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»Dieser Idiot! Dieser verdammte, arrogante Idiot!«

Hawkwood wartete.

»Ich dachte, wenn ich den Kerlen erzähle, dass Sie erfahren im Austragen von Ehrenhändeln sind, würden sie einen Rückzieher machen. Das war leider ein Irrtum.«

»Sie haben zumindest versucht, die Gentlemen zur Vernunft zu bringen, Major. Es ist nicht Ihre Schuld, dass der Versuch fehlgeschlagen ist.«

»Dieser Idiot ist entweder zu stolz oder zu blöd, um nachzugeben. Ich hatte gehofft, dass Campbell Einfluss auf seinen Freund hat, aber er ist wohl auf taube Ohren gestoßen. Mein Versuch, eine friedliche Lösung für diese verfahrene Situation zu finden, ist kläglich gescheitert.«

»Etwas anderes haben Sie doch nicht wirklich erwartet, oder?«, fragte Hawkwood.

»Ich war wohl ein wenig zu optimistisch«, sagte Lawrence.

»Nun, die Würfel sind gefallen, wie Sie vorhin sagten. Der Junge hat sich entschieden, jetzt muss er damit leben.« Der Major straffte die Schultern und fuhr fort: »Weil es mir nicht gelungen ist, einen der Kontrahenten davon abzuhalten, sich leichtfertig in dieses Abenteuer zu stürzen, müssen wir jetzt Ort und Waffenart festlegen.« Wieder durchbohrte Lawrence Hawkwood mit seinem Blick. »Da Sie herausgefordert wurden, liegt die Wahl der Waffen bei Ihnen. Was soll ich Ihrem Kontrahenten übermitteln?«

Da lächelte Hawkwood.

7

Der Austragungsort für das Duell war von den Kontrahenten sorgfältig gewählt worden. Die in einem Wäldchen versteckte Lichtung namens Dell lag am südlichen Rand des Hyde Parks, nahe am Ufer des Serpentine-Sees.

Auch an anderen, überall im Stadtgebiet verstreut liegenden Orten wurden private Ehrenhändel ausgetragen. Dazu gehörten im Norden die Ring Road, eine Grünfläche in Lincoln’s Inn Fields und am Bloomsbury Square.

Zur vereinbarten Zeit – eine Stunde nach Sonnenaufgang – lag die Lichtung im diesigen Schein der Morgenröte. Das noch vom Tau feuchte Gras glänzte silbern. Eine nur von Vogelgezwitscher unterbrochene Stille herrschte an diesem Ort, und viele Leute hätten ein Duell gerade hier als ein Sakrileg empfunden. Doch die Abgeschiedenheit und die frühe Stunde verringerten das Risiko, entdeckt zu werden.

Hawkwood und der Major wurden von ihren Kontrahenten bereits erwartet. James Neville und Giles Campbell nahmen das Eintreffen der beiden mit einem knappen Nicken zur Kenntnis. Auf John Rutherfords Gesicht glaubte Hawkwood einen flüchtigen Ausdruck der Überraschung wahrzunehmen, so als hätte er nicht erwartet, dass der Runner tatsächlich erscheinen werde. Dann warf ihm Rutherford einen finsteren Blick zu und drehte sich um. Etwas abseits stand eine jämmerlich aussehende Gestalt in einem dunklen Umhang und schniefte in ein zerknülltes Taschentuch.

»Herrgott!«, murmelte Major Lawrence erbost, »dieser Arzt pfeift ja aus dem letzten Loch. Ich frage mich, aus welcher Kneipe sie den gezerrt haben.«

Hawkwood enthielt sich eines Kommentars, denn von einem Arzt, der einem Duell beiwohnte, wurde nicht erwartet, dass er gesund und munter war, sondern nur diskret. Beide Parteien zahlten anteilig sein Honorar und erkauften sich damit nicht nur seine Dienste, sondern vor allem sein Schweigen. Allein der Arzt würde von dieser Auseinandersetzung profitieren.

Da trat James Neville vor. Er gab sich brüsk und dienstbeflissen, als er sie begrüßte: »Guten Morgen, Gentlemen. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, übernehme ich die Leitung des Prozedere. Kommen wir gleich zur Sache. Nachdem beide Parteien Zeit hatten, über diese Forderung nachzudenken, frage ich Sie jetzt, ob einer der Kontrahenten seine Meinung geändert hat und von dem Duell Abstand nehmen will.«

Giles Campbell, der Bevollmächtigte John Rutherfords, schüttelte nur den Kopf. Nachdem Major Lawrence Hawkwood noch einmal bittend angesehen und keine Reaktion erhalten hatte, tat er dasselbe.

