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Omar, der wie sie einen Herzschlag lang reglos dagestanden und die Reihe der schwarz gekleideten Reiter angestarrt hatte, sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, drehte sich halb herum - und fuhr noch einmal und noch heftiger zusammen.

Als Robin sich ebenfalls umwandte, konnte sie ihn verstehen. Nicht nur auf der Klippe über ihnen, sondern auch auf dem Dünenkamm hinter ihnen war eine lang auseinander gezogene Reihe vollkommen in Schwarz gekleideter Reiter erschienen. Auch ihre Pferde waren ausnahmslos schwarz. Ein gutes Drittel der Assassinen löste in diesem Moment kurze, sonderbar geschwungene Bögen von den Sätteln und legte Pfeile auf. Die restlichen Männer zogen Säbel oder brachten lange, mit schwarzem Pferdehaar geschmückte Speere in Angriffsposition. Alles ging in unheimlicher Lautlosigkeit vonstatten. Nicht einmal das Schnauben eines Pferdes oder ein Hufscharren waren zu hören und auch auf ihrer Seite herrschte ein fast atemloses Schweigen.

»Auf dein Kamel!«, befahl Omar. Er sprach nicht laut, sondern in jenem gehetzten Flüsterton, der nur wenige Schritte weit zu hören war, aber so zwingend klang, dass sie unwillkürlich gehorchte. Mit einem einzigen Satz kletterte sie auf den Rücken des Tieres und schlug ihm die flache Hand auf den Hals, woraufhin sich das Kamel mit einem unwilligen Ruck erhob.

Ihr Aufsitzen schien ein Signal zu sein. Nahezu alle Söldner sowie die meisten von Omars Kriegern, stiegen ebenfalls auf ihre Tiere und zogen ihre Waffen. Es war nicht nötig, dass Omar einen Befehl gab oder Mussa seine Söldner einwies. Die Männer stellten sich rasch und auf routinierte Weise am Fuße der Felswand zu einem dicht gestaffelten Halbkreis auf und machten sich zur Verteidigung bereit. Niemand versuchte zu fliehen - und wohin auch? Es gab kein Davonlaufen mehr. Ihre Flucht war hier zu Ende, so oder so.

Omar bedeutete ihr, hinter den Kriegern Schutz zu suchen, und Robin drehte gehorsam ihr Kamel herum, verhielt aber dann noch einmal und sah sich nach Nemeth und ihrer Mutter um. Die beiden befanden sich jedoch schon auf halbem Wege zu der Gruppe der Verteidiger, sodass Robin und Omar die Letzten waren, die am Fuße der Felswand ankamen. Die Männer öffneten respektvoll ihre Reihen. Omar nahm seinen Platz in der vordersten Reihe ein, winkte seinem Leibwächter zu, sich neben ihn zu stellen, und befahl Robin, bis ganz an den Felsen hin zurückzuweichen. Wie in Trance gehorchte sie.

Dann richtete sie sich etwas im Sattel auf und beschattete die Augen mit der Hand, um wieder zu den Assassinen hinzusehen. Die Reihe der unheimlichen, fast substanzlos erscheinenden Schatten hatte sich nicht bewegt und dennoch erregte eine der nachtfarbenen Gestalten Robins besondere Aufmerksamkeit. Sie wusste nicht, was an dieser Gestalt sie in den Bann zog...

Es war ein großer, breitschultriger Mann auf einem riesigen pechschwarzen Hengst, auf dessen Brust ein goldener Funke blitzte. Robin blinzelte und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Sie brannten und waren noch gerötet vom Sand. Sie musste sich täuschen.

Und in wenigen Augenblicken würde sie sowieso Klarheit haben, dachte sie bitter. Die Assassinen erwachten aus ihrer Erstarrung. Ihr Anführer hob seinen Säbel über den Kopf und deutete dann mit der Waffe auf Omar, wie es ihr schien. Außer dem leisen Klirren von Waffen und dem Knirschen von Sattelleder und harten Pferdehufen auf Sand blieb die Gruppe der Angreifer unheimlich still, auch als sie sich erst langsam, dann immer schneller werdend in Bewegung setzte. Mehr denn je sahen sie wie Geister aus, die die Wüste ausgespien hatte. Selbst ihre Pferde verhielten sich vollkommen ruhig. Man hörte kein Wiehern, kein Schnauben, nur das schneller werdende Trommeln der Hufe. Im Sattel spürte Robin die Vibrationen, die durch den Sand liefen, als die schwarze Woge den Hügelkamm herunterschwappte und auf sie zuraste. Der stattliche Reiter, den Robin für ihren Anführer hielt, war jetzt zwischen den anderen verschwunden.

