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Read schwieg.

»Gott verdammt!«, fluchte Blomefield.

Ein Ausdruck des Missfallens huschte über das Gesicht des Admirals, denn Dalryde war ein eifriger Kirchgänger und missbilligte Kraftausdrücke, bei denen der Name Gottes im Munde geführt wurde. Auf See hatte er sich den Ruf eines strengen Zuchtmeisters erworben, der jede Gotteslästerung mit Auspeitschen bestrafte. Es ging das Gerücht um, dass Offiziere und Matrosen, die unter ihm gedient hatten, mit großer Erleichterung auf seine Versetzung ins Marineministerium reagiert hatten.

»Würde der Generalinspekteur die Güte haben, sein Wissen mit uns zu teilen?«, zischte der Seelord.

Blomefield warf James Read einen Zustimmung heischenden Blick zu, doch der Oberste Richter ignorierte die stumme Bitte.

»Ich habe mir nur überlegt … sollte es sich tatsächlich um denselben Mann handeln, so hat er, gelinde gesagt, eine interessante Vergangenheit.«

»Klären Sie uns auf!«

Blomefield wünschte sich wohl, er hätte den Mund gehalten, denn er antwortete nur zögerlich: »Ich glaube, mich daran erinnern zu können, dass es während seines Militärdienstes einen Zwischenfall gegeben hat. Dabei ging es um einen Ehrenhandel. Er … hm … hat im Duell einen Offizier getötet.«

Während Blomefield unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte, wandte sich der Seelord fragend an James Read: »Stimmt das?«

Der Oberste Richter nickte. »Ja. Der Generalinspekteur hat Recht.«

»Und Sie haben von Hawkwoods Vergangenheit gewusst, ehe er für Ihre Behörde arbeitete?«

»Natürlich. Ich überprüfe alle meine Mitarbeiter mit größter Sorgfalt.«

Der Seelord starrte den Obersten Richter entgeistert an.

»Großer Gott, Mann! Ich muss noch heute Vormittag dem Premierminister und dem Innenminister Bericht erstatten. Wie, zum Teufel, soll ich ihnen begreiflich machen, dass der mit den Ermittlungen dieses Falls betraute Beamte, ein ehemaliger einfacher Soldat, einen Offizier im Duell getötet hat? Erklären Sie mir das!«

»Ein einfacher Soldat?«, widersprach Read schnell. »Hawkwood war ein ungewöhnlich guter Offizier, und ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, Mylord, dass der Ruf des Rifle Regiments ausgezeichnet ist.«

»Natürlich kenne ich deren Reputation«, entgegnete der Seelord scharf. »Und mir ist ebenfalls bekannt, dass es widersprüchliche Ansichten über die Kampfmethoden dieser Truppe gibt.«

Der Oberste Richter schürzte die Lippen. »Ich gebe zu, dass ihre Taktik eher unorthodox …«

»Unorthodox?«, schnitt Yorke ihm schnarrend das Wort ab.

»Unorthodox ist nichts als ein euphemistischer Terminus für undiszipliniert. Wie es heißt, exerzieren die Offiziere sogar gemeinsam mit ihren Rekruten!«

»Mit guten Ergebnissen«, konterte Read. »Hawkwood ist ein ausgezeichneter Polizist mit etwas unkonventionellen Methoden, zugegeben. Aber meine jahrelangen Erfahrungen im Umgang mit Gesetzesbrechern rechtfertigen den Einsatz ungewöhnlicher Mittel.«

Dem Seelord schien es die Sprache verschlagen zu haben, denn er starrte den Obersten Richter nur mit offenem Mund an.

»Diese Ansicht entbehrt nicht einer gewissen Logik«, warf Blomefield ein. »Ein im Töten erfahrener Jäger bringt Mörder zur Strecke. Ich bin der Meinung, Sie haben den richtigen Mann für diese Aufgabe gewählt. Es würde mich jedoch interessieren, unter welchen Umständen Hawkwood in Ihre Dienste trat.«

James Read deutete diese lächelnd formulierte Frage als ein Entgegenkommen des Generalinspekteurs und sagte schnelclass="underline" »Er wurde mir empfohlen.«

»Von wem?«, hakte Blomefield nach.

»Von Colonel Colquhoun Grant.«

Blomefield schnappte höchst beeindruckt nach Luft, denn Colquhoun Grant war einer von Wellingtons erfahrensten Kundschaftern. Kundschafter arbeiteten hinter den feindlichen Linien und spähten die Größe und das Bewegungsmuster der gegnerischen Truppen aus. Offizier Grant war das Hauptverbindungsglied zwischen den Guerilleros und dem Nachrichtendienst des Herzogs. Und obwohl die Aktivitäten des Colonels strengster Geheimhaltung unterlagen, war er in Militärkreisen eine bekannte Persönlichkeit.

