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»Bei uns wird zeitig Frühstück gegessen«, sagte Bobby.

Wenn er von der Arbeit aufsah, konnte Michael durch die Tür der Anrichtekammer die Kellnerinnen sehen, wie sie geschäftig zwischen Speisesaal und Küche hin und her liefen. Da gab es alles, von häßlich bis auffallend schön. Ein Mädchen beobachtete er mit besonderem Vergnügen. Sie hatte einen guten, kräftigen Körper, dessen Bewegungen sich beim Gehen unter ihrer Uniform abzeichneten, und sah mit ihrem dichten blonden Haar aus, als wäre sie von einer Reklame für schwedisches Bier heruntergestiegen. Bobby merkte, daß er ihr nachsah, und grinste.

»Essen wir mit den Kellnerinnen?« fragte Michael.

»Die essen in Zoo.«

»Im Zoo?«

»So nennen wir Eßraum für Aushilfen. Wir essen gleich hier in Anrichteraum.«

Er merkte, daß Michael enttäuscht war, und sein Grinsen wurde noch breiter. »Sei froh. Fressen in Zoo nicht gut für Tiere. Wir essen wie Gäste.«

Bald darauf lieferte er den Beweis dafür. Michaels Frühstück bestand aus Kadota-Feigen und saurem Rahm, flaumiger Eierspeise und Würstchen, gezuckerten Erdbeeren in der Größe von Pingpongbällen und zwei Tassen starken heißen Kaffees. Umnebelt von verschlafener Zufriedenheit, kehrte Michael zu seiner Arbeit zurück.

Bobby beobachtete ihn beim Gurkenschneiden und sagte beifällig:

»Du gut arbeiten. Du gut essen. Du verdammt guter Kerl.« Michael stimmte bescheiden zu.

An diesem ersten Abend saß er auf einem vom Regen verzogenen Klavierhocker vor der Baracke. Er war müde und fühlte sich sehr allein. Drinnen spielte jemand mit Ausdauer auf einem Banjo, abwechselnd »On Top of Old Smoky« und »All I Do the Whole Night Through Is Dream of You«, jedes viermal. Michael sah zu, wie männliche Hilfskräfte und weibliche Hilfskräfte Kontakt aufnahmen.

Man hatte ihnen gesagt, daß der Umgang mit Gästen für sie verboten sei, aber Michael überzeugte sich unverzüglich davon, daß die Direktion unbesorgt sein konnte. Anscheinend hatten die meisten der Aushilfskräfte hier schon einen von vielen früheren Sommern angestammten Platz und knüpften nun, nach Cape Cod zurückgekehrt, ihre Liebesbeziehungen dort wieder an, wo sie am Labor Day des Vorjahrs aufgehört hatten. So wurde er zum neidvollen Zeugen zahlreicher Wiedersehensfreuden.

Die Männerbaracke war von den Unterkünften der Frauen durch ein dichtes Kieferngehölz getrennt. Zahlreiche Fußpfade führten durch das Gehölz weiter in die Wälder. Die Begegnungen spielten sich nach einem unverrückbaren Schema ab: Junge und Mädchen trafen einander im Gehölz, plauderten ein paar Minuten lang und verschwanden dann auf einem der schmalen Wege. Das Mädchen mit den schwedischen Zöpfen war nicht zu sehen. Es muß doch eine geben, dachte Michael, die noch keinen Partner hat.

Es begann schon zu dunkeln, als ein Mädchen allein den Weg entlang auf ihn zukam. Sie war eine große, selbstsichere Brünette in einem etwas zu engen Wellesley-Pullover; das erste und das letzte L in Wellesley waren Michael ein gutes Stück näher als die übrigen Buchstaben.

»Hi«, sagte sie, »ich heiße Peggy Maxwell. Sie sind neu hier, nicht wahr?«

Er stellte sich vor.

»Ich habe Sie schon im Anrichteraum gesehen«, sagte sie. Sie beugte sich vor. Es sah sehr eindrucksvoll aus, wenn sie sich vorbeugte.

»Würden Sie mir einen Gefallen tun? Das Essen im Zoo ist scheußlich. Könnten Sie mir morgen abend etwas aus der Spei-sekammer mitbringen?«

Er war eben im Begriff, seine Ernährungsdienste für den ganzen Sommer zu verpfänden, als das Banjo im Schuppen plötzlich schwieg und Al Jenkins in der Tür erschien. Diesmal trug er ein Trikothemd mit Princeton-Aufschrift.

