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Robin stolperte weiter, stieß gegen Männer und Schilde und endlich gegen die deckseitige Reling des Achterkastells. Noch immer prasselten Pfeile auf das Schiff herab. Nur die wenigsten richteten unter den schwer gepanzerten Männern wirklich Schaden an, aber einige eben doch. Ein schreiender Mann stürzte mit wild rudernden Armen und Beinen aus der Takelage ins Wasser und wurde vom Gewicht seiner Rüstung auf der Stelle in die Tiefe gezogen. Unmittelbar vor Robin fällte ein Pfeil einen ungeschützten Matrosen. Sie sah einen gewaltigen Schatten aus den Augenwinkeln, der auf das Schiff zuraste, als hätte das Meer selbst sich aufgetürmt, um die Sankt Christophorus zu verschlingen. Auf dem Schiff gellten Kampf-, aber auch Schmerzensschreie, und augenblicklich drohte alles im Chaos zu versinken.

Als sie die Treppe zum Hauptdeck hinabgestiegen war, fand sich Robin hoffnungslos eingekeilt zwischen Dutzenden gepanzerten Gestalten, die ihrerseits versuchten, sich von der Stelle zu bewegen und ihre Waffen zu ziehen. Es stank nach Blut und Schweiß, und als sie verzweifelt weiterstolperte, trat sie zu ihrem Entsetzen auf einen reglosen Körper. Sie hatte Angst, nur noch Angst. Das war kein Abenteuer, keine spannende Episode, die das Einerlei ihrer selbstgewählten Gefangenschaft unterbrach. Sie brachte es nicht einmal mehr fertig zu schreien.

Der Pfeilhagel hörte auf, aber das bedeutete keineswegs das Ende des Kampfes. Die Atempause währte nicht einmal eine Sekunde, dann erscholl ein beängstigendes Krachen. Das ganze Schiff erbebte wie unter einem Faustschlag, als die Galeere mit eingezogenen Rudern längsseits ging und die schweren Schiffsrümpfe aneinander schlugen.

Noch vor wenigen Augenblicken hatte Robin geglaubt, nichts und niemanden in der Welt fürchten zu müssen; schließlich hatte Salim sie länger als ein Jahr in Reiten, Fechten und all den anderen Kampfkünsten ausgebildet, und sie war besser als so mancher Mann in der Lage, sich ihrer Haut zu wehren. Tatsächlich hatte sie bereits zwei Kämpfe miterlebt - die Belagerung der Komturei und den Hinterhalt, in den Horace und seine Begleiter geraten waren. Aber nichts davon war mit dem hier zu vergleichen.

Es war kein ritterlicher Kampf, keine Schlacht, wie sie sie sich vorgestellt hätte. Die Angreifer ergossen sich gleich einer brüllenden Woge aus Fleisch und Stahl auf das Deck der Sankt Christophorus, kletterten über die Reling, schwangen an Seilen herüber oder ließen sich aus der Takelage fallen. Es gab keine Zweikämpfe, keine ritterlichen Duelle, stattdessen ein einziges wütendes Stechen und Hauen, in dem jeder gegen jeden zu kämpfen schien.

Robin war viel zu weit von der Reling entfernt, um Einzelheiten zu erkennen, aber sie sah dennoch, dass die Sarazenen einen gewaltigen Blutzoll für ihren tollkühnen Angriff zahlten. Von der ersten Angriffswelle überlebte kaum einer. Die Männer wurden von den vorgereckten Schwertern der Tempelritter aufgespießt, über Bord gestoßen oder einfach niedergetrampelt, soweit sie überhaupt an Bord gelangten. Aber der ersten Angriffswelle folgte unmittelbar eine zweite; Dutzende von Männern in schwarzen und blauen Kaftanen, mit Turbanen, Krummsäbeln und lederbespannten runden Schilden, die brüllend über die Leichen ihrer gefallenen Kameraden kletterten und mit solcher Wucht heranstürmten, dass die Reihen der Tempelritter wankten und womöglich gebrochen wären - hätte es nur Platz für sie gegeben zurückzuweichen. Die Templer standen Schulter an Schulter. Selbst die Getroffen hatten nicht genug Platz, um umzufallen, sodass ihre leblosen Körper zwischen ihren Kameraden hin und her gestoßen wurden. Der Kampf hätte jetzt entschieden werden können, hätte es nur diese eine Sarazenengaleere gegeben.

Aber sie war nicht alleine.

Über das Wasser wehte dumpfes Krachen und weiteres Kampfgeschrei zu ihnen herüber, als das zweite Schiff die Sankt Gabriel auf die gleiche Weise attackierte, und plötzlich tauchte auf der anderen Seite ein dritter Schatten auf, der auf die Sankt Christophorus zuschoss. Robin keuchte vor Entsetzen, als sie sah, dass das Boot nicht versuchte, längsseits zu gehen - die Ruder tauchten ein letztes Mal ins Wasser, um die Galeere noch weiter zu beschleunigen, dann traf der bronzebeschlagene Bug die Flanke der Sankt Christophorus wie ein Axthieb.

