Im Haus hatte sie ihn sogleich zu einem Sofa im Wohnzimmer geführt. Dann war sie verschwunden und etwas später mit einer Schüssel heißen Wassers und Verbänden wieder aufgetaucht.
»Ziehen Sie Ihr Hemd aus!«, befahl sie. »Oder soll ich es für Sie tun?«, fragte sie mit funkelnden Augen. »Sollten Sie Angst haben, mich zu kompromittieren, so kann ich Sie beruhigen. Mein Hausmädchen ist verschwiegen. Niemand wird uns stören.« Lächelnd fügte sie dann hinzu: »Oder ist es Ihnen peinlich, sich vor mir zu entblößen? Wohl kaum, oder? Nicht mein tapferer Captain.«
Hawkwood seufzte. »Ich bin kein Captain. Nicht mehr.«
»Aber Sie sind trotzdem mein Held«, murmelte sie gefühlvoll. »Ziehen Sie jetzt Ihr Hemd aus.«
Catherine de Varesne wandte sich nicht ab, sondern ließ ihren Blick über seinen vernarbten Oberkörper schweifen. Die zackige Narbe unter seinem linken Arm stammt wohl von einer Klinge, dachte sie. Und die kreisförmige, verfärbte Einkerbung auf der rechten Schulter sieht nach einer Schusswunde aus, während die dünne Linie zwei Zentimeter unter seiner linken Brustwarze ein vernarbter Messerschnitt sein könnte. Ein vom Krieg und zwanzig Jahren Dienst in der Armee geschundener Körper. Dann musterte sie die blutverkrustete Wunde unterhalb der Rippen, die zwar stark blutete, aber nur oberflächlich war.
Obwohl Catherine behutsam die Kruste getrockneten Blutes entfernte, musste Hawkwood ein paar Mal die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu stöhnen. Sobald die Wunde gereinigt ist, dachte er, wird sie schnell verheilen und die Narbe nur noch eine weitere schmerzliche Erinnerung an einen meiner zahllosen Kämpfe sein.
Nachdem die Wunde gründlich gereinigt war, griff sie nach den Verbänden und befahclass="underline" »Setzen Sie sich auf!«
Genießerisch atmete er den Duft ihres Parfüms ein: Jasmin mit einer Spur Zitrone, dachte er. Er fühlte ihren federleichten Atem in seinem Nacken, als sie sich über ihn beugte und den Verband anlegte. Kurz begegneten sich ihre Blicke, und sie verharrte mitten in der Bewegung. Ihr Busen hob und senkte sich einladend vor ihm.
»Ich glaube, es ist Zeit«, flüsterte sie.
»Wofür?«, fragte Hawkwood und hob die Brauen.
Wie gebannt von ihrem Blick hörte er sie sagen: »Für Ihre Belohnung.«
Das Gesicht von ihrer glänzenden schwarzen Mähne umrahmt, blickte sie auf ihn hinunter. Ihre dunklen Brustwarzen streiften seine Haut. Mit der Hand griff sie nach unten und tastete nach ihm. Hawkwood spürte, wie er reagierte. Dann setzte sie sich mit gespreizten Beinen über ihn und stöhnte leise vor Lust. Dabei beobachtete sie ihn mit weit offenen Augen. Dann umfasste sie ihn und fing an, ihn sanft zu massieren.
»Ich will dich«, flüsterte sie, ließ ihn los, senkte den Kopf, küsste seinen Hals und knabberte spielerisch an seiner Haut. Ihre Zunge glitt über sein Schlüsselbein. Ihre warmen, feuchten Lippen liebkosten seine Brust, küssten seine Narben. Ihre Hände strichen über seine Hüften, streichelten seine Oberschenkel. Ihr Kopf sank tiefer, ihre Lippen umschlossen ihn, und Hawkwood gab sich dem Augenblick hin.
Als sie spürte, dass er sich nicht länger zurückhalten konnte, löste sie ihren Mund von ihm und senkte sich auf Knien behutsam auf ihn. Den Kopf in den Nacken geworfen, die Augen geschlossen, bewegte sie sich rhythmisch, bis sie vor Lust aufschrie und am ganzen Körper bebend auf ihn fiel.
Hawkwood war nicht auf die aggressive Art vorbereitet gewesen, mit der Catherine die Initiative übernommen hatte. Mit verführerischer Langsamkeit hatte sie sich bis auf ihre seidenen Strümpfe entkleidet und sich ihm mit gespreizten Beinen dargeboten. Auf seinen Schultern brannten noch die Striemen von ihren Fingernägeln, wo sie ihn gekratzt hatte, als er sie genommen hatte.
Ihre Körper glänzten vor Schweiß. Eine Brise wehte durch das offene Fenster und kräuselte die Vorhänge. Hawkwood zog das Laken über sie beide.
