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»Ich muss mich doch sehr wundern«, bemerkte der Ordensritter herablassend. »Ich kenne die Komturei nicht, in der Ihr bisher gelebt habt, aber dort, wo ich herkomme, hat man mich nicht gelehrt, vor einem Feind davonzulaufen.«

»Weil Ihr nur mit dem Morgenstern denkt, hat Bruder Horace es wohl vorgezogen, mir das Kommando über die Sankt Christophorus zu übertragen, und nicht Euch«, erwiderte Abbé gepresst. »Wir sind nicht hergekommen, um unser Blut in sinnlosen Schlachten auf hoher See zu vergießen. Wir haben eine Mission, Dariusz, muss ich Euch daran erinnern? Und ich werde nichts tun, was den Erfolg dieser Mission gefährden könnte.« Er schüttelte müde den Kopf. »Im Übrigen hat Heinrich Recht, fürchte ich. Der Nebel trägt jeden Laut meilenweit. Lasst den Befehl weitergeben, dass an Deck nicht mehr gesprochen werden darf.«

Dariusz funkelte Abbé noch einen Herzschlag lang herausfordernd an. Dann drehte er sich mit einem Ruck um und drängte sich zwischen den Rittern hindurch, um zum Hauptdeck hinabzusteigen und Abbés Befehl weiterzugeben. Auf dem Achterkastell war dies nicht mehr nötig, denn jedermann hatte hier oben dem Streit zwischen ihm und Abbé mit angehaltenem Atem gelauscht.

Robin drängte sich unmittelbar neben Salim an die Reling. Das Holz war nass, wie alles hier an Deck. Nach und nach wurde es ruhig auf dem Schiff. Die Männer befolgten Abbés Befehl gehorsam, aber die Stille, die sich nun auf dem Schiff ausbreitete, hatte etwas Beklemmendes. Vielleicht, weil es keine wirkliche Stille war. Die Geräusche, die die Menschen an Bord verursachten, verstummten fast ausnahmslos, aber es gab andere Laute: das regelmäßige Klatschen, mit dem sich die Wellen am Rumpf des Schiffes brachen, das leise Knarren der Takelage und das behäbige Flappen der nassen Segel. Manchmal erklang auch ein leises Scharren von eisenbeschlagenen Stiefeln oder ein unterdrücktes Husten.

Auch aus dem Nebel drangen Geräusche zu ihnen: das Rauschen des Meeres, auf unheimliche Weise verzerrt und aller hellen Töne beraubt, sodass es zu etwas anderem, Bedrohlichem zu werden schien. Und dann, zunächst fast unhörbar, ein rhythmisches Klatschen. Ruder, die ins Wasser tauchten? Da waren auch andere, noch unheimlichere Laute, die Robins Herz schneller schlagen ließen. Sie strengte ihre Augen an und versuchte, die träge wallenden Dunstschleier mit Blicken zu durchdringen. Vergebens! Der Nebel gaukelte ihr Bewegung und Schatten vor, wo keine waren, und ihre überreizten Nerven taten ein Übriges, sodass sie sich bald von einem halben Dutzend Kriegsgaleeren umzingelt wähnte.

Das Einzige, was ihr ein wenig Mut machte, war Salims Nähe. Sie wusste, wie kampfstark der schlanke Tuareg war. Und auch wenn es ein unsinniger Gedanke sein sollte angesichts dessen, was ihnen möglicherweise bald bevorstand: Sie hatte das Gefühl, dass ihr nichts geschehen konnte, solange nur Salim bei ihr war. Absurderweise ertappte sie sich sogar bei dem Wunsch, näher an den Tuareg heranzurücken und ihren Kopf an seine starke Schulter zu lehnen.

Erschrocken rutschte sie ein kleines Stück von ihm weg und straffte demonstrativ die Schultern. Das Resultat daraus war ein missbilligender Blick Salims und ein Stirnrunzeln, das alle weiteren Worte überflüssig machte.

»Du hast mir nie gesagt, warum du wirklich hier bist«, flüsterte sie unvermittelt, ohne Salim dabei anzusehen - und vielleicht selbst am meisten überrascht über ihre allzu offene Frage.

»Um auf dich aufzupassen, Dummkopf«, antwortete Salim ebenso leise.

