»Nicht besonders.«

»Willst du sonst irgendwas?«

»Eigentlich nichts.«

»Komischer Kerl.«

Da offenbar keine Antwort erwartet wurde, blieb Michael nur sitzen und keuchte vor sich hin.

»Ich wollte schon lange mit dir reden.«

»Worüber?«

»Sex.«

Michael versuchte seine Verlegenheit zu verbergen. »Hast du Schwierigkeiten, Papa?«

Abe setzte sich grinsend auf seiner Bank auf. »Stell dich nicht blöd.

Ich hab solche Schwierigkeiten nie gehabt, schejgez. Also... wieviel weißt du darüber?«

Er wich dem belustigten Blick seines Vaters aus. »Alles.«

Einen Augenblick lang war es ganz still, bis auf das Zischen des Dampfes. »Und woher weißt du's?«

»Von Freunden. Wir reden darüber.«

»Willst du irgendwas fragen?«

Es gab da einige Feinheiten, über die er sich keineswegs im klaren war. »Nein«, sagte er.

»Also, wenn du was fragen willst, komm zu mir. Verstehst du?«

»Gewiß, Papa«, versprach er. Er wartete noch zwei Minuten lang und flüchtete dann in den Duschraum. Bald darauf kam Abe ihm nach und stellte sich unter die kalte Dusche, während Michael unter der warmen herumtrödelte, und dann sangen sie gemeinsam den Sheik of Araby, Abe mit verlegen-unsicherer Stimme.

Abe hatte seinen Sohn gern bei sich im Betrieb, aber er behandelte ihn wie jeden anderen Angestellten. Als Michael zu arbeiten begann, zahlte ihm sein Vater drei Dollar die Woche. Nach einem Jahr wandte sich Michael an Sam mit der Bitte, eine Erhöhung für ihn auszuhandeln. Der Gewerkschaftsvertreter war entzückt. Abe und er benachezten sich zwanzig Minuten lang an dieser Sitzung, deren Ergebnis ein Dollar Zulage war.

Nach der Lohnerhöhung sparte Michael zwei Wochen lang und lud dann seinen Vater ins Theater ein. Man gab Maxwell Andersons Mary of Scotland mit Helen Hayes und Philip Merivale in den Hauptrollen. In der Mitte des zweiten Akts schlief sein Vater ein.

Die Woche darauf nahm Abe Michael ins Jiddische Theater mit. Sie sahen einen Schwank, der De grine kusine hieß und zeigte, wie die Ankunft eines neu eingewanderten Cousins eine amerikanische Familie umkrempelte. Michael konnte dem Jiddisch nicht immer folgen, aber die Witze, die er verstand, ließen ihn Tränen lachen.

Am nächsten kamen sie einander durch die gemeinsamen Frei-tagabende. Kurz vor der bar-mizwe hatte Abe sich zu sorgen begonnen, ob sein Hebräisch auch noch gut genug sein würde, um ihn vor der Gemeinde eine gute Figur machen zu lassen. Deshalb besuchten sie auf seinen Vorschlag hin einen Freitagabend-Gottesdienst in der Sons of Jacob-Synagoge. Es dauerte nicht allzu lange, und Abe merkte überrascht, daß er sein Hebräisch seit der Kindheit recht gut behalten hatte. Am nächsten Freitag gingen sie wieder, und unversehens war es ihnen zur Gewohnheit geworden, gemeinsam dort zu stehen und den Sabbat zu grüßen.

Bald zählten die regelmäßigen Synagogenbesucher sie zu den Ihren, und Michael, neben seinem Vater stehend, war stolz auf ihn, diesen kräftigen, muskulösen Mann mit den freundlichen Augen, der das Lob Gottes sang.

Mit fünfzehn kam er an die Bronx High School of Science und nahm gern die allmorgendliche lange U-Bahn-Fahrt von Queens auf sich, in dem Bewußtsein, die beste Höhere Schule New Yorks zu besuchen. Aber seine erste Prüfungsarbeit machte ihm Sorgen.