Herndon dachte nach. Das Sternsteingeschäft war das bösartigste in der ganzen Galaxis; die hypnotischen Steine wurden schnell zu einer Sucht, und jeder, der sich ihnen länger als ein Jahr lang aussetzte, verlor den Verstand.
Süchtig zu werden, war nicht schwer. Nur ein sehr fester Charakter konnte seinen Blick von einem Sternstein, in den er einmal geschaut hatte, wieder losreißen. Herndon hatte sich als stark erwiesen. Ein Mann, der einen neuerworbenen Sklaven töten konnte, konnte sich auch von einem Sternstein losreißen.
»Wie lauten die Bedingungen?« fragte er.
»Es wird eine umfassende Verpflichtung«, sagte Benjin. »Einschließlich eines chirurgisch eingepflanzten Sicherungsgeräts.«
»Das gefällt mir nicht.«
»Wir alle tragen eines«, sagte Oversk. »Selbst ich.«
»Wenn jeder eines bei sich hat«, sagte Herndon, »wer hat dann die Kontrolle über Sie?«
»Wir machen das gemeinsam. Ich kümmere mich um die Kontakte zu den Außenwelten; Oversk macht potentielle Kunden aus. Dorgel und Razumond sind ständig unterwegs und kümmern sich um das Einsammeln und den Schutz der Steine. Wir kontrollieren uns gegenseitig.«
»Aber es muß doch jemanden geben, der die Hauptkontrolle über die Geräte hat«, protestierte Herndon. »Wer ist das?«
»Das wechselt von Monat zu Monat. Diesen Monat bin ich damit dran«, sagte Benjin. »Im nächsten ist es Oversk.«
Herndon lief erregt auf und ab. Es war ein verlockendes Angebot — fünftausend im Monat erlaubten ihm ein Leben in Luxus. Und Oversk war der Bruder von Lord Moaris, der als Vertrauter des Seigneurs bekannt war.
Und die Frau von Lord Moaris kontrollierte den Lord. Herndon sah schemenhaft eine Vorgehensweise vor sich, die es ihm am Schluß ermöglichen würde, den Seigneur Krellig in seine Hände zu bekommen.
Daß er sich dazu aber einen Kontrollmechanismus in den Körper einpflanzen lassen sollte, behagte ihm gar nicht. Er wußte genau, wie diese Apparate arbeiteten; sollte er auch nur einmal die Organisation verraten, betrügen oder den Versuch machen, sie ohne gewichtigen Grund zu verlassen, würde derjenige, der die Steuerung über diese Geräte besaß, ihn zu einem wimmernden Sklaven machen. Das Kontrollgerät konnte nur von dem Chirurgen, der es eingepflanzt hatte, wieder aus seinem Körper entfernt werden.
Mit seiner Einwilligung würde er sich dem Diktat dieser Gruppe von Sternsteinschmugglern unterwerfen. Aber schließlich hatte Herndon weiterreichende Absichten.
»Ich stimme vorläufig zu«, sagte er. »Erzählen Sie mir genau, woraus meine Pflichten bestehen.«
Benjin erklärte es ihm: »Auf einem der Planeten, von dem wir die Sternsteine beziehen, steht eine Sendung zum Verschicken bereit. Wir möchten, daß Sie zu dieser Welt reisen und die gesamte Ladung auf ihrem Weg nach Borlaam begleiten. Wir haben durch Diebstähle große Verluste während des Transportes erlitten — und man kann Sternsteine nicht gegen Verlust versichern.«
»Wir wissen auch, wer der Dieb ist«, sagte Oversk. »Sie sind dafür verantwortlich, ihn auf frischer Tat zu stellen und zu töten.«
»Ich bin kein Mörder«, sagte Herndon ruhig.
»Sie sind ein Weltraumtramp — das spricht nicht gerade für den höchsten moralischen Stand Ihrer Einstellung«, sagte Oversk.
»Außerdem spricht niemand von Mord«, sagte Benjin. »Es handelt sich nur um eine Hinrichtung.«
Herndon verschränkte seine Arme vor seinem Körper und sagte: »Ich möchte zwei Monatsgehälter im voraus. Ich möchte einen Beweis dafür, daß jeder von Ihnen ein solches elektronisches Gerät im Körper trägt, bevor ich mich selbst einer chirurgischen Behandlung unterziehe.«
»Einverstanden«, sagte Benjin nach einem fragenden Blick in die Runde.
»Weiterhin möchte ich als einmalige Zahlung die Summe von neunhundertdreißig Gold-Stellars, die ich heute morgen dafür ausgegeben habe, die Aufmerksamkeit eines möglichen Arbeitgebers auf mich zu lenken.«
Das war eine Lüge, aber er hatte guten Grund dazu; es war nur klug, ein beherrschendes Verhältnis mit diesen Leuten herzustellen, so schnell es ging. Dann würden sie später leichter zu Konzessionen ihrerseits bereit sein.
