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»Ich glaube, der Kerl hat dich nicht gehört, Giles!«, sagte der Linke mit dem pausbäckigen Gesicht und der kurzbeinigen, gedrungenen Statur. »Er ist offensichtlich taub und blöd dazu!«

Dann hielt er seine Hände trichterförmig vor den Mund und rief: »Hast du nicht gehört, Mann? Er hat gesagt, du sollst dich verpissen!« Lachend sah er seine Freunde um Beifall heischend an.

Hawkwood schenkte den dreien keine Beachtung, sondern fragte die junge Dame: »Sind Sie verletzt?«

Die Lady schüttelte nur schweigend den Kopf. Wie schön sie ist, dachte Hawkwood bewundernd. Noch nie habe ich derart ausdrucksvolle dunkle Augen gesehen. Im Haar trug sie eine Perlenschnur, die im Schein der Laterne schimmerte. Ihr Busen bebte unter dem feinen Musselingewebe ihres Kleides. Nur widerstrebend wandte Hawkwood den Blick ab.

Sein Instinkt sagte ihm, dass der mittlere der drei der Wortführer war. Er schätzte den jungen Mann mit den scharfen Gesichtszügen und dem schmalen Mund auf Anfang zwanzig. Er war es zweifelsohne gewohnt, seinen Willen durchzusetzen. Mit einem Ausdruck äußerster Verärgerung musterte er jetzt Hawkwood und sagte barsch: »Nun?«

»Nun, was?«, erwiderte Hawkwood gelassen. »Offensichtlich ist die junge Lady Ihrer Gesellschaft überdrüssig geworden. Ich schlage vor, Sie und Ihre Freunde suchen woanders Ihr Vergnügen.«

Dann herrschte absolute Stille. Nur vom Herrenhaus her drang gedämpft durch die Bäume und Sträucher leise Musik, Stimmengewirr und fröhliches Gelächter.

»Was hast du gesagt?«, fragte der junge Mann und kniff die Augen zusammen.

»Sollte ich mich unverständlich ausgedrückt haben?«, sagte Hawkwood.

»Weißt du überhaupt, wer ich bin?«, konterte der Schnösel herrisch.

»Nein, und es interessiert mich auch nicht«, sagte Hawkwood.

Der junge Mann schnappte empört nach Luft, doch zu Hawkwoods Überraschung lachte der rechts neben ihm stehende, anscheinend etwas nüchtern gewordene Freund und sagte: »Bei Gott, Ruthers! Ich frage mich, wo Mandrake den aufgegabelt hat. So einen primitiven Kerl.« Noch immer grinsend fügte er hinzu: »Vielleicht sollten wir ihn aufklären. Darf ich vorstellen: Dies, mein unverschämter Freund, ist John Rutherford, der Sohn von Sir Pierce Rutherford. Der korpulente Gentleman ist James Neville. Und was meine Wenigkeit betrifft, so bin ich leider Giles Campbell. Mein Vater ist Sir Greville Campbell. Und du bist …?«

»Jemand, der eine Lektion verdient hat«, sagte Rutherford hämisch. »Und die werde ich ihm höchstpersönlich erteilen.«

Hawkwood seufzte. »Das wäre ein Fehler.«

Ruckartig hoben alle drei die Köpfe.

»Ein Fehler! Hast du das gehört, Ruthers?«, rief Neville.

»Ein Fehler, na, so was! Bei Gott, eins muss man dem Kerl lassen: Mut hat er! Was meinst du?«

»Ich sage, er ist ein Emporkömmling, dem ich gleich eine scheuern werde«, belferte Rutherford. »Verdammt noch mal, ich lasse mir doch von einem Dienstboten nichts vorschreiben!«

»Womit du absolut Recht hast«, stimmte Neville zu. »Wo kämen wir denn da hin?«

»Mach dich besser auf den Weg, mein Freund«, sagte Campbell gutmütig und nur leicht nuschelnd. »Geh zurück in die Küche, solange du noch eine Chance dazu hast.«

»Ganz recht, verschwinde jetzt«, ergänzte Neville grinsend.

»Aber sei so gut und lass das Flittchen hier. Wir sind noch nicht dazu gekommen, so richtig ihre Bekanntschaft zu machen.«

Hawkwood spürte, wie sich die junge Frau an seiner Seite versteifte, und sagte zu Neville: »Ich bin der Meinung, ihr solltet euch bei der Lady entschuldigen. Und zu deiner Information, du betrunkener Scheißkerclass="underline" Ich bin kein verdammter Dienstbote!«

Wahrscheinlich war es der Ausdruck in Hawkwoods Augen sowie dessen Worte und Ton, der Neville erstarren ließ und ihn warnte, dass er womöglich einen schweren Fehler begangen hatte. Langsam ließ er den Blick über Hawkwood schweifen, und zum ersten Mal flackerte Zweifel in seinen Schweinsäugelein auf.