Worauf James Neville entschlossen nickte und konstatierte: »So soll es denn sein. Folgen Sie mir bitte.«

Er ging zum Rand der Lichtung voran, wo ein kleiner Klapptisch unter den Bäumen stand. Darauf lag ein schwarzes Samttuch, unter dem sich ein eckiger Gegenstand abzeichnete. James Neville schlug das Tuch zurück, öffnete wortlos den Deckel eines flachen Etuis aus Mahagoniholz, trat beiseite und sagte zu Hawkwood: »Ich gehe davon aus, dass Sie mit der Wahl der Waffen einverstanden sind.«

Hawkwood warf einen flüchtigen Blick in das Etui und nickte.

»Sehr gut. Dann darf ich die Sekundanten bitten, die Pistolen zu inspizieren.«

Die beiden identischen Mortimer-Pistolen hatten vierzig Zentimeter lange, achteckige Läufe und waren in ihrer schlichten Ausführung Musterbeispiele erlesener Waffenschmiedekunst. Nachdem sich beide Sekundanten nach gründlicher Inspektion der Waffen zufrieden zeigten, deutete Neville auf das Etui und verkündete: »Gentlemen, bitte treffen Sie Ihre Wahl.«

Hawkwood zog seinen Rock aus und reichte ihn Major Lawrence. Er griff ohne Zögern nach der zuvorderst im Etui liegenden Pistole, denn der Major hatte sich vergewissert, dass beide Waffen Kugeln von derselben Größe und dieselbe Menge Pulver enthielten.

Nachdem John Rutherford die zweite Pistole an sich genommen hatte, räusperte sich James Neville, ehe er weitere Anweisungen gab. »Stellen Sie sich jetzt Rücken an Rücken. Wenn ich zu zählen beginne, gehen Sie zwölf Schritte in die jeweils entgegengesetzte Richtung. Auf mein Signal hin drehen Sie sich um und schießen. Ist das klar?«

Beide Männer nickten. Hawkwood spürte, dass seine Kehle vollkommen ausgetrocknet war, und er fragte sich, ob sein Gegner unter ähnlichen Beschwerden und Magenschmerzen litt.

Mit denselben Gefühlen war er im Duell gegen Delancey angetreten. Ein kaltes Prickeln war ihm über den Rücken gelaufen, und seine Achselhöhlen waren schweißnass gewesen. Ein Zeichen lähmender, quälender Angst vor dem Tod. Oder noch schlimmer, derart schwer verletzt zu werden, dass er wie viele andere Krüppel ein Dasein als Bettler auf den Straßen fristen müsste.

Da ist mir der Tod lieber, dachte Hawkwood. Wenigstens werde ich nicht sterben, ohne den Namen dieser schönen Lady erfahren zu haben. Nur ihretwegen riskiere ich jetzt mein Leben.

Catherine de Varesne war nicht mehr unter den Gästen gewesen, als Hawkwood und Major Lawrence aus dem Garten ins Herrenhaus zurückgekehrt waren. Zweifelsohne hatte sie es vorgezogen, eine weitere Begegnung mit John Rutherford und dessen Freunden zu vermeiden. Der Major hatte es dann übernommen, sich diskret nach der jungen Lady zu erkundigen.

Sie war keine Französin, wie Hawkwood zunächst angenommen hatte, sondern die Tochter eines Franzosen und einer Portugiesin. Ihr Vater, der Marquis de Varesne, war Minister am Hofe Louis VIII. gewesen und war wie hunderte andere Aristokraten mit der Guillotine hingerichtet worden. Von größerer Bedeutung war jedoch die Tatsache, dass er ein enger Vertrauter des Comte d’Artois gewesen war. Da der Comte zurzeit im Exil in England lebte, erklärte das wohl Catherine de Varesnes Anwesenheit auf dem Ball.

»Ich muss schon sagen, mein Freund«, hatte der Major bemerkt. »Sie haben einen exzellenten Geschmack, was Frauen betrifft. Aber die Art, wie Sie ihre Bekanntschaft machen, lässt doch sehr zu wünschen übrig.«

In dem Moment riss Nevilles Stimme Hawkwood aus seinen Tagträumen.

»Auf die Plätze, Gentlemen«, rief er und dann: »Los!«

Hawkwood warf einen Blick nach rechts und sah, dass der Major die Lippen bewegte und lautlos zu Nevilles monotoner Stimme die Schritte mitzählte.