Als er die samtige Haut ihrer Pobacken streichelte, seufzte sie, presste sich an ihn, kreiste mit den Hüften und küsste sein Kinn. »Ist dir eigentlich klar«, murmelte sie, »wie du genannt wirst?«
»Von wem?«, fragte er.
»Na, von deinen Freunden, natürlich. Oder erwartest du, dass ich dich weiter mit Captain Hawkwood anrede?« Sie blickte zu ihm hoch und malte kleine Kreise auf seine Brust.
Hawkwood antwortete nicht gleich, denn ihm wurde bewusst, wie deprimierend klein die Zahl der Menschen war, die er als Freunde bezeichnen konnte. Im Lauf der Jahre hatte er viele Kameraden gewonnen. Manche waren tapfer, andere töricht und ein paar feige gewesen. Aber wahre Freunde? Männer, für die er bereitwillig in der Hitze des Gefechts sein Leben geopfert hätte? Da gab es nur wenige. Wahrscheinlich nicht mehr, als er an einer Hand abzählen konnte, und die meisten davon waren tot. Natürlich war da noch Jago. Alles in allem stand ihm der Exsergeant so nahe wie sonst niemand. Zumindest hatte das für die Zeit vor ihrer beider Rückkehr nach England gegolten. Jetzt war er sich dessen nicht mehr so sicher, denn Jago lief jetzt mit den Hasen, während er zu den Jagdhunden gehörte. Außerdem hatte Jago ihn in all den Jahren, die sie zusammen gewesen waren, nie mit Vornamen angesprochen. In der Armee hatte selbst unter Freunden der Dienstgrad Vorrang. Und was sein jetziges Leben betraf, so gab es im Kollegenkreis ein abgedroschenes Sprichwort: Ein Bow Street Runner macht sich keine Freunde – er kennt nur Informanten.
»Matthew«, sagte Hawkwood schließlich. »Ich heiße Matthew.«
»Also, mein Matthew«, sagte sie sanft. »Woher hast du diese Narben an deinem Hals?«
Es waren eigentlich keine Narben, sondern nur eine unregelmäßige Reihe verblasster Flecke, die von der rechten Unterseite des Kinns bis zu seinem rechten Ohr verlief. Normalerweise wurden diese Verfärbungen von seinem Kragen verdeckt, doch jetzt waren diese Male sichtbar geworden.
Hawkwood legte seine Hand über ihre forschenden Finger. Sie spürte den Stimmungswandel in ihm, runzelte die Stirn und fragte: »Hast du Angst, mir davon zu erzählen?« Dann stockte ihr kurz der Atem. »Warte, ich verstehe. C’est une …«
Mit zusammengezogenen Brauen suchte sie nach Worten.
»… ein Muttermal, nicht wahr?«
Hawkwood streichelte geistesabwesend die samtene Haut ihrer Hüfte. Es war nicht das erste Mal, dass ihn jemand nach diesen Malen an seinem Hals fragte, noch war es das erste Mal, dass er einer Antwort auswich. Es waren weder Muttermale noch Andenken an seine Soldatenlaufbahn oder seinen Beruf als Runner. Diese Male gehörten einer längst vergangenen Zeit an, einer dunklen Zeit in seinem Leben, an die er nicht zurückdenken wollte, denn sie waren Zeichen dafür, wie sich das Schicksal eines Mannes von einem Augenblick zum anderen für immer ändern konnte.
»Ach, mein armer Matthew«, sagte Catherine, denn sie spürte seine innere Unruhe. Dann legte sie ihm die Arme auf die Brust, verschränkte die Finger und blickte zu ihm hoch.
»Erzähl mir alles. Ich will alles über dich wissen.« Sie musterte ihn abwägend. »Ist es üblich, dass sich ein Gesetzeshüter duelliert? Wegen einer Frau?«
»Das kommt wohl auf die Frau an«, reagierte er auf ihre provozierende Frage.
Mit gespielter Verärgerung gab sie ihm einen Klaps auf den Arm, senkte den Kopf und küsste zärtlich die Stelle. Dann sah sie ihm in die Augen und fragte mit ernster Miene: »Also, erzähl mir, mein Captain, hast du als Soldat viele Männer getötet?«
»Ich habe sie nicht gezählt.«
Auf einen Ellbogen gestützt, strich sie mit der Fingerspitze über die Muskeln an seinem Unterarm. »Aber du hast gekämpft und getötet?«
»Ja.«
»Franzosen? Bonapartes Soldaten?«
»Größtenteils«, antwortete er widerstrebend.
»Du sprichst nicht gern darüber?«, fragte sie.
»Nein, nicht besonders.«
Jetzt zog sie wieder die Brauen zusammen. »Hat es dir etwas ausgemacht? Das Töten, meine ich?«