»Gott verdammt!«, fluchte Blomefield wieder. »Die Gerüchte stimmen also. Ihr Mann ist damals in die Berge geflüchtet.«

Dann wandte sich der Generalinspekteur lächelnd an den Seelord: »Ich habe nicht den Mut, mich mit Colonel Grant anzulegen. Wie stehen Sie dazu, Mylord?«

Charles Yorke bedachte Blomefield nur mit einem bösen Blick.

Insgeheim mochten sich der Seelord und die beiden dem Ministerium zugeordneten Offiziere wohl die Frage stellen, warum James Read den obersten Nachrichtenoffizier Wellingtons persönlich kannte, aber niemand wagte diese Frage auszusprechen. In eingeweihten Kreisen kursierte das Gerücht, dass die Befugnisse des Obersten Richters weit über innenpolitische Angelegenheiten hinausgingen und dass zwischen der Bow Street und den verschiedensten Behörden geheim gehaltene Verbindungen bestünden. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, es gebe sogar einen Spionagering. Doch diese Vermutung würde wie viele andere in diesem zweifelhaften Metier weder bestätigt noch geleugnet werden.

»Darf ich interessehalber noch fragen, wen Hawkwood in diesem Duell getötet hat?«, wollte Dalryde jetzt wissen.

In James Reads Wange zuckte ein Nerv. »Es war Delancey, ein Neffe des Herzogs von Rutland.«

»Kein großer Verlust, wenn ich mich recht erinnere«, murmelte Blomefield.

»Das ist ein ziemlich harsches Urteil«, meinte Dalryde und hob missbilligend eine Braue.

»In der Tat«, stimmte der Seelord zu und fixierte den Generalinspekteur mit scharfem Blick. »Nach allem, was man hört, handelt es sich um eine ehrenwerte Familie. Und könnten Sie dem Admiral und mir bitte näher erklären, warum Hawkwood seinerzeit in die Berge flüchtete?«

James Read fing Blomefields um Unterstützung heischenden Blick auf und nickte nach kurzem Zögern.

Thomas Blomefield sammelte seine Gedanken und sagte: »Die ganze Geschichte trug sich während der Schlacht bei Talavera zu.«

»Das 95. Rifles Regiment unterstand damals doch Crauford, nicht wahr? Ich dachte, die Marschkolonne hätte an dem Kampf nicht teilgenommen, weil sie erst einen Tag später dort eintraf.«

»Das stimmt«, bestätigte Blomefield nickend. »Aber Hawkwood gehörte nicht zum Haupttrupp. Wellington hatte eine Hand voll Scharfschützen angefordert und sie dem Vorauskommando zugeteilt. Wellington wollte wohl wissen, ob das Rifles Regiment seinem Ruf gerecht wurde. Und Hawkwood war unter den Auserwählten.« Blomefield fügte grinsend hinzu: »Er scheint die irritierende Angewohnheit zu haben, immer im richtigen Augenblick am richtigen Ort zu sein.«

»Offensichtlich«, bemerkte der Seelord sarkastisch. »Und was ist dann passiert?«

»Es geschah nach dem Angriff der Franzosen unter dem Kommando von Lapisse und Sabastiani, den Sherbrooks Division abgewehrt hat. Das Gardekorps und die Deutschen hätten sich beinahe überrannt und haben hintereinander den Fluss überquert. Erinnern Sie sich daran, Mylord?«

Der Seelord nickte nur wortlos. In den Zeitungen war ausführlich über diese Schlacht berichtet worden, ohne allerdings Hawkwoods Beteiligung daran zu erwähnen. Zum Glück.

»Captain Hawkwood hat dem Major der Garde geraten, am Ufer zu bleiben und die Flanke zu sichern, weil es zu riskant sei, den Fluss zu überqueren und so vom Haupttrupp abgeschnitten zu werden. Und dieser Major war Delancey, der Neffe von … na, Sie wissen schon. Hawkwood hätte genauso gut einem Stier eine Muleta vor die Augen halten können. Ein Major und künftiges Mitglied des britischen Hochadels lässt sich von einem Captain doch nicht sagen, was er tun oder lassen soll. Natürlich hat Delancey die Warnung in den Wind geschlagen, und es ist genau das eingetreten, was Hawkwood prophezeit hat. Kaum hatte die Garde den Fluss überquert, gingen die Franzosen zum Gegenangriff über.