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»Gefällt dir, was du siehst?«, fragte Aisha.

Robin machte sich erst gar nicht die Mühe zu antworten. Sie wagte es nicht, den Zauber des Moments zu stören.

»Jetzt verstehst du vielleicht besser, wieso Haruns Männer ihm so treu ergeben sind«, murmelte Aisha. »Welcher Mann gäbe nicht seine Seele, um in diesem Paradies leben zu können?«

So verstört und entkräftet Robin noch war - so konnte sie nicht anders, als Aisha innerlich zuzustimmen. Trotzdem fragte sie: »Was hat er davon, wenn er genau dieses Leben verliert?«

Aisha schüttelte heftig den Kopf. Robin spürte die Bewegung, obwohl sie nicht in ihre Richtung sah. »Du verstehst nichts, Ungläubige«, behauptete sie. Es klang nicht abfällig, sondern wie eine unabänderliche Feststellung. »Das ist nur ein Vorgeschmack dessen, was auf die Söhne Ismaels wartet, wenn ihr Leben auf dieser Welt zu Ende geht. Das Paradies und immer währende Freude.«

Und das glaubst du wirklich? dachte Robin. Der Anblick berührte sie noch immer zutiefst, und dennoch hatten Aishas Worte den Zauber gebrochen. Plötzlich tat ihr die Araberin nur noch Leid. Begriff sie denn nicht, welch fürchterlicher Täuschung sie aufsaß und dass der Garten dort unten, so wunderbar er auch war, nichts anderes als eine blühende Oase inmitten der Wüste war? Haruns Versprechen war nicht mehr wert als der Sand, durch den sie in den letzten Tagen geritten waren.

Mit einem Mal befiel sie eine Traurigkeit und sie trat vom Fenster zurück. Der Zauber des Augenblicks war zerstört. »Was erwartet dein Herr von mir?«, fragte sie Aisha.

»Zuallererst einmal, dass du dich wäschst«, antwortete Aisha.

Robin schüttelte den Kopf. »Ich meine es ernst, Aisha«, beharrte sie. »Ich werde niemals seine Gemahlin werden.«

»Ich meine es auch ernst«, erwiderte Aisha. »Denn er wird schreiend davonlaufen, wenn er dich so sieht. Und das wollen wir doch beide nicht, oder?«

Mit einer herrischen Geste schnitt sie ihr jede weitere Entgegnung ab und klatschte in die Hände. Robin war nicht überrascht, als der Vorhang auf der anderen Seite des Zimmers zur Seite geschlagen wurde und zwei verschleierte Frauen dahinter heraustraten. Eine von ihnen trug ein Tablett mit einem goldenen Krug und einem Trinkgefäß aus dem gleichen Material, daneben eine Schale mit Obst, die Arme der anderen waren mit sauberen, kostbaren, Kleidern beladen.

Freudig überrascht war sie, als sie die dritte Gestalt erkannte, die einen Moment später hinter dem Vorhang heraustrat und mit hüpfenden Schritten an den beiden Sklavinnen vorbeieilte. »Nemeth!«, rief sie.

Das Mädchen lachte hell auf, beschleunigte seine Schritte und warf sich mit solchem Ungestüm in Robins ausgebreitete Arme, dass es sie fast von den Füßen gerissen hätte. Im letzten Moment erst fand Robin das Gleichgewicht wieder, dann presste sie Nemeth lachend an sich.

»Ich bin ja so froh, dich zu sehen!«, sagte sie. »Und dir geht es auch wirklich gut? Dir fehlt nichts?«

»Niemand hat mir etwas getan«, versicherte Nemeth. Ihre Augen leuchteten glücklich. »Im Gegenteil. Harun ist der netteste Mensch, den du dir vorstellen kannst, und du wirst nicht glauben, wer...«

»Das reicht jetzt«, unterbrach sie Aisha. Robin sah verwirrt zu Haruns Leibsklavin hoch, doch Aisha deutete sogleich eine besänftigende Geste an, und ihre Augen, der einzige Teil ihres Gesichtes, der über dem goldverzierten Schleier sichtbar war, lächelten. »Wir haben wirklich noch eine Menge vor uns. Du musst etwas trinken. Und vor allem essen, damit dir nicht die Kräfte versagen und du ohnmächtig wirst, wenn du ins heiße Bad steigst.«

»Bad?«, wiederholte Robin verständnislos.

Aisha nickte, und Nemeth fügte mit einem leisen, ein wenig schadenfrohen Kichern hinzu: »Sie hat Recht, weißt du? Du riechst wirklich ein bisschen wie ein Kamel.«

»Hast du schon einmal gehört, wie ein Kamel schreit, wenn man es an den Ohren hochzieht?«, erwiderte Robin und setzte eine übertrieben drohende Miene auf. Nemeth antwortete nur mit einem weiteren Kichern, aber Aishas Stirn umwölkte sich ärgerlich.