»Einverstanden«, sagte Benjin erneut, wenn auch etwas zögernder.
»In diesem Fall«, sagte Herndon, »betrachte ich mich als von Ihnen angestellt. Ich bin bereit, noch heute nacht aufzubrechen. Sobald meine Bedingungen, die ich genannt habe, zu meiner Zufriedenheit erfüllt sind, werde ich meinen Körper Ihrem Chirurgen überantworten.«
3.
Später an diesem Nachmittag, als die Summe von zehntausendneunhundert und dreißig Stellars auf seinen Namen bei der Royal Borlaam Bank am Galaxy-Square hinterlegt worden waren und er die Kontrollgeräte in den Körpern von Benjin, Oversk, Dorgel und Razumond gesehen hatte, legte er sich selbst unter das Messer des Chirurgen. Mehr Beweise ihres guten Willens konnte er nicht verlangen; ein kleiner Rest Risiko blieb ihm allemal.
Die Wohnung des Chirurgen befand sich am anderen Ende der Bronze-Avenue in einem verfallenen alten Haus, das zweifelsohne in den Tagen des Dritten Imperiums gebaut worden war. Der Arzt selbst war ein drahtiger Kerl mit einer breiten Narbe über einer Wange und einem etwas kürzeren linken Bein. Ein ehemaliger Arzt auf einem Piratenschiff, erkannte Herndon sofort. Kein anderer Arzt würde eine solche Operation ohne Fragen zu stellen ausführen. Jetzt hoffte er nur, daß der Mann sein Handwerk verstand.
Die Operation selbst dauerte eine Stunde, während der Herndon unter völliger Betäubung dalag. Als er erwachte, wurde gerade die kupferne Operationsglocke, unter der er gelegen hatte, weggezogen. Er spürte keine Veränderungen an sich, obwohl er wußte, daß ein metallener Gegenstand in seinen Körper gepflanzt worden war.
»Nun, alles fertig?«
»So ist es«, bestätigte der Chirurg.
Herndon sah zu Benjin. Der kleine Mann hielt einen metallenen Gegenstand in den Händen. »Das ist das Kontrollgerät, Herndon. Ich möchte es vorführen.«
Er schloß die Hand, und im gleichen Augenblick verspürte Herndon einen stechenden Schmerz in seiner linken Ferse. Eine weitere kleine Bewegung Benjins, und ein brennender Schmerz zuckte durch Herndons Schulter. Noch eine dritte Einstellung, bei der sich eine unerbittliche Hand um sein Herz zu krampfen schien.
»Genug!« schrie Herndon. Ihm wurde bewußt, daß er seine Freiheit für immer verpfändet hatte, wenn Benjin auf den Gedanken kommen sollte, Kontrolle über ihn auszuüben. Aber das war ihm jetzt unwichtig. Er hatte seine Freiheit schon an dem Tag aufgegeben, als er sich geschworen hatte, dem Sterben des Seigneurs Krellig zuzuschauen.
Benjin griff in seine Tasche und zog ein kleines Lederetui hervor. »Ihr Paß und andere Reiseunterlagen«, erklärte er.
»Ich habe meinen eigenen Paß«, sagte Herndon.
Benjin schüttelte den Kopf. »Der ist besser. Er hat bereits ein Visum für Vyapore.« An den Chirurgen gewandt, fragte er: »Wann darf er reisen?«
»Heute nacht, wenn nötig.«
»Gut. Herndon, Sie fliegen heute nacht.«
Das Schiff war die Lord Nathiir, ein Super-Liner, der zu einer Eintausend-Lichtjahre-Reise zu den Randwelten aufbrach. Benjin hatte es so arrangiert, daß Herndon kostenlos auf diesem Luxusschiff mitfliegen konnte, weil er zum Gefolge des Lords und der Lady Moaris gehörte. Oversk hatte ihm den Job besorgt — Zweiter Steward für das herrschaftliche Paar, das zu einem Urlaubsaufenthalt auf den Vergnügungsplaneten Mollecogg flog. Herndon hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt, in der Gesellschaft von Lord — und speziell Lady — Moaris zu reisen.
Das Schiff war das größte seiner Art innerhalb der Luxusschiff-Flotte von Borlaam. Selbst auf dem C-Deck, in seiner Kabine, stand Herndon ein voll mit Schwerkraft versehener Raum mit künstlichem Tuchbehang und eingebauten Chromicron zur Verfügung; so gut war es ihm nicht einmal im Hause seiner Eltern ergangen, und die hatten zu ihrer Zeit zu den ersten Leuten von Zonnigog gehört.