Das stimmte nicht. Es war ein Grund, aber nicht der Grund, aus dem Abbé den Tuareg mit auf diese Mission genommen hatte. Dariusz’ Worte hatten mehr Wahrheit enthalten, als Robin sich bis zu diesem Moment eingestanden hatte. Dariusz war nicht der Einzige an Bord, der sich fragte, was Salim inmitten eines Heeres von Tempelrittern verloren hatte. Auch wenn Robin eine nur ganz vage Vorstellung vom Zweck dieser Mission hatte, so hätte sie doch blind und taub sein müssen, um nicht mitzubekommen, dass es sich hier um mehr als nur um einen weiteren Feldzug ins Heilige Land handelte. An Bord der beiden Schiffe befanden sich zu viele Würdenträger des Ordens. Und es gab Gerüchte, das noch mehr und noch viel wichtigere Persönlichkeiten in Akko und auf ihrem Weg nach Jerusalem zu ihnen stoßen würden. Vielleicht hatte Abbé nicht einmal übertrieben, als er behauptet hatte, das Schicksal des gesamten Ordens stünde auf dem Spiel.

3. KAPITEL

Robin schrak aus ihren Gedanken hoch, als sie spürte, wie sich Salim neben ihr straffte. »Was?«, fragte sie.

Salim bedeutete ihr mit einer knappen Geste, still zu sein. Seine Hände schlossen sich so fest um die Reling, dass die Sehnen wie dünne Stricke durch die Haut stachen. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck höchster Konzentration.

Robin wartete einen Moment lang vergeblich darauf, dass Salim etwas sagte, dann starrte auch sie wieder in den Nebel. Hinter der grauen Wand schienen sich Schatten zu bewegen, Schatten, die zu Dingen werden wollten...

Salim zog sein Schwert. Das Geräusch schnitt durch die unheimliche Stille, die sich über dem Schiff ausgebreitet hatte, wie eine Messerklinge durch Fleisch. »Sie sind da«, sagte er.

Keinen Herzschlag später begriff sie, was er damit meinte.

In einem Augenblick war der Nebel noch grau und von substanzloser Bewegung erfüllt, im nächsten ballte sich die Dunkelheit zu einem gewaltigen schwarzen Umriss zusammen, einem riesigen dreieckigen Ding, einem gewaltigen bizarren Ungeheuer, das aus den tiefsten Tiefen der Hölle emporgestiegen war, um sie alle ins Verderben zu reißen.

Da kam die Angst. Eine Angst, die binnen eines einzigen Augenblickes in blanke Panik umschlug und es Robin unmöglich machte, noch einen klaren Gedanken zu fassen. Das Sarazenenschiff sprang regelrecht aus dem Nebel heraus. Es war groß, viel größer, als sie erwartet hatte. Ein flaches, aber sehr langes Boot, das sich, von Dutzenden von Rudern bewegt, pfeilschnell näherte, einem riesigen bizarren Käfer gleich, der über das Wasser rannte, statt darauf zu schwimmen. Sein Bug erschien wie ein bronzener Schnabel, bereit, sich in seine Beute zu graben. Hinter dem ersten Schiff tauchte ein zweites auf, aber der Angriff begann bereits, noch ehe der Nebel das zweite Boot vollends ausgespien hatte.

Robin hörte einen bedrohlichen, vielstimmig sirrenden Laut, den ihr Verstand in der Panik, in der er gefangen war, nicht einordnen konnte. Instinktiv duckte sie sich hinter die niedrige Holzwand der Reling. Als die ersten Pfeile rings um sie herum einschlugen, wurde ihr klar, dass sie bereits ihren ersten, vielleicht bereits tödlichen Fehler begangen hatte, noch bevor die Schlacht begann: Ihr Schutz gegen Pfeile und andere anfliegende Geschosse, ihr Schild, hing, durch das dichte Gedränge unerreichbar, auf ihrem Rücken. Robin krümmte sich zusammen und wartete auf den Tod.

Er kam nicht. Ringsumher schlugen Pfeile ein, prallten von Schilden und Helmen ab oder fanden ihre ersten Opfer. Eines der schlanken tödlichen Geschosse riss einen mehr als handlangen Splitter aus der Reling, unmittelbar vor ihrem Gesicht. Aber sie wurde nicht getroffen. Stattdessen griff eine starke Hand - Salim! - nach ihr, zerrte sie auf die Füße und zerrte sie in den Schutz seines eigenen Körpers. Weitere Pfeile regneten auf das Deck herab, scheinbar ziellos, aber bei der furchtbaren Enge auf dem Schiff war es beinahe unmöglich, einen der Ordensritter zu verfehlen.

»Unter Deck!«, schrie Salim. »Verschwinde!«

Er versetzte ihr einen Stoß, der sie gegen einen der Männer prallen ließ, und brachte irgendwie zugleich das Kunststück fertig, den Schild von ihrem Rücken zu lösen und ihren linken Arm in die ledernen Schlaufen zu schieben.