»Genug mit dem Unsinn«, sagte sie. Sie deutete mit einer unwilligen Geste auf den Tisch, auf dem die Sklavin mittlerweile ihre Last abgeladen hatte. »Iss. Und trink. Aber schling nicht.«

Das ließ sich Robin nicht zweimal sagen. Auch wenn in den letzten Minuten so viele unterschiedliche Eindrücke und Überraschungen auf sie eingestürmt waren, dass sie das qualvolle Brennen in ihrer Kehle beinahe vergessen hatte; so meldete sich jetzt ihr Durst mit aller Macht zurück. Sie beherrschte sich, so gut es ging. Aisha runzelte missbilligend die Stirn, während Robin - zuerst gierig, dann etwas zurückhaltender - die gesamte Obstschale leerte. Dabei spülte sie mit Unmengen von Wasser nach und war selbst dann noch durstig, als der Krug bis auf den letzten Tropfen geleert war. Sie warf Aisha einen bettelnden Blick zu, den diese jedoch nur mit einem Kopfschütteln beantwortete. Im Stillen musste sie der Araberin Recht geben. Sie fühlte sich jetzt schon, als müsste sie jeden Moment platzen, und wenn sie noch mehr aß oder trank, würde ihr das ganz bestimmt nicht gut bekommen.

Erst als sie sowohl die Obstschale als auch den Krug vollkommen geleert hatte, fiel ihr wieder auf, dass Nemeth auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen hatte und sie die ganze Zeit über angeblickt hatte. Schuldbewusst sah sie auf die leere Obstschale hinab und wollte etwas sagen, aber das Mädchen schien ihre Worte vorausgeahnt zu haben und schüttelte hastig den Kopf.

»Das macht nichts«, sagte sie. »Wir bekommen hier genug zu essen.«

»Ist das wahr?«, vergewisserte sich Robin.

»Ganz bestimmt«, versicherte Nemeth in lebhaftem Ton. »Stell dir nur vor, es gibt hier immer so viel zu essen, wie du nur haben willst, frisches Obst, und Fleisch, und Gemüse, und klares, kaltes Wasser, sogar genug, dass man darin baden kann!«

»Ach?«, sagte Robin.

»Ja«, fügte Aisha hinzu. »Und daran führt nun auch wirklich kein Weg mehr vorbei.«

»Also gut«, murrte Robin. »Aber dein Gebieter wird nicht besonders erfreut sein, wenn mir etwas zustößt.«

»Zustößt?« Aisha zog die linke Augenbraue hoch.

»Soviel ich weiß, sind mehr Leute an den Folgen eines Bades gestorben als je in irgendeinem Krieg«, antwortete sie. Das war zwar hierzulande eine vollkommen sinnlose Bemerkung und nur dazu angetan, Aisha zu reizen. In Bezug auf Robins Heimat jedoch kein völliger Unsinn, wenn man bedachte, wie rasch man sich dort mit nassem Haar einen Schnupfen oder gar eine Lungenentzündung holen konnte. Doch wie sollte sie das einem Menschen erklären, der vermutlich nicht einmal wusste, was das Wort Kälte tagsüber überhaupt bedeutete?

Aisha ersparte sich eine Antwort und gebot Robin mit einer unwilligen Geste aufzustehen. »Zieh dich aus«, verlangte sie.

»Wie?«

»Du sollst die Lumpen ablegen, die du da trägst«, sagte Aisha. »Ich werde sie verbrennen lassen. Komm!«

Während Robin begann, ihre Kleider abzulegen, führte Aisha sie zu dem steinernen Trog, der in der Mitte des Zimmers stand. Als sie näher kamen, entdeckte Robin an seinen Außenseiten hübsche Figuren, die man in den Stein gemeißelt hatte: Männer und Frauen, die bequem lagen und speisten. Über den Köpfen der Speisenden rankten sich Weinreben und auf einer Seite waren kantige Buchstaben in den Stein hineingehämmert worden, deren Bedeutung Robin jedoch fremd war, sie vermutete, dass es sich um Latein handelte, denn sie sahen völlig anders aus als die verschlungenen arabischen Schriftzeichen, die sie in Hama gesehen hatte. Der Trog war zu einem guten Viertel mit Wasser gefüllt, das vor Hitze dampfte, und daneben standen einige Krüge mit offensichtlich kaltem Wasser, deren bloßer Anblick unangenehme Erinnerungen in Robin weckte.