Ein ungeheures Bersten und Splittern erscholl. Das Schiff neigte sich zur Seite und richtete sich bebend wieder auf, so als sei es ein lebendiges Wesen. Dieser Augenblick, den das Deck aus dem Gleichgewicht geriet, genügte, um die Phalanx der Verteidiger zu zerbrechen. Nahezu jedermann an Deck wurde von den Füßen gerissen. Mindestens ein Dutzend Männer in Rüstungen stürzte über Bord und verschwand mit gurgelnden Schreien in den dunklen Fluten.

Auch Robin wurde zu Boden geschleudert. Sie verlor den Helm, den sie bisher vollkommen nutzlos unter den linken Arm geklemmt hatte, bekam einen Fußtritt ins Gesicht, zwei, drei weitere in den Leib und in die Seite. Trotz des schützenden Kettenhemdes wurde ihr die Luft aus den Lungen getrieben und einen Moment lang kämpfte sie japsend darum, nicht ohnmächtig zu werden.

Als sie wieder auf die Füße kam, hatte sich das Deck endgültig in einen Hexenkessel verwandelt. Die Sankt Christophorus war nicht in zwei Teile zerbrochen, wie Robin es im ersten Moment befürchtet hatte, aber die beindicke Rah war vom Mast gestürzt und hatte etliche Verteidiger unter Segeltuch und Holzsplittern begraben. Auch vom Deck des neuen Angreifers stürmten jetzt Männer auf die Sankt Christophorus, um mit der gleichen verbissenen Wut wie ihre Kameraden anzugreifen.

Bevor sie überhaupt begriff, wie ihr geschah, jagte einer der Männer auf sie zu. Einen ganz flüchtigen Moment nur begegneten sich ihre Blicke. Der Mann hatte sich eindeutig sie als Gegner ausgesucht, das konnte sie in seinen hasserfüllten Augen lesen, als er das rote Tatzenkreuz auf ihrem Gewand erkannte.

Ihre Hand fuhr wie von selbst zum Schwertgriff. Doch noch bevor sie die Klinge ziehen konnte, tauchte eine riesenhafte Gestalt in einem blutbesudelten weißen Wappenrock hinter dem angreifenden Sarazenen auf und streckte ihn mit einem einzigen Schwerthieb nieder.

»Verschwinde, Junge!«, keuchte ihr Ordensbruder. »Geh runter...«

Er brach mitten im Satz ab. Seine Augen wurden groß, und plötzlich quoll dunkelrotes zähes Blut über seine Lippen. Er ließ das Schwert fallen, brach in die Knie und stürzte auf die Seite. Aus seinem Rücken ragten drei Pfeile.

Einen Herzschlag lang starrte Robin den Toten entsetzt an, dann fuhr sie herum und blickte zum heftig umkämpften Achterkastell hinauf. Sie sah Abbé und zu ihrer nicht geringen Überraschung Dariusz Rücken an Rücken dastehen und sich einer immer größer werdenden Übermacht erwehren. Irgendwo zwischen den schwarz, braun oder erdfarben gekleideten Angreifern glaubte sie auch Salim zu erkennen, dessen Krummsäbel mindestens ebenso erbarmungslos unter seinen Glaubensbrüdern wütete wie die Breitschwerter der Tempelritter. Am liebsten wäre sie jetzt dort oben gewesen, trotz des blanken Entsetzens, mit dem sie der Anblick erfüllte, aber sie wusste, dass sie es nie bis dort hinauf schaffen würde, - und selbst wenn, wäre sie nur eine weitere Belastung für Salim und die anderen gewesen. Ebenso wenig konnte sie zurück in die Kapitänskajüte, denn vor dem Abstieg war das Deck gedrängt voll mit Kämpfern. Verzweifelt sah sie sich nach einer Deckung um, einem möglichen Versteck, aber es gab keines.

Und sie würde auch keines mehr brauchen, wenn sie noch länger hier herumstand. Sie stürmte los, jedoch weder zum Achterkastell noch auf die Tür zur Kapitänskajüte zu, sondern rannte auf die Galeere zu, dorthin, wo sich ihr Rammsporn in die Flanke der Sankt Christophorus gegraben hatte. Auch dort wurde gekämpft wie überall an Deck, aber wie durch ein Wunder Gottes griff sie kein weiterer Sarazene an, obwohl sie das Wappen der Tempelritter überdeutlich auf Schild, Brust und Rücken trug. Wurde sie verschont, weil sie ihr Schwert noch immer nicht gezogen hatte, oder hatte sie einfach nur Glück?