Hawkwood musterte John Rutherford, so dass ihm verschiedene Gedanken durch den Kopf gingen: Wenn dieser Mann, der ihr abendliches Vergnügen gestört hatte, kein Dienstbote war, könnte er womöglich ein Gast des Hauses sein. Auch wenn seine unauffällige Kleidung nicht darauf schließen ließ. Rutherfords Neugier war offensichtlich geweckt.

»Also, Sir, wer sind Sie?«, wollte Campbell wissen. »Na los, raus damit!«

»Ich heiße Hawkwood.«

»Tja, Mr. Hawkwood, wenn jemand eine Entschuldigung verdient hat, so wohl mein Freund Neville. Und auch Rutherford, denn ihm hat sie schöne Augen gemacht und sich dann geziert. War’s nicht so, Rutherford? Aber sie ist nichts als eine berechnende Mieze. Was ist das für eine traurige Welt, in der ein Mann einem Mädchen nicht mehr zulächeln darf, ohne als Wüstling beschimpft zu werden! Wir sollen uns bei ihr entschuldigen? Pah! Wofür denn? Na los, Ruthers, sag’s ihm!«

»Stimmt genau«, sagte John Rutherford verächtlich. »Dieses Flittchen hat mich aufgegeilt und dann die Spröde gespielt.«

»Ce n’est pas vrai!«, widersprach die junge Frau mit blitzenden Augen. Hawkwood spürte förmlich ihre hitzige Wut.

Rutherford schoss die Röte in sein blasses, arrogantes Gesicht. Offensichtlich hatte er verstanden, was die junge Dame gesagt hatte. Vielleicht nicht die Worte, aber deren Bedeutung. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte er: »Dieses Miststück hat mich einen Lügner genannt. Ihr Wort steht also gegen meines. Wem glauben Sie?«

Hawkwood sah ihm direkt in die Augen. »Ihr natürlich. Mit dem größten Vergnügen.«

Diese Beleidigung verschlug Rutherford zunächst die Sprache. Giles Campbell schnappte nach Luft, während James Neville nur verwirrt aussah.

»Was, Sie unverschämter …«, belferte Rutherford, vor Wut schäumend und trat mit geballten Fäusten einen Schritt vor.

»Mach dich nicht zum Idioten, mein Junge«, sagte Hawkwood. »Gib auf. Geh mir einfach aus den Augen.«

Diese Maßregelung brachte das Fass zum Überlaufen. Rutherford holte mit wutverzerrtem Gesicht zum Schlag aus. Hawkwood reagierte blitzschnell und packte mit eisernem Griff dessen rechtes Handgelenk.

»Ich habe dich gewarnt, Bürschchen«, sagte Hawkwood verächtlich und ließ Rutherfords Hand los. »Zwing mich nicht, dir wehzutun.«

John Rutherford, jetzt blass vor Wut, rieb sich das Handgelenk. »Was fällt Ihnen ein! Niemand behandelt mich derart grob oder spricht in diesem Ton mit mir! Ich verlange Satisfaktion!«

»Was?«, sagte Hawkwood ungläubig. »Sind Sie verrückt? Sie fordern mich heraus? Um Himmels willen, ich bin ein Vertreter des Gesetzes und habe den dienstlichen Auftrag, Lord Mandrakes Hab und Gut zu schützen. Und Sie fordern mich zum Duell heraus? Dafür könnte ich Sie festnehmen.«

Auf Rutherfords Stirn pulsierte eine Ader. »Sie wollen mich festnehmen? Mein Vater kauft und verkauft Abschaum Ihresgleichen! Ob Gendarm oder Oberster Richter, niemand beleidigt und verleumdet mich im Beisein meiner Freunde. Ich verlange eine Entschuldigung! Oder Sie nennen mir Ihren Sekundanten, damit ich Ihnen eine Lektion erteilen kann, die Sie lehren wird, in Zukunft Ihre Zunge zu hüten!«

Hawkwood traute seinen Ohren nicht und dachte nur: Das ist der schiere Wahnsinn! Er merkte, dass die junge Frau ihn ansah, und versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu interpretieren. War es Verwirrung? Besorgnis? Oder etwas anderes? Er wusste es nicht. Ihrem empörten Ausruf zufolge war sie Französin, beherrschte jedoch offensichtlich die englische Sprache und hatte verstanden, worum es bei der Auseinandersetzung ging. Erwartete sie etwa von ihm, dass er seine Worte zurücknahm und feige davonlief?