»Bleibt hinter mir«, sagte Robin, an Saila und Nemeth gewandt, die ihr Kamel unmittelbar an den Felsen herangelenkt hatten. Das Tier war nervös und hatte Angst.

Ein peitschender Laut und das Sirren zahlreicher Pfeile machte es ihr unmöglich, Sailas Antwort zu verstehen. Unwillkürlich duckte sie sich, als die ersten Pfeile heranzischten, und griff dorthin, wo sie als »Bruder Robin« ihr Schwert getragen hätte. Im selben Moment spannte sie den linken Arm an und hob ihn ein wenig, so als hätte sie dort einen Schild. Doch sie war weder bewaffnet, noch gab es irgendeinen Schutz außer des dünnen Mantels, den sie trug.

Von dieser Salve blieb sie verschont. Etliche Pfeile fanden ihr Ziel und streckten eine Hand voll von Mussas Kriegern nieder. Doch die Bogenschützen der Assassinen schienen längst nicht so gut zu sein, wie sie nach all den Geschichten über sie befürchtet hatte. Bei weitem nicht jeder Pfeil war ein Treffer, und anderseits fiel Robin auf, wie häufig gleich mehrere Pfeile dasselbe Ziel trafen, sodass Mussas Söldner von jeweils zwei oder drei Geschossen aus den Sätteln geschleudert wurden. Sie war sich nicht sicher, ob das Zufall oder eine besondere Strategie war, um ihr Ziel mit Sicherheit auszuschalten. Doch gleich wie, es gab Omar und seinen Männern Gelegenheit, ihrerseits ihre Bögen zu ziehen und den Angriff zu erwidern.

Mehr als nur ein Assassine stürzte getroffen aus dem Sattel oder fiel schwer zu Boden, als sein Pferd von einem Pfeil durchbohrt wurde. Und Robin bemerkte auch noch etwas anderes: Die Pferde der Angreifer waren in denkbar schlechtem Zustand. Einige von ihnen strauchelten beim Ritt die Düne hinab, andere wurden von ihren Reitern mit Gewalt in de Angriff getrieben. Die Hufe der Tiere versanken tief im Sand, und Robin sah, wie ein Pferd einfach zusammenbrach, ohne von einem Pfeil getroffen worden zu sein. Die Assassinen hatten das Unmögliche vollbracht und sie eingeholt, aber sie mussten dabei fast ihre gesamte Kraft und vor allem die ihrer Pferde aufgebraucht haben.

Als die vordersten Reihen der beiden ungleichen Gruppen aufeinander trafen, wurde Robin schlagartig bewusst, in welcher Gefahr sie sich befand. Sowohl Omar als auch sie waren bisher ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass ihr keine Gefahr drohte - immerhin waren diese Assassinen hier, um eine ganz besondere Beute zu machen, nämlich sie. Aber wie sollten sie wissen, wer sie war? Robin trug Männerkleidung und hatte noch dazu gerade mit Omar geredet, wie jemand, der ihm sehr vertraut war. Sie war ein hervorragendes Ziel für jeden Pfeil oder jeden Speer, noch dazu, wo sie unbewaffnet war.

»Bleibt, wo ihr seid!«, schrie sie Saila zu. »Sie werden euch nichts tun, aber versucht nicht zu fliehen!«

Robin schlug dem Kamel mit der flachen Hand aufs Hinterteil und riss mit der anderen die Zügel herum. Das Tier reagierte nicht wie das Schlachtross, das sie gewohnt war, sondern mit einem ärgerlichen Blöken. Eher schwerfällig drehte es sich dann herum und setzte sich in Bewegung. Robin, die zwei Jahre lang mit Begeisterung den Reiterkampf geübt hatte, ging wie von einer inneren Kraft getrieben in den Gegenangriff über, - auch wenn sie keine Waffe und nicht einmal einen Schild hatte, war das wahrscheinlich immer noch besser, als tatenlos dazusitzen und darauf zu warten, von einem Pfeil getroffen zu werden.

Eingedenk dessen, was Salim sie gelehrt hatte, sprengte sie nicht blindlings los, sondern suchte sich schon aus der Entfernung einen Gegner. Sie überlegte, wie sie sich den Vorteil, auf dem Kamel viel höher zu sitzen, dem Assassinen gegenüber zunutze machen konnte; noch dazu würde der Mann kaum damit rechnen, von einem unbewaffneten Angreifer attackiert zu werden.