»PEG-LEGS! « brüllte er begeistert.

»ALLIE POOPOO! «

Sie fielen einander in die Arme, lachend und sich aneinander haltend, mit viel gegenseitiger Abtasterei. In Sekundenschnelle waren sie Hand in Hand auf einem der verwachsenen Wege verschwunden. Hinter einer Biegung sah Michael sie noch einmal auftauchen, und er fragte sich, ob Peggy Maxwell wirklich aus Wellesley kam, oder ob das auch zur Ivy-League-Tarnung gehörte.

Seinetwegen konnte sie jedenfalls verhungern.

Er blieb auf dem Klavierhocker sitzen, bis es dunkel geworden war, dann ging er in die Baracke und knipste die schirmlose Birne an. Er holte ein Buch aus seinem Seesack, die Schriften des Aristoteles, und warf sich auf das Bett. Zwei Fliegen umsummten ein Stückchen Schokolade, das dieser Halunke Al Jenkins fallen gelassen hatte, als er Michaels einzigen Schokoladeriegel verzehrte. Michael erschlug die Fliegen mit dem Buch und warf die Kadaver in das Netz seiner Freundin. Eine kleine Motte hatte sich dort verfangen und hing nun starr, gefangen zum Tode, in der Nähe der Spinne. »Paß auf:

>Es gibt kaum einen Menschen, der an nichts Lust findet und sich der Lust nicht erfreut; solche Gleichgültigkeit ist nicht menschlich.

Selbst die Tiere unterscheiden verschiedene Arten der Nahrung und geben der einen vor anderen den Vorzug: und gäbe es ein Wesen, das nichts angenehm findet, und kein Ding mehr wert, danach zu streben, als irgendein anderes Ding - es müßte ein Wesen sein, das ganz anders ist als der Mensch: solches Wesen hat keinen Namen erhalten, weil es kaum je zu finden ist.< «

Als Michael den Absatz beendet hatte, waren die beiden Fliegen verschwunden und die Spinne saß wieder reglos in ihrem Netz. Die Motte war noch immer da. »Du gut zuhören. Du gut essen. Du verdammt guter Kerl«, sagte er. Die Spinne widersprach dem nicht.

Er knipste das Licht aus, entkleidete sich bis auf die Unterwäsche und ging ins Bett. Bald schliefen sie beide, die Spinne und er. Drei Wochen lang arbeitete er im Anrichteraum, aß, schlief und war allein. Als Al Jenkins gesehen hatte, daß er Aristoteles las, konnte er auch die Mitteilung nicht mehr für sich behalten, daß Michael mit Spinnen sprach; schon nach fünf Tagen war Michael als Sonderling abgestempelt. Ihm war das gleichgültig. Unter all diesen Idioten gab es nicht einen, mit dem er sich auch nur fünf Minuten lang hätte unterhalten wollen.

Das Mädchen mit den Zöpfen hieß Ellen Trowbridge. Das erfuhr er, nachdem er seinen Stolz so weit überwunden hatte, daß er Jenkins fragte.

»Die ist nichts für dich zum Vernaschen, mein Junge«, sagte Jenkins. »Die ist ein frigides Stück aus Radcliffe und absolut un-

brauchbar. Verlaß dich auf einen erfahrenen Mann.«

Dienstagnachmittag hatte sie frei. Diese Information verschaffte sich Michael von Peggy Maxwell durch Bestechung mit einem Hammelkotelett. Sein freier Tag war Donnerstag, aber Bobby Lee willigte ohne Zögern in einen Tausch.

Am Montagabend ging er zu den Mädchenunterkünften, klopfte an und fragte nach ihr. Sie kam heraus und betrachtete ihn stirnrunzelnd.

»Ich heiße Michael Kind. Wir beide haben morgen nachmittag frei.

Ich wollte Sie fragen, ob Sie mit mir zu einem Picknick kommen möchten.«

»Nein, danke«, sagte sie eindeutig. Drinnen in der Unterkunft lachte jemand.

»Ich wäre gern mit Ihnen an den Strand gegangen«, sagte er. »Es sind zwar eine Menge Leute dort, aber es ist recht hübsch.«